Der Supply-Chain-Finanzierer Greensill Capital hat offenbar die Zahlungsrückstände seiner Schuldner verschleiert – und sieht dennoch die Credit Suisse in der Verantwortung. Neue Recherchen offenbaren ein Schwarzpeter-Spiel.
Laut einer am (gestrigen) Montag ausgestrahlten «BBC»-Dokumentation zeigen interne Dokumente, dass der kollabierte Supply-Chain-Finanzierer Greensill Capital bereits Anfang 2020 wusste, dass sein Hauptschuldner, die GFG Alliance des indischen Stahlmagnaten Sanjeev Gupta, in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Bereits zu diesem Zeitpunkt war GFG nicht in der Lage, fällige Zahlungen für Greensill-Kredite zu leisten.
Die Anleger hatten rund 10,1 Milliarden Dollar in den Supply-Chain-Fonds der Credit Suisse investiert, als diese im vergangenen März auf Geheiss der Bank geschlossen wurden. Nach dem Handelsstop ging Greensill Capital in die Liquidation. Die mit Fondsgeldern gesponserte GFG schuldet den Anlegern noch rund 1,2 Milliarden Dollar.
Thomas Gottstein, der CEO der Credit Suisse, hat wiederholt erklärt, dass die Rückerstattung der Anlegergelder für die Bank oberste Priorität hat. Die Bank hat von 10,1 Milliarden Dollar bisher rund 5,9 Milliarden an die Investoren zurückgezahlt.
GFG-Zahlungsrückstand verschleiert
Laut «BBC» hat Greensill die fälligen GFG-Rückzahlungen aus eigener Tasche bezahlt, damit die Anleger nichts von den Problemen mitbekamen. Die «BBC» zitiert aus einer E-Mail von einem Greensill-Mitarbeitenden aus der Finanz-Abteilung an einen Vorgesetzten vom April 2020. Dort hiess es, dass diese ungewöhnlichen Zahlungen seit vier Monaten andauerten.
In einer weiteren Mail von Anfang Mai 2020 wurde vorgeschlagen, einen Insolvenzverwalter einzuschalten, um die Geschäfte von Gupta zu überprüfen. Lex Greensill, der Gründer von Greensill Capital, sagte der «BBC», dass er nicht gewusst habe, dass seine Mitarbeiter einen solchen Schritt empfohlen hätten.
(Lex Greensill, CEO Greensill Capital)
Darlehen nicht gedeckt
In einem Prospekt der CS für die Fonds vom April 2020 hiess es, dass die Fonds ein begrenztes Kreditrisiko aufweisen, da sie mehrfach abgesichert sind.
Die «BBC» zitierte jedoch US-Gerichtspapiere, aus denen hervorgeht, dass zwischen 2018 und 2021 nur 70 der 850 Millionen Dollar, die Greensill dem US-Kohleförderer Bluestone Resources geliehen hatte, durch tatsächliche Rechnungen abgesichert waren. Bluestone gehört Jim Justice, dem Gouverneur von West Virginia.
Der Rest war nur durch prognostizierte künftige Kohleverkäufe gedeckt. Lex Greensill erklärte gegenüber dem Sender, dass die prognostizierten Bluestone-Geschäfte alle «auf dem zukünftigen Handel mit den derzeitigen Kunden basieren». Bei den genannten Unternehmen tönt das jedoch anders. Sechs der Unternehmen erklärten, sie seien weder Kunden von Bluestone noch hätten sie vor, in Zukunft Kohle von Bluestone zu kaufen.
CS allein verantwortlich?
Lex Greensill erklärte gegenüber der «BBC», dass die Kundenangaben unverbindlich seien und Bluestone nur habe angeben müssen, dass man die Verkäufe in Zukunft plane. Greensill sei nicht verpflichtet gewesen, das zu überprüfen.
Zudem bestritt Greensill jegliche Täuschungsabsicht der Anleger. Sein Unternehmen habe der CS, die «allein für die Offenlegung gegenüber ihren Anlegern verantwortlich» sei, alle entsprechenden Informationen zur Verfügung gestellt. Die Darlehen seien stets durch Vermögenswerte, persönliche Garantien und durch eine Versicherung abgesichert gewesen, die im Falle eines Ausfalls gezahlt hätten.
Der japanische Versicherer Tokio Marine war 2019 durch die Übernahme der Bond & Credit Company (BCC) in den Besitz der Versicherungspolicen für die Greensill-Kredite gelangt. bei Bei BCC hatte ein Kader in Sydney einen Grossteil der entsprechenden Kreditversicherungen gezeichnet. Nach der Übernahme wurde er von Tokio Marine entlassen, nachdem festgestellt wurde, dass er seine Risikolimits überschritten hatte. Für Greensill hatte er bis zu 10 Milliarden Australische Dollar gezeichnet, umgerechnet rund 7,6 Milliarden Dollar.
Ermittlungen laufen
Die Lage des Versicherers hat sich durch die Ermittlungen wegen möglichen Betrugs im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch von Greensill Capital weiter verschärft. Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin hat bei der Staatsanwaltschaft Anzeige wegen des Verdachts der Bilanzmanipulation bei der Greensill Bank in Bremen erstattet.
In Grossbritannien läuft beim Serious Fraud Office eine Untersuchung über die Finanzierung von Guptas Stahlimperium, einschliesslich seiner Verbindungen zu Greensill Capital.