Auf dem Schweizer Finanzplatz wird dank der Fintech- und Krypto-Revolution soviel kooperiert wie nie zuvor. Doch das ist nur der Übergang zu einem anderen Modell, das klar bestimmt, wer das Sagen hat.
Es vergeht kaum ein Tag auf dem Schweizer Finanzplatz, an dem nicht eine Bank, ein Fintech oder ein Vermögensverwalter eine Kooperation ankündigt. Vergangene Woche waren es zwei grössere «Kisten»: Die Glarner Kantonalbank und der Anbieter von Strukturierten Produkten Leonteq wollen ein Joint-Venture im Bereich der beruflichen Vorsorge gründen. Swissquote und Postfinance lancierten gemeinsam Yuh, eine Smartphone-Bank. Das junge Fintech-Startup Kaspar& meldete, die Hypothekarbank Lenzburg übernehme die Depotführung für Anlagekunden.
Der Kooperationstrend ist auch im globalen Banking in vollem Gange: Die UBS hatte noch unter Ex-CEO Sergio Ermotti Kooperationen zur Strategie erklärt. In Japan hat sie bereits 2019 ein Joint-Venture im Wealth-Management mit Sumitomo Mitsui Trust gegründet, letztes Jahr folgte die Gründung einer gemeinsamen Investmentbank mit der Banco do Brasil und diesen Februar kopierte die UBS das Vorgehen in Argentinien mit der Banco Patagonia.
Know-how und Technologie vs. Markt und Kundenzugang
Kooperationen und Joint-Ventures sind keine neue Erfindung im Swiss Banking. Im Kreditkartengeschäft entstand mit der Viseca schon 1999 ein Gemeinschaftsunternehmen der Schweizer Banken. Das Immobilienportal Newhome, ein Gemeinschaftswerk der Staatsbanken, sollte 2010 die kantonalen Marktgrenzen sprengen. Die Bezahl-App Twint wiederum war 2016 – nach Fehlversuchen – die Antwort der Schweizer Banken auf die branchenfremden Payment-Anbieter der Bigtechs – um nur einige Beispiele zu nennen.
Grundsätzlich machen Joint-Ventures immer dann Sinn, wenn ein Partner das Know-how für Produkte oder die Technologie bringt und der andere Partner über den Marktzugang, die Kundenkontakte oder die Bewilligungen verfügt.
Wegen der Digitialisierung der Finanzindustrie, der höheren Regulierungshürden und des zunehmenden Kostendrucks hat in den letzten Jahren ein Kooperationstrend eingesetzt.
Fintechs stossen an ihre Grenzen
Die Mehrzahl der aufstrebenden Fintechs musste einsehen, dass mit einer digitale Innovation oder einer coolen App noch keine Finanzindustrie disruptiert werden kann. Banken verfügen im Gegensatz zu jungen Startups den Marktzugang, die regulatorische Erfahrung und geniessen ein über lange Jahre aufgebautes Kundenvertrauen.
Gerade in der überschaubaren Schweiz, ist es für Fintechs äusserst schwer, einen Kundenstamm mit einer kritischen Grösse aufzubauen, sodass eine Geschäftsidee auch für Risikokapitalgeber interessant würde. Die Folge davon ist, dass in der Schweizer Fintech-Szene die Technologiezulieferer dominieren – mit den Banken als Abnehmern.
Kooperationstrend eine Übergangsphase
Diese sind nach teuren Misserfolgen als eigenständige Innovatoren schlauer geworden: Banken wählen bevorzugt die Partnerschaft. Sie kaufen sich die Technologie oder das Know-how ein und binden die Lieferanten mit langjährigen Kooperationsverträgen – so wie sie seit eh und je mit IT- und Outsourcing-Dienstleistern getan haben.
Doch dieser Kooperationstrend ist nur eine Übergangsphase in einer Entwicklung, welche die Finanzindustrie völlig umkrempeln wird.
Denn die Banken sind daran, die Kontrolle über Wertschöpfungskette zu verlieren – im Zahlungsbereich wie im Kreditgeschäft ist diese Disruption im vollen Gang, im Anlagegeschäft rollt sie heran.
Open Banking als Vorreiter
IT-Plattformen treten zunehmend an die Stelle des universellen Bankenmodells. Eine Vorstufe dazu sind Open-Banking-Modelle, wie sie die Hypothekarbank Lenzburg mit ihrer Finstar-Plattform betreibt, an die sich Fintechs andocken können.
Banking-as-a-Service-Anbieter betreiben bereits Plattformen, die modular spezifische Banking-Dienstleistungen anbieten. Als bisheriger und junger Marktführer erweist sich hier die US-Investmentbank Goldman Sachs. Unter ihrem neuen CEO David Solomon baute Goldman Sachs eine Cloud basierte Transaktionsbank auf, über deren Plattform so unspektakuläre Geschäfte wie Cash- und Treasury Management bezogen werden können.
Per Knopfdruck und viel günstiger
Es steht ausser Zweifel, dass Goldman Sachs und andere Plattform-Anbieter mit Banking-as-a-Service in näherer Zukunft ein viel breiteres Spektrum von Banking-Disziplinen und -Dienstleistungen abdecken können. «Einkäufer» können sich eine Bank aus dem Baukasten erstellen oder ein bestehendes Banking-Angebot mit anderen standardisierten Dienstleistungen ergänzen.
Dies durch Knopfdruck und gegen eine schlichte Jahresgebühr, die eine entsprechende Kooperation erstens höchst komplex aussehen lassen wird und zweitens kostenmässig bei weitem unterbietet.