Orcel ist hinter dem Geld her, nicht hinter dem Job bei Santander. Lieber hält er die Aussicht auf die bei der UBS in den letzten Jahren verdienten, aber noch gesperrten Millionen aufrecht, als seiner Karriere mit dem CEO-Job bei Santander eine vorläufige Krone aufzusetzen.
Orcel legt dabei die Mentalität im Investmentbanking offen, wo Werte offenbar viel weniger zählen als Preisschilder. Orcel hat seinen Preis – und wer nicht bereit ist, diesen zu bezahlen, ist seiner nicht wert, lautet die Botschaft.
3. Opfer der verschiedenen Banking-Kulturen
Hätte Orcel bei einer amerikanischen Investmentbank angeheuert, wäre der Wechsel von der UBS wohl reibungslos vonstatten gegangen. Der neue Arbeitgeber hätte die Ablösesumme ohne mit der Wimper zu zucken bezahlt.
Nicht so Santander, ein Institut, das hauptsächlich im Retailgeschäft tätig ist. Dort werden Banker durch eine vollkommen andere Geschäftskultur «sozialisiert» als in der Londoner City oder an der Wall Street – geschweige denn bezahlt.
Orcel wie auch Santander haben diesen Kulturunterschied angesichts der Versäumnisse bei der vertraglichen Regelung seines Wechsels ausser acht gelassen. Erst der Preis, den Santander für Orcel als CEO hätte bezahlen müssen, machte diesen Kulturgraben sichtbar. Beide Seiten haben entschieden, dass er unüberbrückbar ist.
4. Opfer der Welt, die seinesgleichen erschaffen hat
Man stelle sich vor, Orcel hätte anstatt zu Santander einen Wechsel in eine Top-Position bei der Credit Suisse (CS) angestrebt. Hätte die CS angesichts der fortdauernden Kritik an den Managerlöhnen bei den Stake- und Shareholdern die Ablösesumme von 50 Millionen Franken vertreten können? Wohl kaum.
Der hochdekorierte Orcel, einer der renommiertesten Deal- und Rainmaker, ist im europäischen Banking praktisch unvermittelbar. Der Grund sind die auch nach der Finanzkrise noch obszön hohen Löhne und Boni, die Leute wie Orcel einfordern, weil sie im globalen Kapitalmarktgeschäft die Strippen ziehen.
Dass Orcel und andere Investmentbanker weltweit kein Interesse daran haben, von den Salär- und Bonusbedingungen abzurücken, die sie selber geschaffen haben, liegt in der Natur der Sache.
5. Opfer einer hilflosen Regulierung
Nach der Finanzkrise sind die Regulatoren weltweit dazu übergegangen, die teils perversen Entwicklungen in den Salär- und Bonussystemen im Investmentbanking einzudämmen und mit Restriktionen zu belegen. Ein Ergebnis davon sind die Bonus-Malus-Systeme, welche Banken dazu verpflichten, einzelne Bonuskomponenten auf Jahre zu sperren, um die langfristigen Risiken bei kurzfristig ausgeführten Geschäften besser kontrollieren zu können. Während einzelne Länder wie Grossbritannien auch Bonus-Steuern und «claw back»-Klauseln einführten, hat sich an der Lohn- und Bonuskultur im globalen Investmentbanking nichts geändert.
Die Banken haben sich gegenüber den Regulatoren insofern durchgesetzt, als dass hohe Löhne immer noch mit Konkurrenzfähigkeit gleichgesetzt werden. Einzig werden die Millionensummen nun nicht mehr auf einen Schlag an den Arbeitnehmer ausbezahlt, sondern über mehrere Jahre beim Arbeitgeber angehäuft. Das Ergebnis: Orcel kassierte schon bei seinem Antritt bei der UBS im Jahre 2012 rund 25 Millionen Franken. CS-Chef Tidjane Thiam erhielt 2015 vorab 14 Millionen Franken, die sonst bei seinem vormaligen Arbeitgeber Prudential verfallen wären.
Mit dieser Praxis der Antrittszahlungen haben sich Banken und Regulatoren in ein moralisches Dilemma manövriert – das zeigt sich jetzt in aller Deutlichkeit: Santander kann es gegenüber einer höchst sensitiven Öffentlichkeit schlicht nicht verantworten, den Preis für einen Spitzenbanker wie Orcel zu bezahlen.
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