Derzeit wird diskutiert, ob der Schweizer Bankenplatz seine internationale Ausstrahlung verliert. Eine rein philosophische Debatte, wie es scheint: denn im Ausland finden hiesige Institute Übernahmeziele zuhauf.

Dieser Takeover dürfte unter dem Radar der meiste Beobachter geblieben sein. Union Bancaire Privée (UBP), eines der grossen Genfer Häuser im Private Banking, hat dieser Tage die Vermögensverwalterin Angel Japan Asset Management in Tokio übernommen.

Mit 1,2 Milliarden Dollar an verwalteten Vermögen ist das Volumen zwar winzig. Für die Käuferin ist der Deal jedoch ein Achtungserfolg in einem schwierigen Markt und ein Beweis dafür, dass sie ihre Wachstumsambition in Asien auf den Boden bringt.

Grossübernahme in Grossbritannien

Vor allem aber reiht sich die Transaktion in einen Trend ein, der sich in den vergangenen Jahren stetig entwickelt, aber ebenfall kaum Beachtung gefunden hat: Schweizer und Liechtensteiner Privatbanken kaufen im Ausland mit schöner Regelmässigkeit zu. Hier ein unabhängiger Vermögensverwalter, dort eine Beteiligung, zuweilen gar eine ganz Bank – an Zielen herrscht ganz offensichtlich kein Mangel.

So ist Angel Japan nur der jüngste Takeover das Jahres 2023, aber nicht der einzige. LGT, die Bank der liechtensteinischen Fürstenfamilie, im vergangenen Februar ihre Position im britischen Markt mit der Übernahme des Wealth-Management-Geschäfts des dortigen Fondsriesen Abrdn deutlich ausgebaut.

Etwas weiter entfernt, im chinesischen Schanghai, hat sich die Zürcher Konkurrentin Julius Bär im vergangenen September am Vermögensverwalter Grow Investment beteiligt. Der Einstieg gilt als erster Vorstoss der «Bären» in den Massenmarkt auf dem chinesischen Festland.

schilling 500

(Bild: PWC)

Hongkong, Luxemburg, Österreich

Just Ende 2021 schlug auch LGT zu und übernahm in Australien den Vermögensberater Crestone. In jenem Jahr reihten sich die Zukäufe von Schweizer und Liechtensteiner Akteuren trotz der Corona-Pandemie dicht an dicht.

So erwarb die brasilianisch-schweizerische Privatbank J. Safra Sarasin das Private-Banking-Geschäft der Bank of Montreal (BMO) in Hongkong und in Singapur. Das Zürcher Investmenthaus Vontobel verleibte sich den Rest des britischen Fondshauses Twentyfour Asset Management ein, während die VZ Gruppe in Grossbritannien eine Mehrheit am Vermögensberater Lumin Wealth erstand. Weiter übernahm die Liechtensteiner LLB die Private-Banking-Kunden der Credit Suisse in Österreich, und UBP kaufte das Wealth-Geschäft der Danske Bank in Luxemburg.

«Wir sehen ein reges Interesse»

«Wir sehen ein reges Interesse für ein Wachstum im Ausland», kommentiert Martin Schilling (Bild oben) die Akquisitionen. Schilling unterstützt als Managing Director der Beratungsfirma Pricewaterhouse Coopers (PWC) Schweiz hiesige Banken bei Fusionen und Übernahmen; seinen Beobachtungen zufolge gehen die Institute sowohl organisch vor mit dem Aufbau von neuen Standorten und der Übernahme von Beraterteams, wie auch akquisitorisch.

«Viele Institute haben sich das Ziel gesetzt, in ausländischen Kernmärkten zu wachsen. Dazu sind sie zunehmend auch zu Übernahmen von ausländischen Firmen und Kundenberater-Teams bereit», sagt Schilling.

Auch organisch unterwegs

Tatsächlich gab es in den vergangenen Monaten auch im organischen Bereich reichlich Bewegung. Die Liechtensteiner LGT hat 2022 ihre Expansionspläne für den deutschen Markt bekannt gegeben und dort bereits einzelne Standorte eröffnet. Daneben hat die Zürcher Kantonalbank (ZKB) jüngst eine Expansionsstrategie für den deutschen Markt formuliert, allerdings ohne Errichtung von Standorten. J. Safra Sarasin eröffnete im vergangenen Jahr eine Niederlassung in Madrid in 2022.

Laut Schilling unterstützt PWC hiesige Banken bei der Auslandexpansion vor Ort, indem die Beratungsfirma auf ihr Netzwerk im jeweiligen Markt zurückgreift. «Wir wissen von weiteren hiesigen Banken, welche sich mit der organischen Errichtung von Standorten im Ausland beschäftigen und bei passender Gelegenheit gerne entsprechende Akquisitionen tätigen würden», sagt der Übernahme-Profi.

Intakter Brand

Das alles passt nicht so recht zum kolportierten Bild einer Branche, die wegen der Rettung der CS und der Übernahme ausländischer Sanktionen scheinbar ins Zwielicht geraten ist. Schilling mag den auch nicht in die Jeremiaden vom Abstieg des Swiss Banking einstimmen. «Wir sehen das Jahr 2023 nicht so negativ», sagt er. So geht Schilling nicht davon aus, dass dieses für die Privatbanken schlechter wird als das schwierige Vorjahr. «Der Neugeldzufluss ist weiterhin vorhanden, und die Volumen könnten sich dank einer besseren Börsenperformance erholen», blickt der Bankenberater nach vorne.


Ebenfalls ist Schilling der Meinung, dass der Brand des Swiss Private Banking intakt ist. In Krisenzeiten sei die Schweiz als Standort zudem traditionell gesucht als sicherer Hafen für Gelder aus dem Ausland.

Abgehobene Wachstumspläne?

Vor diesem Hintergrund erscheinen die aktuellen Wachstumspläne mancher Privatbanken nicht so abgehoben, wie man meinen könnte. So will Julius Bär bis im Jahr 2030 die verwalteten Vermögen auf 1’000 Milliarden Franken verdoppeln. Und von der UBS weiss man, dass sie mit den Vermögen der CS bis im Jahr 2025 rund 5 Billionen Dollar an Kundengeldern verwalten und damit zum zweitgrössten Wealth Manager der Welt avancieren möchte.

Dass die Institute auf der Suche nach einen Wachstumssprung wie die UBS alleine in der Schweiz fündig werden, hält Schilling von PWC jedoch für wenig plausibel. «Ihre Wachstumsziele können die Schweizer Privatbanken keinesfalls nur durch Übernahmen am hiesigen Bankenplatz einlösen», sagt er zu finews.ch.