Universitätsspital Zürich: Der Markt wird noch mehr verzerrt
Während sich beim GZO Spital Wetzikon die Fronten nicht zu bewegen scheinen, liefert der Universitätsspital Zürich mit dem Darlehen des Kantons für Schlagzeilen. Was sind die Folgen für die künftige Finanzierung von Spitälern in der Schweiz und für den Kapitalmarkt?
In Sachen GZO Spital Wetzikon scheint seit Anfang Jahr Funkstille zu herrschen. Offensichtlich verspüren weder die Leitung des in definitiver Nachlassstundung stehenden, aber operativ normal funktionierenden Spitals, noch die Gläubigervereinigung GZO Creditor Group Kommunikationsbedarf.
Auch die vom Gericht bestellten Sachwalter bleiben stumm. Sie befürworten den vom Spital vorgestellten Sanierungsplan mit dem harten Schuldenschnitt (Abschlag zwischen 65 und 70 Prozent), der überhaupt nicht nach dem Gusto der Mehrheit der Obligationäre der notleidenden Anleihe im Nominalwert 170 Millionen Franken ist.
GZO Spital Wetzikon: Ball bei den Aktionärsgemeinden
Das dürfte daran liegen, dass der Ball bei den Aktionärsgemeinden liegt. Diese hatten am Samiklaustag 2024 angekündigt, dass bis Mitte Februar 2025 feststehen werde, ob und in welcher Höhe Kreditanträge an die Stimmberechtigten ausgearbeitet würden.
Dafür hat vergangene Woche ein anderes Spital mit ausgeprägtem Finanzbedarf, das Universitätsspital Zürich (USZ), Schlagzeilen geliefert und für Gesprächsstoff gesorgt.
Universitätsspital Zürich: Paukenschlag des Regierungsrats
Am 6. Februar hat nämlich der Regierungsrat des Kantons Zürich bekanntgeben, dass er das USZ teilweise direkt finanzieren will und dem Kantonsrat eine entsprechende Vorlage unterbreitet. Das USZ sei eine selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt und Teil des Zürcher Staatshaushalts, und der Kanton könne die Anleihen am Markt zu günstigeren Konditionen aufnehmen als das Spital, lautet die Begründung.
Es geht um 690 Millionen Franken, die der Kanton dem Spital zum Selbstkostenpreis plus einem Aufschlag von einem Viertelprozentpunkt weiterreichen will.
Auswirkungen für Investoren in Spitalanleihen
Der Regierungsrat will sich vom Kantonsrat zudem ermächtigen lassen, die kantonalen Darlehen an das USZ «insoweit in Dotationskapital umzuwandeln, bis eine Eigenkapitalquote des USZ von 60 Prozent erreicht ist». Bei dieser Zielgrösse handelt es sich um die ursprüngliche Eigenkapitalquote bei der Immobilienübertragung vom Kanton an das USZ im Jahr 2018.
Was bedeutet diese Vorlage für die Obligationäre des USZ und ganz allgemein von Spitalschuldnern? Das USZ hat drei Anleihen über ingesamt 420 Millionen Franken ausstehend, die 2028, 2032 und 2038 fällig werden. Und Spitalschuldner haben am Schweizer Markt Obligationen über rund 5 Milliarden Franken plaziert.
ZKB bestätigt Ratings für das USZ
Patrick Hasenböhler, Analyst im Credit Research bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB) und Verfasser einer Basisstudie zu Spitalschuldnern, hat sich in den letzten Tagen dieser Frage angenommen. Der erste Teil, die Folgen für die USZ-Obligationäre, ist dabei der einfachere.
Die ZKB bestätigt das Rating von AA, der Ausblick bleibt stabil. Unverändert bleibt mit bb–auch das Stand-alone-Rating, das allein auf die Finanzkraft des Schuldners abstellt und staatliche Unterstützung ausklammert.
Quod erat demonstrandum
Hasenböhler fühlt sich in seiner Annahme, dass die Unterstützungswahrscheinlichkeit durch den Kanton bei einem allfälligen finanziellen Stressszenario «extrem hoch» sei, durch die Ankündigung des Regierungsrates bestärkt. «Angesichts des hohen Investitionsvolumens in den nächsten Jahren war es absehbar, dass der Kanton in irgendeiner Form unterstützend eingreifen würde.»
Und weiter: «Für das Stand-alone-Rating wäre es nun positiv, wenn der Kanton anstelle von Darlehen tatsächlich das Dotationskapital erhöhen würde.»
