Die Kurse von digitalen Token und Coins klettern wieder. Doch etwas ist diesmal anders: Wenn die nächste Hausse kommt, wird Krypto in der Schweiz allgegenwärtig sein. Denn hinter den Kulissen haben Banken und spezialisierte Zulieferer emsig an einem Basisangebot gearbeitet, wie Recherchen zeigen.
«Seit heute können Kundinnen und Kunden in Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum, Ripple, Litecoin, Polygon und Uniswap investieren.» Diese Ansage kommt nicht etwa von einem der zahlreichen Fintechs im Schweizer «Crypto Valley», und auch nicht von einer Privatbank, die ein schwerreiche Klientel bedient.
Sondern von einem in der Schweizer Region verwurzelten Retailinistitut, der Zuger Kantonalbank (Zuger KB): Seit Anfang vergangenen Oktober bietet die Staatsbank Anlage, Handel und Verwahrung von Kryptoanlagen an.
Zehn an der Ziellinie
Die Zuger sind damit nicht lange alleine geblieben. Bereits Anfang November legte mit der St. Galler Kantonalbank (SGKB) ein Schwesterinstitut nach; auch die örtlichen Privatkunden können beim Institut nun die Verwahrung von digitalen Vermögenswerten und Brokerage-Dienstleistungen in Anspruch nehmen.
Glaubt man Branchenboachtern, werden in den kommenden Wochen und Monaten noch zahlreiche weitere Schweizer Banken mit Basisdienstleistungen rund um digitale Token und Coins an den Markt gelangen. Ein guter Kenner der Krypto-Szene spricht von mindestens zehn hiesigen Instituten, die hierbei kurz vor der Ziellinie stünden, darunter auch die grössten Akteure des Landes.
Unaktivität – und Aktivität
Damit bewahrheitet sich, was sich bereits im vergangenen Sommer abzeichnete: Während die Volumen im Handel mit digitalen Anlagen schwächelten und im vergangenen August und September noch unter die Tiefstwerte des Vorjahres fielen, liefen hinter den Kulissen emsige Bemühungen, Krypto-Investmensts als vollwertige Anlageklasse und auf industrieller Basis zu vertreiben.
Nun treten diese Projekte eines ums andere ans Tageslicht – vermutlich mit erhöhtem Tempo, wenn die Kurs der wichtigsten Kryptowährungen weiter anziehen. So hat der Bitcoin gegenüber dem Dollar seit Anfang Jahr um gut 120 Prozent an Wert gewonnen. Ether ist in Dollar knapp zwei Drittel mehr wert.
«2023 hat sich kundenseitig als Jahr der Inaktivität erwiesen», kommentiert Dirk Klee die Entwicklung. Laut dem CEO von Bitcoin Suisse, dem grössten und ältesten Krypto-Broker der Schweiz, ist aber bei den Anbietern die Aktivität aber unverändert hoch gewesen. Es sei das ganze Jahr über in Infrastruktur und Plattformen investiert worden. «Diese neuen Strukturen liegen nun bereit, sobald die Nachfrage nach digitalen Anlagen wieder anzieht», sagt der Manager zu finews.ch.
Rückkehr der Krypto-Millionäre
Tatsächlich haben die Bewertungen von Token und Coins seit dem Oktober deutlich zugelegt. Bereits können sich manche Halter von Krypto-Assets wieder Millionäre nennen. Das spürt etwa die stark im Trading und Staking von digitalen Anlagen aufgestellte Bitcoin Suisse ganz direkt. Laut Klee hat sich das Geschäft seither sehr gut entwickelt, und der Broker konnte über 1 Milliarde Franken aus kombinierten Mittelzuflüssen und Kapitalzuwachs verbuchen.
Während Bitcoin Suisse noch auf Lizenzen für das Banking und das Asset Management in der Schweiz hinarbeitet, schlägt nun die Stunde jener Akteure aus der hiesigen Krypto-Szene, die den Regulierungsprozess bereits durchlaufen haben. Dies sind vorab die beiden Kryptobanken Sygnum und Seba sowie Crypto Finance, die Schweizer Fintech-Tochter der Deutschen Börse.
