Die 120-Millionen-Wette des Jan Schoch

Jan Schoch hat schon einmal bewiesen, dass er Grosses aufbauen kann. Mit Leonteq zimmerte er ein zeitweiliges Milliardenunternehmen. Jetzt steckt er sein Vermögen und seinen Ehrgeiz in ein Projekt ganz anderer Art: Ein Tourismus-Resort im appenzellischen Gonten. Drei Monate vor der Eröffnung des luxuriösen «Huus Quell» trifft ihn finews.ch zum Kamingespräch. Dabei teilt der Hotelier exklusive Einblicke in seine neue Tourismus-Welt und blickt zurück auf seine Finance-Karriere.

Die malerische Appenzeller Landschaft präsentiert sich von ihrer winterlichen Seite. Wie Puderzucker glitzert der frische Neuschnee von den höheren Hügeln. In Gonten, der 1’500-Seelen-Gemeinde auf 902 Metern über Meer, überschreiten wir die Türschwelle zu Jan Schochs «Huus Bären», dem ältesten Gebäude des Dorfes, 1602 erbaut.

Die Böden und die recht niedrigen Decken sind in gräulich braunem Holz gehalten, was auf Anhieb ein Gefühl der Wärme und Behaglichkeit aufkommen lässt. Akzentuiert wird dieses, als wir die sogenannte «Schmitte» betreten: ein vielleicht 30 Quadratmeter grosser Raum im Erdgeschoss des «Bären», der auch als Zigarrenlounge dient.

Verführerisch aufgereihte Weinflaschen

Im wuchtigen Kamin prasselt ein Feuer; der Blick wandert hin und her zwischen den flackernden Flammen, den einladenden Ledersesseln und dem durch eine Glaswand abgetrennten Weinkeller-Gewölbe, in dem hölzerne Kisten verführerisch beleuchtet aufgereiht sind.


Die «Schmitte» im «Huus Bären» (Bild: David Biedert, zVg)

Mit leichter Verspätung trifft der Herr des Hauses ein: Jan Schoch, 47, ein aus dem Ausserrhodischen stammender, nicht allzu gross gewachsener Herr mit einer freundlich-bestimmten Ausstrahlung, grauem Haar und jugendlichen Gesichtszügen. Ein wichtiger Termin steht bevor: Am 16. April soll das luxuriöse «Huus Quell» eröffnet werden.

Serviced Apartments als Teil des Konzepts

«Entschuldigen Sie die Verspätung», lächelt er, «ich habe soeben zwei Wohnungen im Resort verkauft». Diese Serviced Apartments existieren zwar bislang erst auf dem Papier, sind aber ein wichtiger Bestandteil im Gesamtkonzept des «Appenzeller Huus». 35 von 47 seien per heute verkauft, so Jan Schoch.

Ob es in dem Fall ein Glas Champagner sein dürfe? «Ich bin noch im Dry January», sagt der Hausherr und legt routiniert ein paar Holzscheite in den Kamin.

Garantierter Zinssatz von 4,5 Prozent

Was die Serviced Apartments angeht, hat er sich etwas Besonderes einfallen lassen, das fast ein wenig an ein strukturiertes Produkt erinnert: Wer eine der Wohnungen kauft, kann diese auf Zeit an das «Appenzeller Huus» zurück vermieten, zu einem garantierten Zinssatz von 4,5 Prozent netto. «Wenig bekannt ist die Tatsache, dass Appenzell-Innerrhoden bei den Einkommenssteuern fantastisch dasteht», so Jan Schoch. Teilweise besser als Schwyz. Der maximale Einkommensteuersatz beträgt 23,8 Prozent, beim Vermögen sind es höchstens 0,23 Prozent.


Serviced Apartment des «Appenzeller Huus». (Bild: zVg)

Sein «Appenzeller Huus» ist eines der ambitioniertesten Tourismusprojekte des Landes, vergleichbar mit Samih Sawiris’ Andermatt und Remo Stoffels Therme Vals.

Investment von 120 Millionen

Über 120 Millionen Franken («ohne den ursprünglichen Erwerb des ‹Huus Bären›») investiert der frühere Leonteq-Gründer und -CEO hier in Hotels dreier Klassen: vom mittelständischen «Huus Bären» mit drei Sternen über das Viersterne-Superior-«Huus Löwen» bis hin zum bald eröffneten Luxus-«Huus Quell». Letzteres wurde in die «Leading Hotels of the World» aufgenommen. Das ist eine absolute Seltenheit in Anbetracht der Tatsache, dass es erst am 16. April eröffnet wird.

Wer vor einem Jahr den Weg nach Gonten unternahm, konnte sich noch kein Bild davon machen, was hier in Jan Schochs Kopf bereits weitgehend fertig strukturiert war.

