Der Preis, den die UBS bei der Übernahme der Credit Suisse zahlte, wird nun vor Gericht verhandelt. Wie der Blick zurück zeigt, hatten Sammelklagen bei Bankübernahmen anderswo schon Erfolg. In der Schweiz prallen die Kläger aber gegen das Notrecht.
Seit dem (gestrigen Montag) laufen gleich zwei Muster- beziehungsweise Sammelklagen gegen den Preis, der bei der am 19. März beschlossenen Notübernahme der Credit Suisse (CS) vereinbart wurde. Bereits am vergangenen Wochenende hatte der Schweizerische Anlegerschutzverein seine Klage angekündigt. Der Musterklage sollen sich fast 1'000 Aktionärinnen und Aktionäre angeschlossen haben.
Rund 3'000 frühere Besitzerinnen und Besitzer von CS-Aktien haben sich unterdessen der Klage des Lausanner Rechtsdienstleistungs-Startup Legalpass angeschlossen, wie am Montag bekannt wurde.
Massiver Verlust
Gegenstand der Klagen ist der massive Wertverlust, der den Aktionären mit der Zwangsübernahme aufgebürdet wurde. Bei der Transaktion bezahlte die UBS laut der Vereinbarung vom 19. März rund 3 Milliarden Franken für die CS, dies in eigenen Aktien. Dabei erhielten die Aktionäre für 22,48 CS-Titel je eine UBS-Aktie. Das entsprach einer Bewertung von 76 Rappen pro Aktie.
Der CS-Schlusskurs am Freitag, dem 17. März, hatte noch 1.86 Franken betragen. Die Marktkapitalisierung lag demnach bei rund 7,4 Milliarden Franken.
Die Klagen wollen eine Überprüfung des Umtauschverhältnisses auf Basis des Fusionsgesetzes in die Wege leiten. Ziel ist es, eine angemessene Entschädigung und eine Ausgleichszahlung für die Aktionärinnen und Aktionäre zu erreichen.
Der Griff in die Wundertüte
Bei der Fusion per Notrecht hatte sich die UBS gegen böse Überraschungen bei der CS gleich mehrfach abgesichert. Eine Bewertung der Risiken in der Bilanz war zu diesem Zeitpunkt unmöglich. Das war wie der Kauf einer Wundertüte. Und je besser der Preis, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, am Ende doch positiv überrascht zu werden.
Als erste und gewichtigste Verteidigungslinie dürfte dabei die Wertlosstellung der AT1-Anleihen der CS gesehen werden. Dann der Preis von 3 Milliarden Franken, was einen Abschlag auf die Marktbewertung von knapp 60 Prozent war, und als drittes die Verlust- und Liquiditätsabsicherung durch den Bund und Schweizerische Nationalbank.
Bei den Klagen wird es nun unter anderem darum gehen, ob die Beschneidung der Aktionärsrechte durch die Anwendung des Notrechts gerechtfertigt war. Eine Mitsprache, etwa durch eine Abstimmung an einer ausserordentlichen Generalversammlung, hatten sie nicht.
Erinnerungen an Bear Stearns
UBS-CS ist nicht die erste Banken-Notfusion der Geschichte, und auch nicht die erste in einer akuten Krisenlage. Eine der grössten war sicherlich die Übernahme der amerikanischen Investmentbank Bear Stearns durch die grössere Konkurrentin J.P. Morgan zu Beginn der Finanzkrise im März 2008. Bear Stearns war einer Liquiditätskrise zum Opfer gefallen.
Beim Verkauf wurde zuerst ein Umtauschverhältnis vereinbart, das 2 Dollar pro Aktie oder nur rund 7 Prozent des vorherigen Marktwertes entsprach. Allerdings: nachdem wenige Tage später eine Aktionärs-Sammelklage eingereicht wurde, hob J.P. Morgan noch am gleichen Tag die Bewertung auf 10 Dollar pro Aktie an.
Aufstand der Holcim-Aktionäre
Das sich auch bei regulären Fusionen im Verlauf der Zeit Bewertungsveränderungen ergeben können, ist durchaus üblich und kann auch in den Verträgen durch sogenannte «Earn-out»-Klauseln entsprechend geregelt werden. Das war zwar bei der Fusion des Schweizer Zementriesen Holcim mit der französischen Konkurrentin Lafarge 2014 nicht der Fall. Aber hier probten die Holcim-Aktionäre vor einer Generalversammlung erfolgreich den Aufstand und erreichten eine deutliche Preisreduktion beim Kauf des Wettbewerbers.
Doch eine mögliche rückschauende Bewertung des UBS-CS-Deals kam aber offensichtlich bei der Übernahme am 19. März nicht in Betracht. Ob dies vergessen ging, oder von der UBS nicht akzeptiert worden wäre, sei dahingestellt.
Notrecht aufheben
Während sich die Klage-Organisatoren optimistisch zu den Erfolgsaussichten äussern, sind Juristen skeptisch. Um erfolgreich zu sein, müsste das Notrecht des Bundesrates aufgehoben werden, sagte etwa Wirtschaftsrechtler Peter Kunz gegenüber dem Schweizer Fernsehen «SRF». Für ihn liegen die Erfolgschancen «deutlich unter 50 Prozent».
Anders beurteilen die beiden Gründer von Legalpass die Erfolgschancen. Das Unternehmen wurde erst 2022 von Philippe Grivat und Alexandre Osti gegründet. Als Erfolg wird hier schon allein die Tatsache gesehen, dass man so viel Aktionäre versammeln konnte. Die Musterklage werde als einer der wichtigsten Prozesse in die Schweizer Rechtsgeschichte eingehen, ist Osti überzeugt.
Keine schnellen Entscheide
Mit der Klageeinreichung am Montag haben beide Organisatoren den nach Fusionsrecht geltenden Beschwerdetermin eingehalten. Diese zweimonatige Frist begann dabei nicht schon am 19. März, sondern erst mit der Veröffentlichung der Übernahme im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) am 14. Juni.
Schnelle Entscheidungen sind in den Rechtssachen, auch in Bezug auf die AT1-Anleihen, nicht zu erwarten. Wirtschaftsrechtsprofessor Kunz rechnet damit, dass es drei bis vier Jahre in Anspruch nehmen kann.