Noch nie waren so viele Schweizer Privatbanken bereit, ihre Unabhängigkeit aufzugeben und sich übernehmen zu lassen. Dafür gibt es mindestens acht Gründe.

Heute gibt es noch rund 100 Privatbanken in der Schweiz. Bis in zehn Jahren werden es bloss noch etwa halb so viele sein, wie Martin Schilling, Bankenexperte bei PwC Schweiz, unlängst im Gespräch mit finews.tv erklärte.

Gut möglich, dass seine Prognose schon früher eintritt. Denn vergangene Woche fand in Zürcher Finanzkreisen ein relativ unscheinbares Ereignis statt, das sich jedoch als Katalysator für die weitere Entwicklung im Swiss Private Banking herausstellen könnte. Es rüttelt an den Grundfesten dieser verschwiegenen Zunft – mehr noch, vieles deutet darauf hin, dass der Damm nun gebrochen worden ist. Worum geht es?

Ende nach 75 Jahren?

Das Zürcher Traditionshaus Vontobel übernimmt das Kundenbuch der Zürcher IHAG Privatbank (IHAG), wie beide Institute vergangene Woche meldeten. Die IHAG geht auf den Industriellen und Waffenhersteller Emil Georg Bührle zurück, der vor genau 75 Jahren eine eigene Bank gründete. Besagtes Kundenbuch hat zwar nur einen bescheidenen Wert von 3 Milliarden Franken, was im Vergleich zu demjenigen der Privatkunden Vontobels, das sich auf rund 100 Milliarden Franken beläuft, sehr wenig ist.

Doch dieser Verkauf offenbart einen Tabubruch im Swiss Private Banking, der vor zehn Jahren noch unvorstellbar gewesen wäre: Familiengeführte Geldhäuser geben ihre Unabhängigkeit auf, wie das schon vor vier Jahren bei der Genfer Privatbank Reyl oder vor zwei Jahren beim Konkurrenten Gonet der Fall war; erstere gehört heute dem italienischen Intesa-Sanpaolo-Konzern, letztere der jordanischen Arab Bank (Schweiz). Die IHAG wird vermutlich als Family Office oder einfach als Kapitalanlagegesellschaft fortbestehen.

Nachhaltigkeits-Bank zum Verkauf?

Die Absicht mag nicht neu sein, wie obige Beispiele zeigen. Doch die Bereitschaft – ob freiwillig oder nicht – zu einem Verkauf war noch nie so gross wie jetzt. Munter herumgereicht wird beispielsweise das (Verkaufs-)Dossier der Zürcher Kaleido Privatbank.

Vor einigen Monaten machten auch Gerüchte die Runde, wonach die auf Nachhaltigkeit spezialisierte Globalance Bank ebenfalls auf der Suche nach einem Käufer sei. Auch die Zukunft der liechtensteinischen VP Bank ist alles andere als gesichert, solange kein neuer CEO in Sicht ist.

Dass einstmals noble Privatbanken nun dermassen auf dem Markt sind, hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen; die acht wichtigsten sind folgende:

1. Untragbare Betriebskosten

Heute eine Bank zu betreiben, ist teuer; dabei verursachen vor allem die laufend verschärften Regeln und Bestimmungen (Stichwort: Compliance) enorme Kosten, genauso wie die Anforderungen an eine zeitgemässe IT.

Das können sich kleinere Banken kaum mehr leisten, vor allem, wenn sie weder den Anschluss an die «Moderne» geschafft, noch Outsourcing-Partnern konsultiert haben.

2. Mangelndes Interesse an der Digitalisierung

Tatsächlich fällt auf, dass einige alteingesessene Privatbanken ein Management-Team haben, das sich nicht besonders ambitioniert mit den neusten Trends in der Digitalisierung befasst.

Vielfach sind es Privatbankiers von altem Schrot und Korn, die den technologischen Paradigmenwechsel nicht mehr vollziehen wollen oder können. Und sie haben zumeist auch keine Kundinnen und Kunden, die dies verlangen. Das wiederum führt zum nächsten Faktor.

