Banking ist Beziehungsgeschäft. Die krisengeschüttelte Credit Suisse sieht sich aber umringt von Partnern, die ihr nur zögerlich beispringen und schlimmstenfalls gefährlich werden, wie finews.ch aufzeigt.
1. Der Versprecher des Ammar Al Khudairy
Vergangenen Herbst galt die Saudi National Bank (SNB) noch als Retterin in der Not. Damals sagte die Staatsbank aus Nahost der Credit Suisse (CS) zu, den Turnaround der Schweizer Grossbank mit 1,5 Milliarden Franken zu finanzieren. Am gestrigen Mittwoch hat die grösste Anteilseignern das Institut nun aber in neue Nöte gebracht: Auf Äusserungen des SNB-Präsidenten Ammar Al Khudairy fiel die CS-Aktien um fast 30 Prozent und musste zeitweilig vom Handel ausgesetzt werden.
Strenggenommen hatte Al Khudairy nur wiederholt, was er bereits nach dem Einstieg im vergangenen Jahr erklärt hatte: Seine Bank werde nicht noch mehr Anteile am Schweizer Institut erwerben. Doch im gegenwärtigen Umfeld erwies sich die Äusserung als äusserst unbedacht. Das einzige, was bei der CS für den nahöstlichen Eigentümer sprach, waren dessen tiefe Taschen. Der SNB-Präsident hat diesen Nimbus mit seiner Aussage nun in einer für die Bank kritischen Phase zerstört. Wie zuvor die Kataris, die bei der CS jeden Skandal durchgewunken haben, erweisen sich nun auch die Saudis als Hypothek für das Geldhaus.
2. Es brauchte den Bittgang nach Bern
Von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) hat die CS nun kurzfristig 50 Milliarden Franken an Liquidität zugesprochen bekommen, plus 39 Milliarden Franken in Form von Schuldverschreibungen. Das ist kein Pappenstiel und müsste genügen, um Spekulanten und Leerverkäufer (siehe Punkt 3) von den Wertpapieren der Bank fernzuhalten.
Dass diese Zusicherung erst nach dem massiven Ausverkauf der CS-Aktie vom vergangenen Mittwoch erfolgte, der global die Kurse von Banken taumeln liess und die Behörden in den USA und Europa auf den Plan gerufen hat, spricht allerdings Bände über die Beziehung zwischen dem CS-Hauptquartier am Zürcher Paradeplatz und Bern. Dies, obwohl Bund und Aufsichtsbehörden dort an einem intakten Finanzplatz sehr interessiert sein müssen.
Natürlich: das Institut hat mit einer langen Reihe von Skandalen vermutlich viel Goodwill verspielt. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass sich die Fronten in den letzten Jahren verhärtet haben. So hat die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) der Bank nach dem Archegos-Debakel im Jahr 2021 eine teilweise Risikosperre auferlegt, von der sich das Investmentbanking des Instituts nie mehr richtig erholt hat. Ebenfalls arbeitet die Finma mit strenger Hand die diversen hausgemachten Finanzdebakel bei der CS ab. Erst kürzlich gelangte die Behörde zu einem Verdikt bei den CS-Greensill-Fonds.
Das Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) wirkt ebenfalls bevorzugt hinter den Kulissen, obwohl von dort schon länger zu hören ist, dass man sich intensiv mit der Causa CS beschäftigt. Vom inzwischen abgelösten ehemaligen Finanzminister Ueli Maurer war im vergangenen Dezember zu vernehmen, dass man die Grossbank «eine Weile in Ruhe lassen» solle.
Auch unter der neuen Finanzministerin Karin Keller-Sutter scheint beim EFD Schweigen Gold zu sein. Auf Anfrage von finews.ch wollte das Departement über das Statement von Finma und SNB hinaus «vorläufig keine Stellungnahme abgeben». Die Erleichterung in Bundesbern dürfte vermutlich gross sein, dass die Grossbank nicht mit Steuergeldern gestützt werden musste.