Schweiz bleibt Vorreiterin
So ist es Sygnum, welche die Infrastruktur für das Angebot der Zuger KB liefert. Die SGKB greift derweil auf die Dienste von Seba Bank zurück. Crypto Finance wiederum steht in der Schweiz bereits mit mehr als 20 Banken und rund 40 Asset Managern in Geschäftsbeziehungen, darunter auch multinationale Banken, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage.
Weitere institutionelle Marktteilnehmer arbeiten gegenwärtig aktiv an ihren Angeboten, Produkten und Dienstleistungen im Krypto-Bereich, weiss sie weiter zu berichten. «Die Crypto Finance Gruppe führt auch Gespräche mit diesen weiteren Banken und grossen Finanzinstituten.» Die Schweiz bleibe hierbei weiterhin Vorreiterin.
Vorbereitungen für den Aufschwung
Alle Hände voll zu Tun haben auch die Krypto-Spezialisten bei Sygnum. Wie es dort heisst, bedient die Kryptobank derzeit mehr als 15 Schweizer Banken und internationale Finanzinstitute auf ihrer Firmenkunden-Plattform. Neben der Zuger KB bestehen etwa auch Geschäftsbeziehungen zur Post-Tochter Postfinance und zur Luzerner Kantonalbank. «Wir haben weiterhin eine starke, wachsende Firmenkunden-Pipeline mit vielen Partnern, die sich aktiv darauf vorbereiten, die Kundennachfrage vor dem nächsten Marktaufschwung zu erfüllen», sagt ein Sygnum-Sprecher.
Auch diese Kryptobank bestätigt, dass inzwischen bei vielen Banken in der Schweiz und im Ausland eine ähnliche Strategie für den Markteintritt in den Markt für digitale Vermögenswerte: Sie wollen ihr Angebot zukunftssicher machen, Mittelabflüsse von bestehenden Kunden vermeiden, und ihre Erträge durch die Expansion in neue Märkte steigern.
Vermögende Kunden wollen mehr als spekulieren
Seba Bank, die Zuliefererin der SGKB, ist nach eigenen Angaben ebenfalls mit Banken im Gespräch. «Wir bauen unser Netzwerk aus, und das Interesse an Kryptowährungen wächst», stellt man beim Zuger Institut fest. Zu den bestehenden Kunden von Seba Bank zählen neben den St.Gallern praktisch seit der Gründung die Zürcher Privatbank Julius Bär, sowie die Liechtensteiner Fürstenbank LGT.
Dass Krypto zu Retailkunden kommt, ist auch bei Bitcoin Suisse gern gesehen. Die, obschon das Zuger Fintech vor allem wohlhabende Kunden, Vermögensverwalter und Family Offices ansprechen will.
Das Basisangebot werde insgesamt helfen, digitale Anlagen als gleichberechtigte Anlageklasse zu etablieren und den Markt zu verbreitern, erwartet dort CEO Klee. Bei den vermögenden Kunden stellt er fest, dass diese nicht mehr bloss mit Krypto-Assets spekulieren, sondern auch diesen Teil des Vermögens professionellen Beratern anvertrauen.
Verkauf von Bitcoin Suisse steht nicht zur Debatte
Mit dem sich abzeichnenden Durchbruch in die Breite des Marktes sowie den zurückkehrenden Handelsvolumen zeichnet sich für die Szene ab, dass der gegenwärtige «Krypto Winter» bald einem Tauwetter weichen konnte. Für stark gegenüber den Kryptomärkten exponierten Anbieter wie Bitcoin Suisse, die zuletzt auch Stellen abbauen musste, wäre eine Wende hoch willkommen.
«Wir sind in Gesprächen, um die solide Kapitalbasis von Bitcoin Suisse für weiteres Wachstum zu stärken», blickt dort der Chef nach vorne. Dabei ist man in Zug durchaus zuversichtlich: Ein Verkauf der Firma, wie er zwischenzeitlich kolportiert wurde, steht laut Klee gegenwärtig nicht zur Debatte.