In der grössten Entlassungswelle seit der Finanzkrise streicht Goldman Sachs weltweit 6,5 Prozent der Stellen. Die Schweizer Banktochter könnte etwas weniger stark betroffen sein.
Die Sachen packen und aus dem Büro eilen – so geht es derzeit Angestellten von Goldman Sachs, die aufgrund eines Stellenabbaus die Bank verlassen müssen. Nachdem die Wall-Street-Bank vor einer Woche angekündigt hatte, bis zu 3'200 Stellen zu streichen, erhielten die ersten Betroffenen am Mittwoch von New York über London bis Hongkong die schlechte Nachricht und wurden hinausbefördert.
Mit den Entlassungen fallen rund 6,5 Prozent der 49'000 Mitarbeiter weg. Letztmals hatte die amerikanische Grossbank nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im Jahr 2008 rund 10 Prozent der damaligen Belegschaft zusammengestrichen.
Rauswurf in 30 Minuten…
Wie die «Financial Times» (Artikel kostenpflichtig) schreibt, wurde einigen entlassenen Goldman-Mitarbeitenden etwa eine halbe Stunde Zeit gegeben, um ihre Mäntel abzuholen und ihre Schreibtische zusammenzupacken, bevor ihre Gebäudezugangskarten deaktiviert wurden.
Zudem sei vielen Mitarbeitenden ohne die Entrichtung eines Bonus für die im letzten Jahr geleistete Arbeit gekündigt worden. Wenn Abfindungen gezahlt wurden, hätten sie sich deutlich unterschieden.
… oder Aufschub um ein paar Monate
Viele Managing Directors - der zweithöchste Rang nach dem Partnerstatus - würden bis Ende Januar bezahlt und erhielten dann drei Monate bezahlten Urlaub, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Personen, die mit dem Vorgang vertraut waren. Jüngeren Angestellten - auf oder unterhalb der Vizepräsidentenebene - würden hingegen zwei Monate Abfindungszahlungen angeboten.
Noch vor einem Jahr sah die Welt ganz anders aus. Damals wurden die Mitarbeiten des Wall-Street-Schwergewichts mit üppigen Bonuserhöhungen überhäuft. CEO David Solomon war seinerseits mit 35 Millionen Dollar Vergütung für das Jahr 2021 neben James Gorman von Morgan Stanley der bestbezahlte CEO einer grossen US-Bank.
Schweizer Bank aus der Schusslinie?
Die Restrukturierung ist zwar firmenübergreifend angekündigt und erfolgt in allen Geschäftsbereichen, also im Investment Banking, Asset Management, Global Markets und Wealth Management. Doch die Schweizer Bank, die innerhalb von Goldman Sachs einer der wichtigsten Standorte für die Vermögensverwaltung ist, könnte aufgrund ihrer Ausrichtung etwas weniger stark betroffen sein.
Verschiedentlich ist jedenfalls zu hören, dass der massive Stellenabbau zu etwa einem Drittel auf Kernbereiche in Handel und Bankgeschäft entfallen könnte. In diesem Bereich dürfte die Schweizer Bank, die ihren Standort am weltgrössten Offshore-Banking-Zentrum der Welt hat und einen Umzug an die Zürcher Bahnhofstrasse plant, weniger exponiert sein.
Zudem werden etwaige Entlassungen, die in diesen Tagen ausgesprochen werden, aufgrund des Kündigungsschutzes im Schweizer Arbeitsrecht bei der Schweizer Goldman-Tochter weniger dramatisch und geordneter verlaufen als andernorts.
Einbruch im Investment-Banking
Die weltweiten Entlassungen erfolgen, nachdem die Zahl der Goldman-Mitarbeiter seit Ende 2019 um fast 30 Prozent gestiegen ist. Die Expansion war vor allem vom Aufblühen des Investmentbanking getragen worden. Die ungewöhnlich grosse Entlassungsrunde soll aber auch darauf zurückzuführen sein, dass während der Corona-Pandemie leistungsschwache Banker weniger ausgesiebt wurden als in früheren Jahren.
Bankchef Solomon ist ausserdem daran, Goldmans verlustbringende Ambitionen im Verbrauchergeschäft zu reduzieren, nachdem die Investoren die Ausgaben in diesem Bereich kritisiert haben.
In Bankkreisen wird erwartet, dass in den kommenden Wochen weitere Banker die Gruppe verlassen werden, nachdem die Manager die Höhe der Jahresendboni für 2022 bekannt gegeben haben. Demnach könnte Investmentbankern der Bonus um 40 Prozent gekürzt werden. Händler wiederum müssen aufgrund der Baisse an den Finanzmärkten mit gleichbleibenden oder niedrigeren Boni rechnen.
Beben erfasst die ganze Wall Street
Die Entlassungen bei Goldman Sachs sind das aufgenfälligste Beispiel für die tiefgreifenden Kostensenkungsmassnahmen der Wall-Street-Banken. Daneben haben unter anderem Morgan Stanley, Wells Fargo, Barclays, Credit Suisse oder Black Rock entweder bereits Mitarbeitende entlassen oder den Abbau von Jobs angekündigt. Einige kleinere Unternehmen haben sogar schon mehrere Entlassungsrunden hinter sich.
Abgezeichnet haben sich diese Einschnitte, als Erträge der fünf grössten US-Banken aus dem Abschluss von Geschäften und dem Verkauf neuer Wertpapiere in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres um fast die Hälfte einbrachen. Die demnächst beginnende Berichterstattung der Wall-Street-Banken zum letzten Quartal lässt keine Besserung erwarten. Goldman legt seine Ergebnisse für das vierte Quartal am 17. Januar vor.