Die Welt des Geldadels ist in Aufruhr. Seit in Europa Krieg herrscht, werden längst vergessen geglaubte Ängste und Befürchtungen wieder wach. So auch unter vermögenden Menschen, die sich plötzlich mit der Frage herumschlagen, wo ihr Geld noch sicher ist. Die Schweizer Banken sind gefordert.
Wie finews.ch vergangene Woche berichtete, hinterfragt vor allem die lateinamerikanische Offshore-Klientel den hiesigen Finanzplatz kritisch, seit sich die neutrale Schweiz den EU-Sanktionen angeschlossen hat. Doch umgekehrt gibt es auch Kundinnen und Kunden, die gerade jetzt auf die Schweiz aufmerksam werden.
«Die Genfer Privatbank Pictet stellt derzeit tendenziell mehr Neukunden aus Osteuropa und dem Baltikum fest», heisst es aus deren Umfeld. Auch eine weitere grosse Genfer Privatbank, die aber nicht namentlich erwähnt werden möchte, bestätigt, «wir sehen tendenziell mehr Anfragen – selbst aus Deutschland.»
Vehemenz des Kriegs
Es entbehrt nicht einer gewissen Brisanz, dass selbst Deutsche nun wieder die Schweiz als Hort der Sicherheit in Erwägung ziehen. In Zürich bestätigen diverse Finanzinstitute diese Entwicklung, die man bei Julius Bär mit der Feststellung quittiert: «Grundsätzlich wird bei jeder Krise die «Safe-Haven-Eigenschaft» der Schweiz wieder verstärkt gesucht; neue Kundinnen und Kunden kommen, die dann auch bleiben.»
Tatsächlich hat die Vehemenz des Kriegs in der Ukraine vor allem in den angrenzenden Staaten zu einer enormen Verunsicherung geführt; der Konflikt könnte sich im schlimmsten Fall durchaus in einen noch schwierigeren Konflikt zwischen Russland und dem Atlantischen Bündnis, also der Nato, auswachsen.
Neue Heimat gesucht
In diesem Kontext wären dann Länder wie Polen, Ungarn, die Slowakei, Rumänien sowie aufgrund der historischen Gegebenheiten die baltischen Staaten besonders exponiert. Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, wenn wohlhabende Leute aus diesen Ländern eine neue Heimat für ihr Vermögen suchen – und bei Schweizer Banken anklopfen.
Damit wird der hiesige Finanzplatz seiner historischen Rolle schlagartig wieder gerecht, indem er im Herzen Europas für Sicherheit, Stabilität und Kompetenz in Bankangelegenheiten bürgt.
Kontroversen wiegen weitaus weniger
Offenbar wiegen Kontroversen wie jüngst die Enthüllungen rund um die «Suisse Secrets», wonach die Schweizer Grossbank Credit Suisse (CS) über Jahrzehnte hinweg mit zweifelhaften Kundinnen und Kunden Geschäfte gemacht haben soll, im Ausland doch weit weniger schwer, als es uns gewisse Medien glauben machen wollen. Ansonsten würden osteuropäische sowie baltische Kundinnen und Kunden nun nicht die Werte und Tugenden des Swiss Banking so intensiv nachsuchen.
Noch handelt es sich dabei um eine proportional kleine Klientel, die bislang im Schatten der Oligarchen aus Russland, Kasachstan oder Usbekistan stand. Die bei Schweizer Banken gelagerten Kundeneinlagen aus Polen beispielsweise – auch in örtlichen Bankfilialen und im Auslad – haben sich gemäss Angaben der Schweizerischen Nationalbank (SNB) bereits zwischen 2019 und 2020 von rund 943 Millionen auf knapp 2 Milliarden Franken erhöht – Tendenz weiter steigend. Auch Lettland ist ein kleiner Markt – mit jedoch hohen Wachstumsraten; zwischen 2019 und 2020 haben sich die Kundeneinlagen auf knapp 420 Millionen Franken verdoppelt.
Sache der Politik
Mit den jüngsten Verwerfungen im Ukraine-Konflikt rückt Europa – und dazu gehört de facto eben auch die Schweiz – näher zusammen, so dass das Bankwesen durch die Sanktionen nun besonders gefordert ist. «Die Banken in der Schweiz setzen die nationalen und internationalen Sanktionsmassnahmen konsequent um», betonte denn auch Marcel Rohner, Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung, vergangene Woche vor den Medien.
Die Frage der Neutralität sei Sache der Politik, erklärte er weiter. Ob man sich den Sanktionen anschliesse, zeige aber auch, welche Werte man vertrete. «Wenn die Neutralität über die Attraktivität der Schweizer Banken entscheiden sollte, müssten sich auch die Kunden fragen, warum das so ist», betonte der Präsident des Dachverbands der Schweizer Banken.
Jahrhundertchance für den Finanzplatz
Vor diesem Hintergrund bietet sich für den Schweizer Finanzplatz eine Jahrhundertchance. Dabei steht nicht mehr primär das Bankgeheimnis im Vordergrund, selbst wenn der Schutz der finanziellen Privatsphäre nach wie vor zentrale Bedeutung hat, sondern es sind neue Prioritäten, die sich an die (jüngere) Klientel von morgen ganz generell richten.
Neben der Weiterentwicklung von Compliance-Massnahmen und der Geldwäscherei-Prävention steht mit Blick in die Zukunft vor allem der Schutz vor Cyber-Risiken im Vordergrund. Und weil gerade der Krieg in der Ukraine auch ein heftig ausgefochtener Cyber-Krieg ist, wird die hiesige Datensicherheit für die künftige Reputation des Finanzplatzes entscheidend sein. Die Schweizer Fintech-Szene könnte dabei einen wichtigen Beitrag leisten.
Globaler Anspruch
Gleichzeitig dürften mit den Erfahrungen aus der Corona-Pandemie und den tragischen Geschehnissen in der Ukraine die Erwartungen vieler Kundinnen und Kunden an nachhaltige Anlagen massiv zunehmen. Unter diesen Prämissen kommt der Anspruch der Schweiz, ein weltweit führendes Zentrum für «Sustainable Finance» zu werden, zu einem günstigen Zeitpunkt.
Die Schweiz musste sich seit der russischen Invasion in der Ukraine wiederholt den Vorwurf gefallen lassen, zunächst allzu zögerlich gehandelt zu haben und mit der Übernahme der Sanktionen ihre Neutralität geopfert zu haben. Doch diese Feststellungen greifen zu kurz – zumal zahlreiche Schweizer Banken bereits bei der Verhängung der Sanktionen durch die EU intern bestimmte Konten gesperrt haben, wie in der Zürcher Finanzbranche zu hören ist.
Allerdings ist dies auch ein Balanceakt. Egal, ob ihnen ein sanktionierter Kunde entgeht, oder sie allzu übereilt einen letztlich unbescholtenen Russen sanktionieren, in beiden Fällen steht ihre Reputation auf dem Spiel.
Nicht so leicht zu kopieren
Allerdings ist den Schweizer Banken eine wichtige Eigenschaft nicht abhandengekommen: ihre Krisenresistenz respektive ihre Fähigkeit, sich den jeweiligen Gegebenheiten immer wieder anzupassen.
So hat sich die Dienstleistung «Swiss Banking», die jetzt umso mehr wieder nachgefragt wird, als ein Wert erhalten, der nicht so leicht zu kopieren ist, da er profanerweise zu einem wesentlichen Teil auf gesundem Menschenverstand beruht. Genauso wie die Reputation nicht einfach erkauft kann, sondern verdient werden muss.