Mit weissen Stränden, erstklassigen Resorts und unerhörten Luxus-Erlebnissen bietet die Karibik eine Vielzahl bequemer und unkomplizierter Destinationen. Warum also ausgerechnet nach Kuba reisen – ein Land mit regelmässigen Stromausfällen, einer zerfallenden Wirtschaft und einer Regierung, die international als Paria gilt? finews.ch reiste nach Havanna, um dies herauszufinden.

Als finews.ch zum XXV Festival del Habano, der 25. Ausgabe der jährlichen Zigarrenmesse, in Havanna eintraf, bildete die prunkvolle Gala einen scharfen Kontrast zu den finsteren Strassen direkt vor der Türe.

Zur gleichen Zeit, als Sammler mehrere Millionen für rare Humidore boten, versanken ganze Stadtviertel in Dunkelheit – eine Folge von Kubas maroder Energieinfrastruktur. finews.ch machte sich daran, das weltweit einzigartige Erlebnis einer Kubareise zu entschlüsseln: Wo wohnt man? Wo isst man? Wie gelangt man von nach B? Und vor allem: Wie bewegt man sich als anspruchsvoller Tourist in dieser Stadt und ihrem ganz eigenen Spannungsfeld zwischen Postkartenidyll und Depression?

Warum nach Kuba reisen?

Die Scheinwerfer in Havannas Pabexpo-Messezentrum warfen grelle Schlaglichter auf  die immer extremeren Ausmasse des globalen Kults um kubanische Zigarren. Rauchschwaden, geschwängert vom Duft der begehrtesten Zigarren der Welt, schwebten durch den Raum mit rund 2'000 Gästen, während sich das Licht in Gläsern voll edlem Rum spiegelte.

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Symbol alten Glamours: Hotel Nacional de Cuba. (Bild: zVg)

Es war die grosse Gala des XXV Festival del Habano, der Höhepunkt des kubanischen Luxus, wo sich Grössen aus der Branche und einige wohlhabende Liebhaber unter den wachsamen Augen der Staatsführung versammelten. Sogar Präsident Miguel Díaz-Canel Bermúdez, Nachfolger von Fidel und Raúl Castro, gab sich die Ehre und beobachtete, wie ein Behike-Humidor – gefüllt mit den seltensten kubanischen Zigarren – für 4,6 Millionen Euro versteigert wurde.

Opulenz des Festival del Habano

Doch verlässt man die Prunkwelt des Festivals, vorbei an den atemberaubend schönen Hostessen, zeigt sich eine andere Realität.

Nur wenige Strassenzüge entfernt liegen ganze Stadtviertel in Dunkelheit. Die veralteten, noch aus Sowjetzeiten stammenden Kraftwerke kämpfen mit Rohölknappheit und können die Nachfrage nicht decken. Stromausfälle gehören für die Habaneros zum Alltag – ein krasser Gegensatz zur Zigarren-Extravaganz, die einmal im Jahr die Seele der Hauptstadt erfüllt.

Die letzten Zuckungen des Kommunismus

Für Liebhaber kubanischer Zigarren oder Rums ist Havanna ein «must go», an dem diese Handwerkskunst in ihrer reinsten Form erlebt werden kann – gerollt von den besten Torcedores, gereift in der feuchten Karibikluft und serviert auf dem Terroir, das sie hervorgebracht hat.

Wer sich für die letzten Relikte des Kommunismus interessiert, findet in Kuba ein Land, in dem diese Ideologie noch immer den Alltag bestimmt. Eine Zeitkapsel, in der Classic Cars aus den 1950er-Jahren durch schlaglochreiche Strassen fahren, gesäumt von verfallenden Kolonialpalästen, und wo der harte Griff des Staates, der Schwarzmarkt und die menschliche Anpassungsfähigkeit zu einem surrealen Konglomerat verschmelzen.

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Havannas wohl bestes Restaurant: Terrasse des La Guarida. (Bild: zVg)

Ein fragiles Wirtschaftssystem

Und wer einfach nur von der Romantik eines Landes angezogen wird, das sich standhaft gegen Konformität wehrt, wird mit unvergesslichen Momenten belohnt: Eine Son-Cubano-Melodie, die durch eine Seitenstrasse hallt, der Duft einer handgerollten Havanna in der warmen Nachtluft, die unerschütterliche Herzlichkeit der Menschen.

Doch jenseits der kolonialen Fassaden und Oldtimer-Romantik offenbart sich die wirtschaftliche Misere. Kuba, oft verklärt, ist eines der am wenigsten entwickelten Länder Lateinamerikas in Sachen Infrastruktur. Wer Havanna und Varadero verlässt, erkennt schnell, wie fragil die Zustände in Kuba wirklich sind.

Wo wohnen?

