Die Abwicklung der Flowbank zeigt, wie langwierig und mühselig die auf dem Papier eigentlich einfache Übertragung von Wertschriften in der Praxis sein kann. Eine Lehre für die Anleger lautet: Titel nicht bei Banken halten, deren Ruf und Bonität nicht tadellos sind.
Im Juni war der Finanzmarktaufsicht Finma bezüglich Flowbank der Geduldsfaden gerissen – seither läuft die Liquidation der zwangsgeschlossenen Genfer Digitalbank. Doch im Oktober gab es immer noch einige Kunden, die auf ihre Einlagen oder Wertschriften warteten.
Einlagen bei Banken bis zu 100'000 Franken zählen zu den privilegierten Forderungen und werden durch die Einlagensicherung Esisuisse geschützt; darüberhinaus gehende Beträge gehören zu den Forderungen dritter Klasse. Die von Flowbank verwalteten Wertschriften von Kunden sind hingegen nicht Teil der Bankbilanz; sie sollten grundsätzlich ebenfalls einigermassen speditiv auf das Depot einer anderen Bank übertragen werden können.
Verkaufsplattform endlich operativ
Am Freitag ist endlich etwas mehr Bewegung in die Sache gekommen. Der Liquidator, die Anwaltskanzlei Walder Wyss, hat auf der Website der Flowbank mitgeteilt, dass die Eigentümer von Wertschriften nun (wie schon länger angekündigt) die Möglichkeit hätten, ihre Titel über eine Online-Plattform (im Kundenbereich) zu verkaufen. Die Übertragung von Wertpapieren habe sich als zeitaufwendig und kostenintensiv erwiesen, dagegen seien der Verkauf und die Übertragung von Bargeld einfacher und schneller zu bewerkstelligen.
«Die Insolvenzverwalter ermutigen Sie, von dieser effizienten Lösung Gebrauch zu machen, um Ihr Vermögen schneller zurückzuerhalten», schreibt Walder Wyss. Der Verkauf der Wertpapiere erfolge zum Marktpreis, die Plattform stehe den Kunden bis zum 15. November offen.
Verkaufserlös soll rasch fliessen
Sobald die Positionen vollständig verkauft seien, werde das Geld auf einem separaten Konto gutgeschrieben und innerhalb weniger Tage auf das vom Kunden angegebene Konto (bei einer anderer Bank) überwiesen, je nach Wunsch in Franken oder Euro, wirbt Walder Wyss. Die Eröffnung der Plattform hat allerdings den Nebeneffekt, dass die Übertragung von Wertpapieren für zwei Wochen nicht mehr möglich ist.
Ende August hatte Walder Wyss in einem Gläubigerrundschreiben festgehalten, dass von insgesamt 9000 Konten mit privilegierten Einlagen in Höhe von insgesamt 53,5 Millionen Franken rund 5800 Konten mit 45 Millionen Franken oder 84 Prozent bereits zurückbezahlt worden seien. Bei den Wertschriften waren bis zum 23. August rund 900 Millionen der insgesamt 1,3 Milliarden Stück übertragen worden.
Immer noch privilegierte Einlagen ausstehend
Auf eine Anfrage von finews.ch, wie sich denn nun der aktuelle Stand der Auszahlung bzw. Übertragung präsentiere, verwies Walder Wyss auf die Finma, die dann auch prompt Stellung bezog.
Die Aufsichtsbehörde hält fest, dass die Rückzahlung der privilegierten Einlagen gemäss gesetzlicher Vorgaben innerhalb von sieben Tagen nach der Übermittlung der Überweisungsanweisungen des Kunden erfolgen müsse. Die Rückzahlung der privilegierten Einlagen funktioniere bei Flowbank gut. Bis Anfang Oktober seien rund 47 Millionen der rund 53 Millionen Franken an privilegierten Einlagen zurückbezahlt worden (88 Prozent).
Mehrheit der Kundenportfolios noch nicht übertragen
«Vorbehaltlich einiger klärungsbedürftiger Fälle erhielten alle Personen, die einen Überweisungsauftrag mit ordnungsgemässen Anweisungen gestellt hatten, ihre privilegierten Einlagen innerhalb weniger Tage nach Einreichung des Antrags rasch zurückerstattet. Die noch ausstehenden Beträge betreffen Personen, die sich trotz erneuter Aufforderung durch die Liquidatoren noch nicht gemeldet haben», heisst es in der Antwort der Finma.
Bei den Wertschriften wurden bis Anfang Oktober 89 Prozent übertragen, also circa 1'155'000'000 Finanzinstrumente von insgesamt 1'298'359'221, wie die Finma akribisch festhält. Dieser hohe Prozentsatz sei aber nicht unbedingt repräsentativ für die Arbeit, die noch geleistet werden müsse. Denn eine grosse Mehrheit der Kundenportfolios müsse noch übertragen werden.
Manuelle Prozesse und Informationsabtausch verzögern Übertragung
Was ist der Grund für die lange Wartezeiten bei der Übertragung von Wertpapieren? Die Finma verweist auf den damit verbundenen «höheren Verwaltungsaufwand». Die (noch verbliebenen) Mitarbeiter der Flowbank (die unter Leitung des Liquidators das Institut abwickeln) müssten für jede Art von Wertpapieren Informationen an das Institut senden, bei dem die Wertpapiere hinterlegt seien.
Die Gegenpartei sende die Anweisungen nach einigen Tagen zurück, führt die Finma weiter aus. Danach müsse sichergestellt werden, dass die Empfängerbank die gleichen Informationen von den Kunden erhalten hat, und es müsse ein Überweisungsdatum vereinbart werden. Die Instruktionen müssten dann manuell eingegeben werden (was im Fall einer Digitalbank fast schon etwas ironisch klingt). Je mehr unterschiedliche Wertpapiere die Kunden besässen, desto länger dauere dieser Prozess, der auch von der Reaktion der Empfängerbanken abhänge.
Erhebliche Einschränkung des Eigentumsrechts
Die Finma verweist ausdrücklich auf das erwähnte Gläubigerrundschreiben von Ende August, das inzwischen auch auf der erst kürzlich aufgeschalteten Website des Flowbank-Liquidators zu finden ist. Dort legt Walder Wyss aus seiner Sicht (die nicht fundamental von der Darstellung der Finma abweicht) dar, weshalb der Prozess der Übertragung von Wertschriften so lange dauert.
Eine Lehre für Anleger aus der Flowbank-Affäre muss lauten: Auch wenn Wertschriften, wie immer wieder versichert wird, im Fall eines Bankkonkurses sicher sind, sollten sie nie in einem Depot bei einem Institut gehalten werden, dessen Kreditwürdigkeit und Reputation nicht über alle Zweifel erhaben sind. Denn Wochen oder gar Monate darauf zu warten, bis man wieder frei über seine Wertpapiere verfügen kann, stellt eine zwar nur temporäre, aber materiell doch erhebliche Einschränkung des Eigentumsrechts dar und ist dazu nervenaufreibend.
Eine Vorliebe für Pop Art
Und um doch mit einer etwas leichteren Note zu enden: Im besagten Gläubigerrundschreiben findet sich auch der Hinweis, dass Charles Henri Sabet, der flamboyante Gründer und Geschäftsführer der Flowbank, das Eigentum an drei Gemälden in den Bankräumlichkeiten beansprucht. Es handelt sich um zwei Roy Lichtenstein («Two Nudes» und «Seascape») sowie einen Andy Warhol («Nine Dollars»).
Die Flowbank-Liquidation fördert somit neben Schwächen beim praktischen Eigentumsschutz auch reizvolle Pop Art ans Tageslicht.