Wurzeln des «Bären»

Damals bestand das «Resort» lediglich aus dem «Huus Bären» und dem «Huus Löwen» auf der gegenüberliegenden Seite der Kantonsstrasse: zwei kleine, romantische Hotels mit langer Geschichte und beschränkter Strahlkraft.

Die Keimzelle seines Resorts, den «Bären», erwarb Schoch im Jahr 2014, zu besten Leonteq-Zeiten, aus familiärer Verbundenheit. Seine Eltern hatten hier anno 1976 geheiratet. Nach dem Tod des Eigentümers, des ehemaligen Credit-Suisse-Präsidenten Hans-Ulrich Dörig (1940-2012), auch er ein Appenzeller, war die Zukunft ungewiss. «Mitarbeiter, die teilweise seit Jahrzehnten dabei waren, bangten um ihre Zukunft.»

Anfangs eher eine Liebhaberei

Das Haus beherbergte damals ein Gourmet-Restaurant mit 17 Gault-Millau-Punkten und 10 Hotelzimmer im Anbau, «für den Fall, dass die Gäste nach ein paar Flaschen Wein nicht mehr heimfahren wollten», erinnert sich Schoch. «Aber betriebswirtschaftlich rentierte sich das natürlich nicht.» Allerdings habe er damals noch nichts vom Fach verstanden; es sei anfänglich eher eine Liebhaberei gewesen.


Restaurant «Bärenstobe» im «Huus Bären». (Bild: Fenja Photography, zVg)

Erst nachdem er bei Leonteq ausgestiegen war und ihm der begehrte Titel «Entrepreneur of the Year» von Ernst & Young vergeben worden war, erwachte sein touristischer Ehrgeiz. «Ein Hotel mit 10 Zimmern kann nicht funktionieren und mit dem Restaurant verlieren Sie Geld», wurde ihm klar. Also machte er sich zunächst an den Ausbau des «Bären».

Interessenten abgewiesen

Dieser umfasst heute 22 Zimmer, das Fine-Dining-Restaurant «Bärenstobe» im ersten Obergeschoss und eine Taverne im Erdgeschoss, an die sich die bereits erwähnte «Schmitte» anschliesst, der Lieblingsraum Jan Schochs. In der Taverne genehmige sich am Sonntag der Dorfpfarrer ein «Halberli» Rotwein, und das solle auch so bleiben. Das Letzte, was Jan Schoch will: Schwellenangst zwischen den Appenzellern und den auswärtigen Gästen heraufbeschwören. Darauf achtet er auch bei der Vergabe der Eigentumswohnungen sehr genau. Mehrere Interessenten wurden abgewiesen, weil kulturell unpassend. «Mit mir zusammen muss es funktionieren in der Stockwerkeigentümerschaft.»


Skizze der Aussenansicht mit den fertiggestellten verbleibenden Häusern. (Bild: zVg)

Im neuen Setup wurde das «Huus Bären» leidlich profitabel, aber ein grösserer Ehrgeiz war geweckt. Im Jahr 2021 übte er das Kaufrecht über das hinter dem Haus gelegene Gelände aus. «Ein Glücksfall, denn die Appenzeller verkaufen nicht gerne Land.» Ungefähr gleichzeitig konnte er den «Löwen» erwerben, nachdem das ältere Eigentümer-Ehepaar den Gastronomiebetrieb längst eingestellt hatte und das Haus brachlag.

6'100 Quadratmeter grosses Areal

Und nun also der nächste grosse Ausbauschritt: Tag für Tag wuseln bis zu 110 Handwerker und Bauarbeiter über das über das 6'100 Quadratmeter grosse Gelände. Das erste von vier weiteren Häusern, das «Huus Quell» steht kurz vor der Vollendung. Schoch hat jeden Quadratzentimeter Bauland in Gonten gekauft, um diese Häuser nebst drei zusätzlichen Apartment-Gebäuden für die Mitarbeiter fertigzustellen. Sogar in anderen nahegelegenen Gemeinden will Schoch Personalwohnungen bauen. «Ich schätze das Risiko, dass wir nicht genug gutes Personal langfristig binden können, grösser als das finanzielle ein.» Entsprechend wichtig sei es ihm, dass die Mitarbeiter sich wohlfühlten. «80 Prozent des Werts der Firma sind die Leute, das war schon bei Leonteq so.»


Lesen Sie im zweiten Teil, was Jan Schoch zur juristischen Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Direktor und zu seinem Abschied bei Leonteq zu sagen hat. Und erfahren Sie, was es mit der minus 110 Grad kalten Kältekammer im Spa des neuen «Huus Quell» auf sich hat.