Für anspruchsvolle Reisende bewahrt Havanna seinen Reiz – wenn man weiss, wo man suchen muss. Das legendäre Hotel Nacional de Cuba, mit seinen weitläufigen Gärten und bewegter Geschichte, bleibt ein Symbol des alten Glamours.

Wer modernen Luxus sucht, findet ihn im Gran Hotel Manzana Kempinski – zu einem Preis, der für ein westliches Fünfsterne-Haus vielleicht gerechtfertigt wäre... Aber fünf Sterne in Kuba sind im internationalen Vergleich halt doch eher vier.

Für wahre Kenner bieten Casas Particulares authentische kubanische Gastfreundschaft, die von Bed & Breakfast bis zu grossen, luxuriösen Villen reichen – allerdings mit dem Risiko plötzlicher Stromausfälle.

Ein Bargeld-Paradies

Havannas Finanzsystem folgt eigenen Regeln. Der offizielle Wechselkurs liegt bei 120 Pesos pro Dollar oder Euro, doch der Schwarzmarktkurs beträgt zwischen 320 und 340 Pesos. Da US-Sanktionen viele internationale Kreditkarten unbrauchbar machen, regiert Bargeld.

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Kontrastpunkt: Luxuriöse Abendveranstaltung am Festival del Habano. (Bild: zVg)

Erfahrene Reisende verfügen über die notwendigen Kontakte, um faire Wechselkurse und den Zugang zu hochwertigen Dienstleistungen sicherzustellen. Dazu gehören auch Transport-Dienstleistungen, auf die man im weitläufigen Havanna angewiesen ist. Dem Touristen werden je nach Distanz zwischen 8 und 15 Dollar für eine Fahrt verlangt; einen Bruchteil davon kostet es auf der App «La Nave», die allerdings eine kubanische Handynummer erfordert...

Wo essen?

Kubas Mangelwirtschaft beeinflusst auch seine Küche. Hochwertiges Rindfleisch, frischer Fisch und Gemüse sind rar.

Dennoch gibt es kulinarische Highlights: La Guarida bietet Gourmet-Küche in einer prächtigen Kolonial-Villa in der Altstadt, El del Frente lockt mit Cocktails auf der Dachterrasse. Santy Pescador serviert den besten Fisch der Stadt, während Marechiaro eine willkommene italienische Alternative bietet, sollte man der karibischen Einheitsküche aus schwarzen Bohnen, Reis und Schmorgerichten mit Fisch oder Huhn überdrüssig werden.

Kubas wahre Schätze

Kein Havanna-Besuch ist komplett ohne Zigarren, Rum und Oldtimer. Offizielle Casas del Habano garantieren die Echtheit der Zigarren, doch die Auswahl lässt im Vergleich zum wohlsortierten Fachhandel in Europa zu wünschen übrig.

Die Region Vuelta Abajo ist ein Muss für Zigarrenkenner. Hier kultivieren Legenden wie Hector Luis Prieto und Hirochi Robaina feinsten Tabak.

Naschen an verbotenen Früchten

Eine Reise nach Kuba ist wie das Naschen an einer verbotenen Frucht: Man degustiert einen surrealen, prononciert bitteren Cocktail aus dem täglichem Überlebenskampf der Menschen auf der einen Seite, und Luxus auf der anderen.

Touristen erleben ein Land am Rande seiner Belastbarkeit. Viel von der unbeschwerten Lebensfreude, die einst den Charme Havannas ausmachte, ist unter der Last des täglichen Überlebenskampfes verblasst. Lange Schlangen an den wenigen funktionierenden Tankstellen ziehen sich über Stunden, manchmal Tage, da Nachschub nur sporadisch eintrifft. Ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit liegt in der Luft, verstärkt durch die nahezu vollständige Schliessung der mexikanisch-US-amerikanischen Grenze, die vielen Kubanern bis vor Kurzem noch eine Flucht- und Hoffnungsperspektive bot.

Land am Rande des Kollapses

Innerhalb Kubas, mit immer weniger internationalen Touristen – kürzlich wurde der Edelweiss-Direktflug von Zürich nach Havanna eingestellt – wenden sich viele Kubaner den verbliebenen Besuchern mit geradezu verzweifelter Offenheit zu. Die noch vor wenigen Jahren deutlich lebendigere Gastfreundschaft, geformt aus Widerstandskraft, ist zunehmend Hoffnungslosigkeit gewichen. 

Die Spielräume, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, werden zunehmend kleiner. Wer keine Unterstützung von Familienangehörigen im Ausland erhält, ist den harten Realitäten schutzlos ausgeliefert.

Und vor diesem Hintergrund streben Glanz und Glamour des Festival del Habano asymptotisch der Absurdität entgegen. Jahr für Jahr wird der Kontrast zwischen inszenierter Opulenz und harter Realität schärfer und rückt unaufhaltsam einer Sollbruchstelle entgegen. Die einzige offene Frage: Wie lange dauert es noch?