Die Fliehkräfte in der Bankiervereinigung haben Anfang dieses Jahreseinen Höhepunkt erreicht – während der Zugang zum Ausland noch schwieriger geworden ist. Der neue Präsident Marcel Rohner ist an beiden Fronten gefordert.

Der vergangene März markiert eine Zäsur in der jüngeren Geschichte der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg). Damals erfolgte mit der bereits Ende 2020 angekündigte Austritt von Raiffeisen Schweiz aus dem Dachverband – und damit der Abschied einer von fünf systemrelevanten Banken im Lande.

Die Raiffeisen-Genossenschafter begründeten den Schritt damals damit, dass sich die Bankbranche und die Interessen der verschiedenen Akteure auf dem Schweizer Finanzplatz in den vergangenen Jahren stark verändert hätten. Damit spielten sie auf den Graben zwischen Inland-orientierten Retailbanken und international tätigen Gross- und Privatbanke, der sich seit der Finanzkrise geöffnet hat. In der Ära von Herbert J. Scheidt (Bild unten), der nach fünfjähriger Amtszeit den Stab als SBVg-Präsident an Marcel Rohner (Bild ganz unten) weitergibt, waren die bestehenden Fliehkräfte in der Branchen noch grösser geworden, wie finews.ch berichtete.

Vergangenen März kündigte dann auch die kleine Basler WIR Bank ihren Austritt an; dies allerdings mit Verweis auf die Kosten-Nutzen-Rechnung für die Mitgliedschaft.

Scheidt 500

Weniger Mitgliederbeiträge

In der Periode vom 1. Januar 2020 bis zum 31. März 2021 sind insgesamt vier Institute in die SBVg eingetreten. Drei verliessen den Dachverband. Im Weiteren gab es eine Zusammenführung zweier Institute, weshalb die Vereinigung insgesamt im Berichtsjahr gleich viele Einzelinstitute zählt wie im vergangenen Jahr. Insbesondere wegen des Raiffeisen-Austritts ging aber die Zahl der Einzelmitglieder leicht auf 11’770 zurück.

Wie sich die Absenz der Genossenschaftsbanken auf die Finanzierung der SBVg auswirkt, muss sich noch zeigen. Gegenüber 2019 waren die Mitgliederbeiträge bereits rückläufig, sie sanken von 26,1 auf 19,7 Millionen Franken – wobei das Berichtsjahr 2019 mit 15 Monaten überlang war.

Die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse sind die grössten Nettozahler der Bankiervereinigung.

«Im richtigen Moment wieder abtreten»

Der scheidende Scheidt sagte in einem mit dem Jahresbericht publizierten Interview rückblickend, er sei 2016 als Präsident angetreten, um die Neuausrichtung des Verbands umzusetzen und zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Aber es sei für ihn auch wichtig gewesen, im richtigen Moment wieder abzutreten. Scheidt: «Ich persönlich hatte immer geplant, den Zeitpunkt der Übergabe davon abhängig zu machen, einen gesunden und gut aufgestellten Verband an einen Nachfolger zu übergeben, der die erforderlichen Voraussetzungen mitbringt, die notwendige Zeit dafür erübrigen kann und die Aufgabe übernehmen möchte.» Mit Marcel Rohner habe man diese Person gefunden.

Rohner wurde anlässlich seines Antritts deutlicher zu den internen Gräben im Verband. «Ich bin mit den Höhen und Tiefen des Bankgeschäfts vertraut und kenne grosse, mittelgrosse und kleine Institute», erklärte Rohner am Donnerstag. Seine wichtigste Erkenntnis sei dabei, dass die gemeinsamen Interessen der Banken die Normalität seien. «Unterschiedliche Interessenlagen sind die Ausnahme.»

Vertreter des internationalen Flügels

Allerdings ist auch Rohner aufgrund seiner Vergangenheit als Chef der UBS und amtierender Vize-Präsident der Genfer Privatbank UBP ein Vertreter des «internationalen Flügels» der Bankbranche. Diesem wird von den Inlandbanken vorgeworfen, die Ausrichtung des Dachverbands zu dominieren. Dass Rohner vergangenen Mai offenbar einstimmig und ohne Nebengeräusche zum designierten Präsidenten auserkoren wurde, spricht jedoch für seine Nomination.

marcel rohner

Selbst wenn es dem Ex-UBS-Manager gelingt, die Verbands-internen Gräben zu überwinden, so sind die Mauern rund ums Swiss Banking in den letzten Monaten eher höher gewachsen. Die Forderungen nach einem besseren Marktzugang zum Ausland ist bereits ein Mantra der SBVg – insbesondere gegenüber der EU hat sich die Situation seit dem Schweiz-seitigen Abbruch der Verhandlungen zu einem Rahmenabkommen aber eingetrübt.

Protektionismus?

«Wir sind eine wichtige Exportindustrie, aber wir können unser Potenzial nicht ausschöpfen!», stellte der SBVg-CEO Jörg Gasser am Donnerstag fest. Anders als bei anderen Exportindustrien im Güterbereich hinderten Marktzugangs-Restriktionen die Schweizer Banken zunehmend daran, legitime Kundenbedürfnisse zu erfüllen und Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Steuererträge in der Schweiz zu erhalten. «Bedeutende Zielmärkte haben in den vergangenen Jahren im Gegensatz zur Schweiz protektionistische Regeln erlassen, die grenzüberschreitende Finanzgeschäfte stark einschränken», beklagte Gasser.

Der Verhandlungsabbruch in Sachen Rahmenabkommen mit der EU habe das Ringen um einen verbesserten Marktzutritt nicht nicht einfacher gemacht.

Schulterschluss mit den Briten

Entsprechend muss sich die Banken-Lobby auf die mühseligen Verhandlungen mit Einzelstaaten der EU gehen konzentrieren. Als erfreulich wertet der Verbandschef die laufenden Arbeiten in Hinblick auf ein Finanzdienstleistungs-Abkommen mit Grossbritannien. Gemeinsam könnten das Swiss Banking und die seit dem Brexit von der EU abgeschnittene Londoner «City» ein Gegenwicht zu europäischen und globalen Finanzplätzen bilden. London ist die Nummer eins unter den Bankenplätzen in Europa, während die Schweiz weiterhin den grössten Offshore-Standort beherbergt.

«Ebenso sind wir zuversichtlich, dass die bereits bestehende Marktzugangs-Lösung mit Deutschland auch in Zukunft weitergeführt werden wird, und zwar in praktikabler Art», so Gasser weiter. Auch Italien bleibe auf der Agenda – und natürlich die EU als Ganzes.

Hinter der Uhrenindustrie

Gerne verweist die SBVg darauf, was dabei fürs Land auf dem Spiel steht: Mit einem Leistungsbilanz-Überschuss von 17,1 Milliarden Franken im Jahr 2020 stehen die Finanzdienstleistungen an der Spitze aller Dienstleistungsbranchen. Hinter der Pharmazeutischen und Chemischen Industrie sowie der Uhren- und Instrumenten-Industrie sind sie damit im Aussenhandel die Nummer drei.

Die Debatte um den Marktzugang ist also wichtig – doch es wird sich zeigen, ob sich unter Präsident Rohner und mit dem neuen Organisations-Reglement vom vergangenen Herbst die Inlandbanken vor diesen Karren spannen lassen.