Die Finma führt das Zinsrisiko in ihrem aktuellen Risikomonitor nicht mehr als Hauptrisiko auf. Dafür bereiten der Behörde die Risiken, welche die ausländischen Sanktionen gegen Russland für den Schweizer Finanzplatz bergen, Kopfzerbrechen.
Auch dieses Jahr legt die Finanzmarktaufsicht Finma einen Risikomonitor vor. Sie identifiziert darin neun für die Finanzbranche wichtige Hauptrisiken – und zieht daraus Schlüsse für ihre Aufsichtstätigkeit. Zudem schafft sie mit der Publikation vom Montag Transparenz für die beaufsichtigten Institute und die Öffentlichkeit.
Bemerkenswert ist, dass der «Evergreen» Zinsrisiko aus dem Katalog der Hauptrisiken verschwunden ist. Grund dafür ist die nachlassende Inflation und das tiefere Zinsniveau. Damit habe die Wahrscheinlichkeit von Zinsschocks abgenommen, argumentiert die Finma.
Die Finma unterscheidet zwischen finanziellen und nichtfinanziellen Risiken. Vier der Risiken sind finanzieller Natur, die Finma taxiert dabei das Risikoausmass jeweils als gegenüber Vorjahr unverändert.
- Kreditrisiken bei Immobilien und Hypotheken: Zwar habe sich die Dynamik im Schweizer Immobilienmarkt verlangsamt, doch bleibe die Überhitzungsgefahr gross, führt die Finma aus. Einige Banken würden nach wie vor Hypothekarkredite auf Basis nicht nachhaltiger Kriterien oder von Ausnahmeregelungen (Exceptions-to-policy) vergeben, kritisiert die Finma und weist auch auf Bewertungsrisiken insbesondere bei Geschäftsliegenschaften hin. Aufsichtsfokus: Die Finma wird bei Bedarf Kapitalzuschläge einfordern oder eine regelbasierte Regulierung in Betracht ziehen.
- Weitere Kreditrisiken: Fallende Unternehmensgewinne und Marktbewertungen könnten zu Verlusten bei Lombard- und Unternehmenskrediten führen. Aufsichtsfokus: Die Finma überwacht die Leveraged-Finance-Positionen der UBS auch nach der Übernahme der Credit Suisse (CS) intensiv. Sie führt Aufsichtsgespräche und Vor-Ort-Kontrollen zum Firmenkreditgeschäft in der Schweiz durch und überwacht das Lombardkreditgeschäft.
- Credit-Spread-Risiken: Höhere Risikoprämien für Staaten oder Unternehmen könnten zu signifikanten Verlusten in den Portfolios der Finanzinstitute führen. Aufsichtsfokus: Die Finma führt regelmässig Analysen bei grösseren Instituten durch, um das Verlustpotenzial abzuschätzen.
- Liquiditäts- und Refinanzierungsrisiken: Ein Vertrauensverlust der Investoren könnte zu einem raschen Mittelabfluss führen und eine Negativspirale auslösen, wodurch sich die Liquiditätslage der Bank weiter verschlechtern und das ganze Finanzsystem destabilisieren kann (quasi das CS-Szenario Frühling 2023). Aufsichtsfokus: Die Finma führt sowohl reguläre als auch situationsbedingte Analysen durch und legt ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der besonderen Bestimmungen für systemrelevante Banken.
Die Finma legt mehr Gewicht als früher auf die nichtfinanziellen Risiken. «Insbesondere bei nichtfinanziellen Risiken beobachten wir in den letzten Jahren einen Anstieg. Letztes Jahr haben wir Outsourcing-Risiken neu aufgelistet, und dieses Jahr sind Sanktionsrisiken für Finanzinstitute neu als eigenständiges Hauptrisiko im Risikomonitor 2024 aufgeführt», kommentiert Direktor Stefan Walter.
Nichtfinanzielle Risiken im Fokus
Die Finma listet fünf nichtfinanzielle Risiken auf, bis auf das erhöhte Sanktionsrisiko alle mit zum Vorjahr unverändertem Ausmass.
- Marktzugang: Einschränkungen in wichtigen Märkten, insbesondere in der EU, könnten die Profitabilität der Institute beeinträchtigen. Die Entwicklungen in diesem Bereich seien nach wie vor von Rechtsunsicherheit geprägt. Aufsichtsfokus: Die Finma unterstützt die Schweizer Behörden in ihren Bemühungen um die Anerkennung der Äquivalenz.
- Geldwäscherei: Verstösse gegen Sorgfalts- und Meldepflichten könnten neben rechtlichen Konsequenzen erhebliche Reputationsschäden mit sich bringen. Die Finma erwähnt namentlich Kunden aus Hochrisikoländer und den Kryptobereich. Aufsichtsfokus: Vor-Ort-Kontrollen, wobei der Schwerpunkt auf der Risikotoleranz und dem Risikomanagement bei Instituten mit politisch exponierte Kunden oder Kunden mit Verbindungen zu staatlichen oder staatsnahen Unternehmen in risikoreichen Geschäftsfeldern liegt.
- Sanktionen: Die Rechts- und Reputationsrisiken für Finanzintermediäre, die mit von ausländischen Handelssanktionen betroffenen Kunden zu tun haben, hätten erheblich zugenommen, insbesondere durch die Sanktionen gegen Russland. Diese Risiken liessen sich nur sehr schwer begrenzen, aber eine Realisierung könnte gravierende Konsequenzen für ein Institut und den ganzen Finanzplatz haben. Aufsichtsfokus: Im Zusammenhang mit den Russland-Sanktionen hat die Finma ihren Datenzugriff ausgebaut und führt bei Instituten mit hohem Exposure Vor-Ort-Prüfungen und Abklärungen zum Sanktionsmanagement durch. Walter: «Finanzinstitute müssen sicherstellen, dass sie die definierte Risikotoleranz im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit einhalten, um Reputationsrisiken sowie rechtliche Konsequenzen zu vermeiden und den guten Ruf des Schweizer Finanzplatzes zu gewährleisten.»
- Outsourcing: Ausfälle oder Störungen bei Drittanbietern, insbesondere bei Cloud-Diensten, könnten die Stabilität des Schweizer Finanzmarktes stark beeinträchtigen. Aufsichtsfokus: Die Finma führt gezielte Kontrollen und Vor-Ort-Prüfungen sowohl bei den Beaufsichtigten als auch bei den entsprechenden Dienstleistern durch und wertet Aufsichts- und Audit-Daten aus.
- Cyberrisiken: Der Schweizer Finanzsektor werde weiterhin ein regelmässiges Ziel von Cyberattacken sein. Aufsichtsfokus: Die Finma wird einen Schwerpunkt auf die datengestützte Aufsicht legen und ihre Beurteilung des Reifegrads der Cyber-Schutzmassnahmen durch geeignete Instrumente wie szenariobasierte Cyber-Übungen verbessern.