Der Durchbruch von Krypto-Angeboten im Massenmarkt hat in der Schweiz begonnen. Nun mischen hier selbst Kantonalbanken mit – und Spezialisten müssen zusehen, wo sie mit ihren Geschäftsmodellen bleiben.
Die vergangenen zwei Jahre nehmen sich in der Krypto-Finanzwelt wie zwei Jahrzehnte aus – genug Zeit jedenfalls, um Gewissheiten auf den Kopf zu stellen.
So war Sam Bankman-Fried Anfang 2022 noch ein gefeierter Guru der Szene und mit seiner Firma FTX Lenker der zweitgrössten Börse für digitale Anlagen weltweit. Im vergangenen November ist «SBF» wegen Milliardenbetrugs verurteilt worden. Ihm drohen jetzt mehr als 100 Jahre Gefängnis in den USA.
Opportunitätskosten zu hoch
Ebenfalls herrschte vor zwei Jahren an den Märkten für Token und Coins tiefer «Kryptowinter» – doch 2023 gewann der Bitcoin zum Dollar 160 Prozent an Wert. Weiter: Schmähten Wallstreet-Akteure die älteste Digitalwährung 2022 noch als spekulativ, standen sie vergangene Woche Schlange, als die US-Börsenaufsicht SEC erstmals elf Bitcoin-Indexfonds zum Handel zuliess.
Und nun das: Die Schweizer Krypto-Pionierin Bitcoin Suisse wirft die Vorarbeit der vergangenen zwei Jahre über den Haufen, indem sie sich kurzum entschieden hat, vorläufig kein Gesuch für eine Schweizer Bankenlizenz einzureichen. Wie finews.ch berichtete, waren der Brokerin, die weiterhin das meiste Geld mit dem Handel und dem «Staking» von digitalen Anlagen verdient, die Opportunitätskosten zu hoch.
«Mittlerweile führen auch Kantonalbanken solche Angebote»
Während der Lizenzierungsfrist hätte sie nämlich nur begrenzt am sich abzeichneten «Bullenmarkt» für Token und Coins teilnehmen können. Nach zwei entbehrungsreichen Jahren wollte sich Bitcoin Suisse diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.
Es ist dies aber nicht die einzige Abwägung, die beim Entscheid dem Ausschlag gegen die Schweizer Lizenz gab. So spielte auch die aktuelle Marktlage eine Rolle: Die Führung des Fintechs stellte fest, dass Krypto-Banking inzwischen vermehrt von traditionellen Akteuren angeboten wird. «Mittlerweile führen auch Kantonalbanken solche Angebote. Der Schweizer Markt für Bankdienstleistungen rund um Krypto ist damit enger geworden», sagte Dirk Klee zu finews.ch, der scheidende CEO von Bitcoin Suisse.
Kurz vor der Ziellinie
Tatsächlich hat hierzulande der Durchbruch in den Massenmarkt im vergangenen Herbst begonnen. Immer mehr angestammte Banken bringen dank der Hilfe von regulierten Spezialisten wie Sygnum, Amina (früher Seba) oder der Deutsche-Börse-Tochter Crypto Finance Krypto-Dienstleistungen an den Start. Als überraschende Avantgarde erwiesen sich dabei die Zuger und St. Galler Kantonalbanken; sie dürften mit ihren Angeboten wohl nicht lange alleine bleiben.
Laut Kennern der Szene stehen nicht weniger als zehn Schweizer Institute hierbei kurz vor der Ziellinie, darunter auch die grössten Akteure des Landes.
Von der UBS wurde jüngst in einem mehr internationalen Kontext kolportiert, dass sie ihren reichen Kunden unter bestimmten Voraussetzungen den Handel der neu zugelassen Indexfonds (Bitcoin-Spot-ETF) ermöglicht.
Doch nicht so dringlich?
Spannend wird in diesem Kontext zu sehen sein, wie sich die hiesigen Kryptobanken Sygnum und Amina, die derzeit als Zulieferer der traditionellen Banken alle Hände voll zu tun haben, positionieren. Auch sie wären wohl von einer Verengung des Marktes für Krypto-Bankdienstleistungen betroffen. Für alle anderen Akteure, die bisher nach einer Schweizer Bankenlizenz strebten, gibt es regulatorische Veränderungen zu beachten.
So hat die Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) unlängst mehr Rechtssicherheit für das Staking durch Nichtbanken geschaffen. Hingegen könnten geplante Eigenmittelanforderungen das Kryptogeschäft von Banken künftig einschränken. Beides lässt eine Bankenlizent für Krypto-Akteure nicht so dringlich erscheinen.
Pläne um bestehende Lizenz
Im nahen Ausland sind die Behörden derweil bestrebt, das Krypto-Business vom Bankwesen fernzuhalten. In der EU und in Grossbritannien etwa beabsichtigt die Aufsicht, spezielle Kryptolizenzen zu vergeben, anstatt das Thema unter der Bankenregulierung abzuhandeln.
Die Schweiz, die sich in vergangenen Jahren sehr Krypto-freundlich gezeigt hat, könnte künftig in eine ähnliche Richtung gehen. So gibt es dem Vernehmen nach Überlegungen, die bestehende Fintech-Lizenz der Finma auf Blockchain-Geschäftsmodelle anzuwenden.