Die Credit Suisse findet sich – zusammen mit dem Rest der Finanzindustrie – in einem Dilemma. Die Wünsche der Kunden und die entsprechenden Zusicherungen des Instituts stehen im Gegensatz zum eigentlichen Daseinszweck desselben: Geld zu verdienen.
Die Ankündigung von Marisa Drew war vollmundig: Bis Ende nächsten Jahres will die Leiterin Impact Advisory and Finance der Credit Suisse (CS) ein Viertel der im Asset Management verwalteten Vermögen nachhaltig investiert sehen.
Als oberste Nachhaltigkeits-Promotorin der Bank kommt die erfahrene Investmentbankerin damit der Nachfrage privater und institutioneller Kunden nach entsprechenden Produkten nach und hat sich in einem boomenden Bereich der Finanzbranche positioniert. In ihrem früheren Bereich Investment Banking & Capital Markets müssen die Angestellten im Vergleich dazu darben: Nachdem die ersten neun Monate von 2019 einen Verlust einbrachten, dürfte der Bonuspool für das laufende Jahr gekürzt werden, wie auch finews.ch berichtete.
Hoffen auf Öl
Hoffnung für die glücklosen Investmentbanker kommt im letzten Quartal des Jahres aus der entgegengesetzten Richtung. Der Börsengang des weltgrössten Erdölförderers Saudi Aramco wird der CS Millionen einbringen.
Die zweitgrösste Schweizer Bank, deren Chefs sich seit Jahren um die Herrscher Saudi-Arabiens bemühen, steht bei der Verteilung des geschätzten Gebührentopfs von bis zu 450 Millionen Dollar ganz vorne. Sie ist einer der Lead Underwriter bei der Platzierung der Aktien des staatlichen Erdölkonzerns an der Börse in Riad.
Thiam im Dilemma
Diese zwei Beispiele verdeutlichen das Dilemma, in welchem CS-Chef Tidjane Thiam steckt. Bankkunden verlangen heutzutage von einem renommierten Institut die Möglichkeit, auch in nachhaltige Anlagen investieren zu können – ein Druck, der mit dem Übergang der Vermögen an die nächste Generation noch zunehmen wird.
Zugleich müssen die Bankmanager ihre Aktionäre zufriedenstellen, was ihnen derzeit nicht gelingt. Auch die CS wird dieses Jahr voraussichtlich erneut weniger Rendite aus ihrem Eigenkapital herauspressen als angekündigt.
Kritik von allen Seiten
Während letztlich die Grossaktionäre – deren Mittel gerade bei der CS zu grossen Teilen aus dem Verkauf fossiler Brennstoffe stammen – über das berufliche Schicksal der Bankchefs entscheiden, zwingt sie der Zeitgeist zu wiederholten Lippenbekenntnissen zur Nachhaltigkeit. So sagte auch Thiams wichtigster Konkurrent, UBS-CEO Sergio Ermotti, letzte Woche an einer Veranstaltung, eine Bank könne ohne nachhaltige Produkte im Angebot künftig nicht bestehen.
Trotz solcher Aussagen finden sich die Banken in der Kritik. Von der politisch links orientierten Schweizer «Wochenzeitung» bis zum kapitalismusfreundlichen US-Magazin «Fortune» werden sie für die Finanzierung klimaschädlicher Geschäfte kritisiert.
Greenpeace und Klimajugend
Beide Schweizer Grossbanken haben sich den «Sustainable Development Goals» der Vereinten Nationen und damit unter anderem auch dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben. Bei der UBS scheint sich das allerdings stärker auszuwirken: Laut der «WOZ» hat die CS schon 2017 zehnmal so viel CO2-Ausstoss finanziert wie die Schweizer Konkurrentin.
Vor diesem Hintergrund leuchtet es auch ein, dass junge Klimaaktivisten und Organisationen wie Greenpeace immer wieder Aktionen gegen die CS lancieren. Solange die Aktionäre der Bank allerdings nicht bereit sind, auf die entsprechenden Erträge zu verzichten, wird Thiam weiterhin den Spagat zwischen kurzfristigen Einnahmen und langfristigen Kundenwünschen üben müssen.