3. Veraltete Klientel

Zahlreiche Privatbanken haben eine überalterte Kundschaft, weil es ihnen nicht gelingt, die jüngere Klientel, die «Next-Gen», anzusprechen. Das Potenzial, das die Digitalisierung freisetzt, ist ihnen fremd.

Zudem wirkt der Auftritt mancher Privatbanken längst verstaubt und wird den Ansprüchen jüngerer, vermögender Kundinnen und Kunden nicht gerecht. Von üppigen Mittag- oder Abendessen in getäferten Nobelrestaurants lassen sich die neuen Millionäre und Milliardäre nicht beeindrucken.

4. Schwindende Produktkenntnisse

Und worüber sollte man an solchen Zusammenkünften dann sprechen? Tatsache ist, vielen Privatbankiers fehlen heutzutage die Kenntnisse von neuen Finanzprodukten und Anlagemöglichkeiten, insbesondere in den Bereichen Krypto, Private Equity oder Club Deals.

Nicht alle können so innovativ sein wie die Zürcher Privatbank Maerki Baumann, die es geschafft hat, sich in der Kryptowelt einen Namen zu machen. Andere Privatbankiers ohne dieses Know-how verlieren ihre Deutungshoheit und Relevanz.

5. Unscharfes Profil

Damit wird schnell klar: Eine Bank ohne Profil hat es immer schwieriger; und der Erfolg hängt nicht zwangsläufig von der Grösse eines Finanzinstituts ab, sondern von dessen «Raison d’être».

Dass die Genfer Privatbank Gonet vor zwei Jahren an ein arabisches Institut überging, dürfte sehr stark mit ihrer (mangelnden) Daseinsberechtigung zu tun gehabt haben – was allerdings seine Gründe hat. Siehe den nächsten Punkt.

6. Offshore in Europa weniger gefragt

Jahrzehntelang dienten viele Schweizer Privatbanken als zuverlässige Institutionen für ausländische Kundinnen und Kunden, die ihr Vermögen am Steuervogt ihres Heimatlandes vorbeschleusen und «offshore» halten wollten.

Das war aus (juristischer) Schweizer Sicht nicht verboten und darum auch ein ergiebiges Geschäftsmodell, das allerdings über die Zeit viele Geldhäuser «fett und impotent» gemacht hat, wie der legendäre Privatbanken-Doyen Hans J. Bär in seinen Memoiren «Seid umschlungen, Millionen» festhielt.

Mit der Abschaffung des Bankgeheimnisses zwecks Steuerhinterziehung für ausländische Kundinnen und Kunden verlor das Offshore-Geschäft vor allem in Europa massiv an Bedeutung, so dass sich die Schweizer Finanzinstitute neu erfinden mussten. Manche schafften dies, andere nicht – darum verschwinden sie nun.

7. Skandale nagen an der Reputation

Bei einigen Schweizer Privatbanken blieb es indessen nicht bei der simplen «Steuerarbitrage» mit ausländischen Kundinnen und Kunden, sondern es gab auch viele Fälle von Steuerbetrug und Geldwäscherei oder Geschäften mit allzu zweifelhaften Kundinnen und Kunden (Stichwort: Oligarchen).

Mirabaud beispielsweise ist vergangene Woche von seiner Vergangenheit eingeholt worden, als die Eidgenössische Finnazmarktaufsicht (Finma) schwere Verstösse gegen die Geldwäscherei-Vorschriften publik machte. Solcherlei nagt an der Reputation.

Auch die IHAG war in einen Geldwäschereifall in den USA verwickelt und gewährte dem inzwischen gescheiterten österreichischen Immobilienspekulanten René Benko einen Kredit von 30 Millionen Franken, wie auch finews.ch berichtete.

8. Sinkende Zinsen verengen die Margen

Und als ob das alles nicht schon genügte, drohen die Zinsen fast weltweit wieder zu sinken, dies, nachdem die Banken in den vergangenen zwei Jahren aufgrund der endlich eingetretenen Zinswende neue Rekordergebnisse schreiben konnten.

Weil das nun vorüber ist und bis auf weiteres so bleiben dürfte, verengen sich die Margen und lassen bei manchen Privatbanken nun definitiv alle Warnsignale aufleuchten.