Der Finanzplatz London droht seinen Rang als wichtigstes Finanzzentrum Europas zu verlieren. Die Schweiz ist ebenfalls unter Druck – aber aus anderen Gründen.
In der Londoner City gibt es viele Befürchtungen, dass andere Finanzzentren aufholen. Nun scheint ihre eigene Rangliste diese Befürchtungen zu bestätigen.
Laut den Benchmarking-Daten der City of London Corporation liegen London und New York nun gleichauf an der Spitze der weltweiten Finanzzentren. Dies ist das erste Jahr, in dem die britische Hauptstadt nicht eindeutig führend war.
Mehr Attraktivität in Paris und London
In der Studie wird die Wettbewerbsfähigkeit von Finanzzentren anhand von 95 Kriterien bewertet. Demnach konnten andere Finanzplätze wie Frankfurt und Paris ihre Attraktivität schneller steigern als London.
In der Untersuchung erhielt London eine Gesamtbewertung der Wettbewerbsfähigkeit von 60 Punkten, gegenüber 59 Punkten im Vorjahr. Dagegen konnte New York aufgrund eines hohen Wachstums bei Tech-Investitionen und der Emission nachhaltiger Finanzprodukte seine Bewertung um zwei Punkte verbessern und mit London gleichziehen.
Singapur belegte mit 51 Punkten den dritten Platz, während Frankfurt 46, Paris 43 und Tokio 35 Punkte erhielten.
Nachwehen des Brexit
Die Corporation, die die «Square Mile», das Gebiet des Londoner Finanzdistrikts verwaltet, veröffentlicht seit drei Jahren eine Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit der wichtigsten Finanzzentren.
Für Führungskräfte aus dem Finanzdienstleistungssektor kommen die Ergebnisse nicht überraschend, wie die «Financial Times» schreibt (Artikel kostenpflichtig). Sie hatten davor gewarnt, dass einige Unternehmen nach dem Brexit ihre Aktivitäten in die EU verlagern würden und London deshalb seinen Platz als Spitzenfinanzzentrum verlieren könnte.
Abhängig von Ausländern
Die Umfrage ergab, dass London bei Faktoren wie Innovation, Reichweite der Finanzaktivitäten, Widerstandsfähigkeit und Unternehmensinfrastruktur, sowie Regulierung weiterhin gut abschneidet. Trotz der Änderungen der Börsenzulassungsvorschriften entschieden sich hingegen weniger internationale Unternehmen für eine Börsennotierung in London.
Wichtig bleibt gemäss den Autoren, dass das Vereinigte Königreich weiterhin genügend ausländische Talente anzieht. Ausländische Mitarbeiter stellen rund 40 Prozent der Beschäftigten in der City.
Dem Bericht zufolge erwirtschaftete der britische Sektor der Finanz- und Unternehmensdienstleistungen im Jahr 2022 mit von 64 Milliarden Pfund den grössten Handelsüberschuss aller Länder.
Weitreichende Sorgen in der Schweiz
Derweil hat der Schweizer Finanzplatz ebenfalls weitreichende Sorgen, die allerdings anders gelagert sind. Die Notrettung der Credit Suisse durch die UBS könnte die Finanzlandschaft deutlich verändern. So könnte der Schock den Aufstieg anderer konkurrenzierender Finanzzentren wie Singapur weiter beschleunigen.
Der Schweizer Finanzplatz musste sich schon mit der Abschaffung des Bankgeheimnisses neu ausrichten. Derzeit wird die Neutralität der Schweiz durch den Krieg in der Ukraine auf eine Probe gestellt, unken verschiedene Kommentatoren.
Koloss entsteht in der Schweiz
Mit der kombinierten UBS entsteht jetzt ausserdem ein Koloss, der etwa doppelt so gross ist wie die jährliche Schweizer Wirtschaftsleistung. Diese Grösse könnte sich als Klumpenrisiko erweisen, falls die UBS einmal in Schieflage gerät.