Drittens könnte das Wetzikon-Debakel auch die Schweizer Gemeindefinanzierungslandschaft verändern. Am Anleihenmarkt treten selber zwar nur die grossen Städte in Erscheinung. Aber auch die kleineren Städte und die übrigen Gemeinden müssen sich refinanzieren – sie tun dies über Mittel (z.B. in Form von Schuldscheindarlehen), die ihnen in der Regel von einem Kreditgeber (und nicht wie bei Anleihen von einer Vielzahl von Gläubigern) gewährt werden. An diesem privaten Markt können sich notabene auch Spitäler und andere inländische Schuldner Mittel beschaffen.
Platzhirsch Postfinance
Solche Finanzierungen stellen v.a. Banken und andere Geldgeber wie der AHV-Fonds zur Verfügung – und die Postfinance, die als die grösste Akteurin in diesem Markt gilt. Postfinance, die keine Kredite vergeben darf, bewirtschaftet so ihren hohen Liquiditätsbestand und bietet entsprechend für die Gemeinden attraktive Konditionen.
Bekanntlich hat die Bank im Besitz des Bundes im ersten Halbjahr einen Abschreiber von 25 Millionen Franken vorgenommen, mutmasslich (sehr plausibel, aber nicht offiziell bestätigt) auf einem Schuldscheindarlehen an das GZO.
In der Nähe des Kreditverbots?
In den Medien wurde bisher v.a. der Aspekt beleuchtet, ob sie mit solchen Darlehen de facto das von der Politik auferlegte Kreditverbot verletzt. In einem im November erschienenen Artikel in der NZZ kommt Professor Christoph Lengwiler (Hochschule Luzern, HSLU), ein profunder Kenner der Schweizer Gemeindefinanzierungslandschaft, zu keinem eindeutigen Urteil.
Er hält zwar die Frage, ob es sich bei einem solchen Schuldscheindarlehen nicht um eine Kreditgewährung handelt, für legitim, relativiert aber gleich mit dem Hinweis, dass die Postfinance ihre überschüssige Liquidität in festverzinsliche Anlagen investieren müsse.
Wird Postfinance zurückhaltender?
Ein wichtiger Aspekt wurde indes bisher in den Medien kaum behandelt: Was wäre, wenn die Postfinance, um weitere Verluste und damit verbundene politische Diskussionen im Zusammenhang mit dem Kreditverbot zu vermeiden, beim Geschäft mit Gemeinden und anderen Schuldnern künftig mehr Vorsicht walten liesse und die Kriterien für die Anlage ihrer Mittel verschärfen würde?
Wenn der bisherige Platzhirsch im Markt zurückhaltender agieren würde, könnte dies bedeuten, dass sich für die Schuldner die Finanzierung verteuert. Das würde die Gemeinden belasten – allerdings ist auch der heutige Zustand, in dem eine Bank im Bundesbesitz für die Finanzierung der Gemeinden so zentral ist, aus föderalistischer Sicht alles andere als ideal.
Was den Collateral Damage begrenzen könnte
Sollte sich ein solches Szenario bewahrheiten, würden indes wahrscheinlich bereits aktive und vielleicht sogar neue Anbieter in die Bresche springen, was den Collateral Damage für die öffentliche Hand zumindest begrenzen sollte.
Ob der Fall GZO tatsächlich eine Zäsur für die Schweizer Gemeindefinanzierungslandschaft bildet, wird sich erst in den kommenden Monaten und mitunter vielleicht sogar Jahren zeigen. Denn solche strukturellen Veränderungen brauchen oft Zeit, bis sie von aussen sichtbar werden.
Der Fall Leukerbad erschütterte Ende der 1990er-Jahre das idyllische Bild, das damals auch die Geldgeber von Schweizer Gemeinden hatten. (Bild Shutterstock)
Ein Strukturbruch wie seinerzeit Leukerbad?
Manchmal werden sie auch von anderen Entwicklungen verdeckt – derzeit z.B. sorgt der nach unten weisende allgemeine Zinstrend dafür, dass Finanzierungen generell günstiger werden. Und die Erfahrung zeigt, dass sich selbst die Richtung des Effekts eines Strukturbruchs kaum prognostizieren lässt.
1998 wurde Leukerbad zahlungsunfähig und vom Kanton Wallis unter Beiratschaft gestellt; dies erschütterte die Gewissheit, dass Gemeinden sichere Schuldner sind und führte zum Aus für die Emissionszentrale der Schweizer Gemeinden, einem Vehikel zur gemeinsamen Mittelbeschaffung.
Wer hätte damals darauf gewettet, dass sich Schweizer Gemeinden in der Folge über ein Vierteljahrhundert lang problemlos zu günstigen bis sehr günstigen Konditionen direkt Mittel am Markt beschaffen könnten?
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