Indem sich selbst Medien wie die NZZ von der Staatshilfe abhängig machen, berauben sie sich der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit, als unabhängiges Kontrollorgan zu agieren. finews.ch teilt die Einschätzung von Moneycab-Chef Helmuth Fuchs.
Von Helmuth Fuchs, Unternehmer und Inhaber des Newsportals Moneycab.com
Als der Bundesrat die unbürokratischen Sofortmassnahmen zur Stützung der Wirtschaft, vor allem der KMU, beschloss, konnte man gerade wieder einmal ein wenig stolz sein auf das funktionierende Staatswesen der Schweiz. Zusammenstehen, unaufgeregt in einer Krise einen kreativen Ansatz finden.
Womit wohl kaum jemand gerechnet hatte: Wer sich vordrängeln und schnell der Gelder bedienen würde – die grossen Schweizer Medien. TX Group (besser als Tamedia bekannt), SRF (unser aller Gebührensender) und die NZZ («Qualitätsjournalismus»).
Eigentlich prädestiniert für Homeoffice
Die hehre Intention des Bundesrates, das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft (KMU und Einzelunternehmer) zu stützen, sowie Künstler in der Krise nicht alleine zu lassen, wurde ziemlich schnell unterlaufen durch Grossunternehmen und Börsenkotierte, die offensichtlich ein völlig anderes Krisenverständnis haben. Wir sprechen zudem von einer Branche, die keinerlei staatliche Restriktionen oder Verbote auferlegt bekam, sondern im Gegenteil ein explodierendes Nachrichtenaufkommen mit Einordnungsbedarf, rekordhohen Klickraten und steigenden Abonnementszahlen verzeichnet.
Zudem sind journalistische Tätigkeiten geradezu prädestiniert für Homeoffice unter Einsatz der digitalen Hilfsmittel, wie Videokonferenzen. Der einzige Bereich mit Negativtrend ist das Werbeaufkommen in den Printprodukten. Das ist aber nicht neu, sondern einfach eine Verschärfung der jahrelangen Tendenz nach unten.
Gewinnausschüttung bei gleichzeitigem Griff in die Versicherungskasse
Als die TX Group als eines der ersten Unternehmen in die Unterstützungstöpfe griff, konnte man im blassen Erstaunen wenigstens noch fast so etwas wie Bewunderung aufbringen dafür, wie schnell sie reagierte. Vom erfolgreichen digitalen Medienhaus mit einem Gewinn von 130 Millionen Franken (2018), einem Eigenkapital von 2,1 Milliarden Franken über Nacht zum Armenhaus der Branche? Nein, da die TX Group auch im laufenden Jahr 37 Millionen Franken an die Aktionäre (vor allem die Besitzerfamilie Coninx) ausschütten will, die 3’700 Mitarbeitenden auf Kurzarbeit setzt, bei gleichzeitigem Griff in die Versicherungskasse der Arbeitslosenversicherung.
Die Dreistigkeit der TX Group veranlasste prominente Medienschaffende, eine Unterschriftensammlung zu lancieren, um Pietro Supino (VR-Präsident TX Group, Präsident des Verlegerverbandes) zum Umdenken zu bewegen. Unterstützt wurde die Aktion zum Beispiel von Hansi Voigt (20Minuten, Watson, Bajour)
Als «Nebenprodukt» des Paradebeispiels von «Privatisierung der Gewinne, Sozialisierung der Verluste» hat gemäss Recherche der Wochenzeitung «WOZ» der Bundesrat ein von Simonetta Sommaruga angedachtes Rettungspaket im Umfang von 78 Millionen Franken für die Medienbranche vorerst gestoppt. Wobei auch in diesem Paket einmal mehr die unabhängigen Onlineportale leer ausgegangen und die grossen Printanbieter mit weiteren Ermässigungen unterstützt worden wären.
2,5 Prozent Rückgang bei den Einnahmen führen bei der SRG zu Kurzarbeit?
Die SRG, welche sich in der Krise nebst tollen Informationssendungen (Rundschau, Eco, DOK) zunehmend durch stundenlange Sondersendungen mit homöopathischem journalistischem Wert und einem sturen Festhalten an aussagelosen Diagrammen mit kumulierten, nicht bereinigten Zahlen auszeichnete, sorgte dann für den nächsten erstaunlichen Griff zu den Unterstützungsgeldern. Zudem verfällt die SRG zunehmend in eine selbstdefinierte «staatstragende» Rolle und ein «Zusammenstehen-Mantra», anstatt die Behörden kritisch zu begleiten.