Marktdisziplin nicht ganz ausgehebelt
Der ZKB-Analyst attestiert dem Regierungsrat auch, dass er geschickt agiert hat. Nur die Anleihe mit Verfall 2028 wird durch das Darlehen des Kantons direkt abgelöst, die anderen beiden Bonds muss das USZ am Kapitalmarkt refinanzieren. Das sorge dafür, dass Bedenken, wonach der Druck auf das USZ zur Umsetzung von Kostensenkungsmassnahmen durch das vergleichsweise günstige Darlehen abnehme, gemildert würden. Ausserdem könnte die künftige Aufnahme von Fremdkapital am Anleihenmarkt für das USZ günstiger werden, weil die implizite Garantie verstärkt worden sei.
Etwas komplexer ist es, die möglichen Auswirkungen auf das ganze Segment der Spitalschuldner abzuschätzen. Hasenböhler vermutet, dass die Ankündigung des Regierungsrates eine gewisse Signalwirkung haben könnte und dazu führt, dass weitere Kantone erwägen könnten, direkt am Kapitalmarkt aktiv zu werden, um ihren Spitälern eine günstigere Finanzierung zu ermöglichen.
Westschweizer Spitäler finanzieren sich nicht am Markt
Das widerspricht zwar dem Geist der Neuregelung der Spitalfinanzierung, die mit der Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung per Anfang 2012 vorgenommen wurde. «Seither liegt die Verantwortung für die Finanzierung der Spitalfinanzierung bei den Spitälern und nicht mehr bei der öffentlichen Hand.»
Die Realität sieht allerdings anders aus. «Nicht alle Kantone und Spitäler haben sich bisher an diese Bestimmung gehalten. So fällt beispielsweise auf, dass von den öffentlichen Spitälern, die Anleihen am Frankenkapitalmarkt ausstehend haben, keines aus der Westschweiz stammt», beobachtet Hasenböhler.
Vier Schlüsselgrössen
Der Analyst identifiziert vier Faktoren, von denen abhängt, ob sich Spitäler künftig weiterhin direkt oder (wie vor 2012) indirekt über ihre Eigentümer am Kapitalmarkt finanzieren.
- Politischer Willen: Wie selbständig/unabhängig will das Spital sein bzw. der Kanton sein Spital belassen?
- Buchhalterische Folgen für die Kantonsfinanzen: Wird ein Spital wie das USZ in der Rechnung des Kantons konsolidiert, hat eine Kapitalaufnahme durch den Kanton keine Auswirkungen. Ist das Spital hingegen nicht in der Rechnung konsolidiert, würde eine Kapitalaufnahme für das Spital die Bruttoschulden des Kantons erhöhen.
- Rechtsform des Spitals: Bei einer kantonalen öffentlich-rechtlichen Anstalt (wie dem USZ) ist die Finanzierung durch den Kanton tendenziell unproblematischer als bei einer Aktiengesellschaft oder Stiftung.
- Explizite Unterstützungsklauseln: Wenn Kantone für neue Anleihen von Spitälern Garantien/Bürgschaften abgeben, würde dies den Zinsaufschlag stark reduzieren.
Wenn Kantone nun den Spitälern wieder vermehrt Geld direkt zur Verfügung stellen sollten, verzerrt dies aber auch den Wettbewerb. «Dies benachteiligt diejenigen Spitäler, die sich ohne Unterstützung der Kantone finanzieren müssen, insbesondere die Privatspitäler, und widerspricht der ursprünglichen Idee der 2012 lancierten Spitalfinanzierung», stellt Hasenböhler klar.
Ein teilweise dysfunktionaler Markt
Und durchaus zutreffend hält er abschliessend fest, dass die Finanzierungsfrage nichts am grundlegenden Problem ändert. Spitäler können steigende Kosten (insbesondere Personalkosten) nicht wie in anderen Branchen üblich via höhere Preise auf die Kundschaft überwälzen, weil sie an Tarife gebunden sind.
Zum Schluss ein kleines Fazit nicht des ZKB-Analysten, sondern von finews.ch: Die Idee, dass sich Spitäler selber finanzieren sollten, war wahrscheinlich nicht falsch. Es hätte funktionieren können, wenn es die Politik geschafft hätte, in den Jahren danach den Markt weiter zu liberalisieren – d.h., den Spitälern mehr Spielraum in der Preisgestaltung zuzugestehen. Politisch wäre dies allerdings wohl nur machbar gewesen, wenn man zuvor eine einigermassen tragfähige Lösung für das nach wie vor bestehende Grundproblem der stets steigenden Kosten im Gesundheitswesen gefunden hätte.
Wenn, wäre, hätte: Stimmt der Kantonsrat der Vorlage des Regierungsrats zu, werden die Spiesse bezüglich Spitalfinanzierung noch ungleicher. Dass es sich um einen Markt handelt, der ohnehin schon verzerrt ist, macht die Sache nicht unbedingt besser.