Die Fondsgesellschaft Vanguard hat ihren Jahresausblick 2025 veröffentlicht. Sie versucht darin, die anhaltende Stärke der Wirtschaft und des Aktienmarktes in den USA zu ergründen und wird in angebotsseitigen Faktoren fündig. 

Die US-Gesellschaft Vanguard, die mit einem verwalteten Vermögen von 10,1 Billionen Dollar neben Blackrock und State Street zu den weltgrössten Anbietern von Fonds und Exchange Traded Funds (ETF) zählt und auch in der Schweiz vertreten ist, hat am Mittwoch ihren Wirtschafts- und Marktausblick für das kommende Jahr präsentiert.

Die Ökonomen beschäftigen sich darin intensiv mit der Frage, weshalb die US-Wirtschaft die Phase der höheren Zinsen 2022 und 2023 viel besser überstanden hat als andere Regionen wie Euroland. Auch 2025 dürfte sich an dieser Rangordnung nichts ändern. Vanguard prognostiziert für die USA ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 2,1 Prozent, während es die Euro-Länder nur auf o,5 Prozent bringen.

Angebotsseitige Faktoren beflügeln die US-Wirtschaft 

Die anhaltend gute Performance der amerikanischen Wirtschaft – hohes Wachstum, ein guter Arbeitsmarkt und fallende Inflation – ist primär nicht der Geldpolitik der US-Zentralbank zu verdanken, sondern angebotsseitigen Faktoren. Darunter versteht Vanguard vor allem die Zunahme der Produktivität und ein breiteres Arbeitsangebot.

Eine buchstabengetreue Umsetzung der Trump'schen Wirtschaftsagenda mit Zöllen und einer restriktiven Einwanderungspolitik könnte diesen strukturellen Vorteil der USA indes schmälern und die Inflation nähren. Die Ökonomen gehen deshalb davon aus, dass das (reale) BIP-Wachstum 2025 näher bei 2 als (wie heute) bei 3 Prozent liegen wird.

Geldpolitik in Euroland wird 2025 wieder expansiv

In Euroland hat sich die Wirtschaft deutlich weniger dynamisch gezeigt; entsprechend wird damit gerechnet, dass die Zinssenkungen 2025 dort mit insgesamt 1,25 Prozentpunkten deutlich schärfer ausfallen werden als in den USA, wo der Leitzins zu Jahresende nur 0,5 Prozentpunkte tiefer liegen soll als zu Jahresbeginn. Damit wäre Ende 2025 der Leitzins in der Europäischen Währungsunion unterhalb des neutralen Niveaus – die Geldpolitik würde also stimulierend wirken. 

Vanguard geht aber nicht davon aus, dass die Leitzinsen nochmals so tiefe Niveaus wie im letzten Jahrzehnt erreichen werden. «Die Ära des gesunden Geldes dauert an», glauben die Ökonomen und verstehen darunter positive Realzinsen respektive Nominalzinsen, die höher liegen als die Inflationsraten.

«Ära des soliden Geldes hält an»

Ob das auch auf die Schweiz zutrifft, wo morgen die Nationalbank mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Leitzins weiter senken wird? Das US-Fondshaus beschränkt sich in seiner Analyse auf die grossen Wirtschaftsräume, gibt somit zur Schweiz keine Prognosen ab.

Dank der «Ära des gesunden Geldes» fällt der Ausblick für Geldmarkt- und Fixed-Income-Anlagen zuversichtlich aus. Das Umfeld bilde dort eine gute Basis für solide Erträge in den kommenden Jahren. Anleihen spielten weiterhin eine wichtige Rolle und stellten das Fundament langfristig orientierter Portfolios dar.

US-Aktien: Was fundamental gut ist, ist auch ziemlich hoch bewertet

Anders sieht es jedoch für den US-Aktienmarkt aus. Hier gebe es ein wachsendes Spannungsfeld zwischen dem guten Momentum und immer höheren Bewertungen. Bei den Risikoanlagen wie Aktien seien die Verzerrungen in den Marktbewertungen dort am stärksten, wo die Fundamentalwerte am besten ausfielen, skizziert Vanguard das Dilemma.

Allerdings zeichneten die klassischen Bewertungsmasszahlen für die USA ein zu negatives Bild, schieben die Analysten relativierend nach. Viele grosse Unternehmen hätten sich langfristig sehr günstiges Kapital beschafft, was sie gegenüber der Geldpolitik immunisiere, und die wachsende Bedeutung wachstumsorientierter Wirtschaftsbereiche wie der Technologiebranche stütze die Bewertungen.

Überbewertung im irrationalen Überschwang?

Aber nur die Zeit werde zeigen, ob der Aktienmarkt die US-Unternehmen rational oder in irrationalem Überschwang bewerte, resümiert Vanguard in Anlehnung an die berühmte Formulierung von Alan Greenspan, des einstigen Vorsitzenden der US-Notenbank.

Die Bewertung der Aktienmärkte ausserhalb der USA, die in den letzten Jahren dem Leitmarkt performancemässig hinterherhinkten, wird von Vanguard als deutlich attraktiver taxiert.