Die UBS hat die Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten rund um ihre Tochter Credit Suisse markant erhöht. Das ist ein Signal für all jene, die noch eine Rechnung mit der übernommenen Bank offen haben.
Während die Öffentlichkeit am vergangenen Donnerstag vor allem den Sondergewinn der UBS von 29 Milliarden Dollar sowie Angaben zu möglichen Entlassungen wahrgenommen hat, ist Juristen weltweit eine andere Zahl ins Auge gesprungen: Die Credit Suisse (CS), die nun als UBS-Tochter figuiert, erhöhte ihre Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten im vergangenen zweiten Quartal um satte 1,3 Milliarden Franken.
2,84 Milliarden Dollar eingebucht
Dies «im Zusammenhang mit Entwicklungen wie Vergleichen und neuen Informationen in einer Reihe bereits offengelegter rechtlicher Angelegenheiten», wie es etwas verklausuliert im CS-Quartalsbericht hiess.
Derweil verbuchte die UBS ihrerseits Rückstellungen für juristische und regulatorische Risiken bei der Tochterbank von rund 2,84 Milliarden Dollar. Zusammengerechnet kommen die beiden neuen Posten in die Nähe der rund 4 Milliarden Dollar, welche die UBS bereits vergangenen Mai gegenüber der amerikanischen Börsenaufsicht SEC «provisorisch» für die Übernahme der CS angemeldet hatte.
Nun offiziell in den Büchern
Mit anderen Worten: Die mehr als 4 Milliarden Dollar an Rückstellungen sind nun offiziell in den Büchern des UBS-Konzerns. Die Zahlungen an Kläger müssen zwar nicht zwingend eintreffen; die Erhöhung ist aber ein deutliches Indiz, wass die Grossbank bezüglich den Risiken der Tochterbank erwartet. Die UBS selber hat bis Ende vergangenen Juni insgesamt rund 6,13 Milliarden Dollar für rechtliche und regulatorische Belange zurückgestellt.
Für mutmasslich geschädigte Kunden und Investoren, Anwälte und Prozessfinanzierer ist die Erhöhung jedoch ein Signal, ihre Anstrengungen gegenüber dem Schweizer Bankriesen zu verstärken. Mit Bezug auf die lange Liste der Altlasten bei der CS haben diese Kreise buchstäblich Blut gerochen. «Die erhöhten Rückstellungen geben den Konzernanwälten der UBS hoffentlich mehr Spielraum, um die Klagen gegen die CS schnell beizulegen», sagt ein Akteur aus diesem Lager, der nicht namentlich genannt werden will.
Das Wohl der Aktionäre im Blick behalten
Die UBS wollte auf Anfrage die Rückstellungen aus dem Quartalsbericht nicht weiter kommentieren. Allerdings wird deutlich, dass die Bank mit der Massnahme Klägern keineswegs einen Blankoscheck austellen möchte: In ihrer Prozessstrategie müssen die UBS-Anwälte unter der Führung von Chefjuristin Barbara Levi stets auch im Auge behalten, was sie den Aktionären zumuten können.
Letztere wiederum stehen vor der Wahl, ob sie punkto Rechtsstreitigkeiten ein Ende mit Schmerzen den Schmerzen ohne Ende vorziehen. Mit Blick auf die Integration der CS, die in den nächsten Jahre die volle Aufmerksamkeit der UBS fordert, werden sie künftig wohl zur erstgenannten Option neigen.
Archegos und RMBS beigelegt
Ob Zufall oder nicht: die UBS wird die Busse von 388 Millionen Dollar übernehmen, welche amerikanische und britische Behörden der CS vergangenen Juli wegen des Debakels um die US-Finanzfirma Archegos Capital aufgebrummt haben. Mitte August entledigte sich die Grossbank einer Altlast aus Zeiten der Finanzkrise, indem sie eine Einigung mit dem amerikanischen Justizministerium (DoJ) im Streit um toxisch gewordene Kreditpapiere (RMBS) einging.
Die Zahlung von rund 1,44 Milliarden Dollar ist zwar kein Pappenstiel. Aber deutlich weniger als die 13 Milliarden Dollar respektive 5,28 Milliarden Dollar, welche die US-Grossbank J.P. Morgan und die CS in den Jahren zuvor in dem Komplex berappen mussten.
Bei der CS wiederum hatte das Juristenteam unter dem früheren General Counsel Markus Diethelm bis zuletzt versucht, Tempo in die lange Liste von Rechtshändeln zu bringen. Die Altlasten sollten der neuen Strategie des Instituts nicht mehr im Weg stehen. Der Verkauf an die UBS am 19. März hat diesen Plan dann jäh unterbrochen.
Neue Rechtsrisiken wegen Übernahme
Die UBS wiederum steht seither von der Problematik, dass wegen der CS-Übernahme auch neue Rechtsrisiken auf sie zukommen. So sind im Zusammenhang mit dem tiefen Preis, den die UBS für die CS zahlte, vergangenen August drei Aktionärsklagen beim Zürcher Handelsgericht eingegangen. Bereits im Mai hatten Investoren, die mit den auf Null abgeschriebenen Pflichtwandelanleihen (AT-1-Bonds) der CS Milliarden verloren haben, eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt.
Die Beschwerde richtet sich zwar gegen das Vorgehen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma), die den Befehl zum Abschreiber erteilte. Würde aber das Bundesverwaltungsgericht Beschwerde der Investoren bestätigen, müssten die AT1-Anleihen erneut aktiviert werden, diesmal aber in den Büchern der UBS.
Die buchhalterischen Sondergewinne, welche den Milliardengewinn vom vergangenen Donnerstag ermöglichten, würden sich damit wohl in Luft auflösen.