Mit der Entschuldigung der schwindenden Werbegelder (wobei Fernsehwerbung eher weniger spontan als Printwerbung geschaltet wird, rein schon wegen des Produktionsaufwandes und den damit verbundenen Kosten) hat die SRG für rund 600 Mitarbeitende Kurzarbeit beantragt. Die SRG wird zum grössten Teil über Gebühren finanziert (1,2 von 1,6 Milliarden, 400 Millionen Franken sind also Werbeeinnahmen). Die SRG geht nach eigenen Aussagen von Einbussen im zweistelligen Millionenbereich aus. Gehen wir von 40 Prozent weniger Werbeeinnahmen für drei Monate aus, sind das 40 Millionen Franken. Es bleiben also immer noch 1,56 Milliarden für das ganze Jahr. Mit anderen Worten: 2,5 Prozent Rückgang sollte man als marktfähiges Unternehmen auch ohne Kurzarbeit bewältigen können.
Die eigene Medizin schlucken? Lieber nicht!
Dem unrühmlichen Reigen der Medien, die bei verschärften Marktbedingungen sofort zu Staatshilfe greifen, schloss sich auch die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) an. Auch dies, wie die TX Group, ein Unternehmen, das börsenkotiert ist, also nebst den eigenen Mitteln oder einem zinslosen Kredit auch die Möglichkeit hätte, sich an der Börse Geld zu beschaffen. Die NZZ, die sich gerne als liberale Markterklärerin und Qualitätsjournalismus-Schmiede positioniert, allen anderen jeweils vorrechnet, wie der Markt sich am besten selbst reguliert, Strategieseminare veranstaltet, und gerne über Leadership doziert, warf die Rezepte des Markets ziemlich schnell über Bord, um sich der Versicherungsgelder zu bedienen.
Ironischerweise publizierte die NZZ drei Tage, bevor sie sich selbst an den Töpfen der Allgemeinheit bediente, noch vollmundig und in der NZZ-eigenen Arroganz eine Ohrfeige für all jene KMU, welche in der Krise zu schnell von der Staatshilfe abhängig würden. Natürlich auch dieses Meinungsprachtstück hinter der Paywall (nachstehend die massgeblichen Aussagen).
«Es kann ja wohl nicht sein, dass eine derart grosse Anzahl kleiner und mittlerer Unternehmen nach so kurzer Zeit bereits vor dem Ruin steht und beim Staat anklopfen muss. Ganz offensichtlich lebt ein grosser Teil der sonst so hoch gepriesenen Schweizer KMU-Wirtschaft von der Hand in den Mund, von einem Monat zum nächsten.»
All das, was diese Medien jetzt praktizieren, ist zwar rechtlich möglich (die ALV ist als Versicherung für Härtefälle konzipiert), sollte in der Folge dann aber auch dazu führen, dass diese Medien sich in den kommenden Jahren, bis alle die wirtschaftlichen Folgeschäden der Krise, die sie mit ihrem Tun jetzt verschärfen, behoben sind, sämtlicher Kommentare zu anderen Unternehmen enthalten und auch die Werbegelder in den Wirtschaftsrubriken jenen Unternehmen überlassen, welche ohne staatliche Hilfen über die Runden kommen mussten.
Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit gegen Unterstützungsgelder
Gerade in Krisenzeiten wäre es wichtig, dass die Medien, die sich so gerne als vierte Gewalt sehen, die Handlungen und Massnahmen der führenden Politiker und Staatsbeamten kritisch begleiten, hinterfragen und einordnen. Dies vor allem in einer politischen Situation, wie sie die Schweizer Demokratie ausser in den beiden Weltkriegen noch nicht erfahren hat.
Indem die Medien sich aber von der Staatshilfe abhängig machen, berauben sie sich zu einem guten Teil der nötigen Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit, diesen Staat zu kritisieren und als unabhängiges Kontrollorgan zu agieren. Diese Entwicklung hat schon vor längerer Zeit eingesetzt, wird jetzt aber überdeutlich (wer einen Beweis braucht, soll sich die Fragen der jeweils an den täglichen Pressekonferenzen des Bundes anwesenden Journalisten anhören).
Für kleine Unternehmen gedacht, von den grossen ausgenutzt
Und die Abhängigkeit der Medien von Staatsgeldern wird sich in Zukunft noch verschärfen, wenn das von Bundesrätin Sommaruga mit Hilfe der grössten Verleger angedachte Mediengesetz durchkommt. Dort soll nebst den serbelnden Radio- und Fernsehsendern der Verleger auch deren nicht funktionierendes Onlinegeschäft subventioniert werden. Dies aber nur, wenn Inhalte hinter einer Bezahlschranke angeboten werden. Das stellt dann sicher, dass unabhängige, kleinere Anbieter aus dem Markt gedrückt werden und die grossen Medienhäuser auch dieses Geschäft unter sich aufteilen können.
Ein wenig so, wie es gerade mit den vom Bundesrat beschlossenen Unterstützungsmassnahmen geschieht. Was vor allem für die kleinen und kleinsten Unternehmen gedacht war, wird gerade von den grossen zur kurzfristigen Lösung der eigenen, hausgemachten Probleme genutzt, und um die Aktionäre auch in Krisenzeiten zu schonen.