3. Kunden und Profiteure
Der Kurssturz der CS-Aktie ist jedoch nicht allein Al Khudairy zuzuschreiben. An den Finanzmärkten dürften vielmehr diverse grosse Wetten gegen die Grossbank gelaufen sein. Die Agentur «Reuters» berichtete am Mittwoch über Leerverkaufspositionen auf europäischen Bankwerten im Umfang von 16 Milliarden Dollar. Explizit genannt wurden Aktien der CS, Deutsche Bank und BNP Paribas mit den höchsten Abwärtswetten. Mit anderen Worten: Profispekulanten haben sich gegen die Bank gewandt, deren gerngesehene Kunden sie vor noch nicht allzu langer Zeit waren.
So hatte das Institut einst im so genannten Prime Brokerage mit Diensten für Finanzinvestoren ein grosses Rad gedreht. Nach den Milliardenverlusten mit der US-Finanzfirma Archegos Anfang 2021 musste sich die CS jedoch aus dem Geschäft mit Hedgefonds & Co verabschieden. Im November jenes Jahres kamen die Schweizer mit der französischen Konkurrentin BNP Paribas überein, ihr die Kundschaft weiterzuvermitteln. Gut möglich, dass sich unter dieser Klientel auch die Profiteure des aktuellen Kurscrashs befanden.
4. Hungrige Private-Equity-Riesen
Zu den Finanzinvestoren lassen sich auch jene Partner zählen, die der CS beim Umbau der Investmentbank und damit beim Abbau von Risiken in der Bilanz behilflich sind. Die Rede ist hier etwa vom amerikanischen Private-Equity-Riesen Apollo Global Management, welcher der Schweizer Bank grosse Teile ihres US-Geschäfts mit verbrieften Krediten (SPG) abkaufen will. Ein erster Teil der Transaktion ist laut dem Institut im vergangenen Februar erfolgreich abgeschlossen worden.
Doch Apollo und die ebenfalls amerikanische Konkurrentin Blackstone zählen nun auch zu den Interessenten für die Bücher der untergegangenen Silicon Valley Bank. Laut der britischen Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) könnte Apollo beim Kreditgeschäft des kalifornischen Pleite-Instituts zugreifen. Das zeigt: die Private-Equity-Häuser greifen nach günstigen Gelegenheiten, wenn sie sich bieten. Würde es so weit kommen, dass die CS zerschlagen werden müsste, würden sich Apollo & Co wohl in die Schlange der Abnehmer reihen.
5. Banken-Lobby ist mit sich selber beschäftigt
Für die CS bisher kaum öffentlich ins Zeug gelegt hat sich auch die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg). Dies ist insofern erstaunlich, als die Bank dort mit ihrem Präsidenten Axel Lehmann im Verwaltungsrat vertreten und zusammen mit der UBS der wichtigste einzelne Beitragszahler ist.
Nach Finanzkrise, Steuerstreit und jahrelangen Branchen-internen Grabenkämpfen verbleibt der Banken-Lobby aber nur ein Bruchteil ihrer Machtfülle von einst. Wie finews.ch recherchierte, ist die SBVg zudem nach dem abrupten Abgang des früheren Direktors Jörg Gasser einmal mehr mit sich selber beschäftigt.
6. Verschreckte Basis
Bankkunden als Freunde zu bezeichnen, ist etwas gewagt, zumal als falsche Freunde. Dennoch hat etwa CS-Schweiz-Chef André Helfenstein am Mittwoch seine Klientel im Heimmarkt als langjährige, treue Gruppe beschrieben – Eigenschaften also, die auch Freundinnen und Freunde gut anstehen.
Doch auch im bis dato relativ stabilen Schweiz-Business halten die Abflüssen von Vermögen an; dem jüngst veröffentlichen Geschäftsbericht der Grossbank zufolge sind 2022 sogar im Land gebuchte Spareinlagen von 18 Milliarden Franken abgezogen worden. Auch auf diesen Pfeiler des Geschäfts ist offenbar nicht mehr hunderprozentig Verlass.