Heiko Schlag: «Das sind Zahlen, für die wir uns nicht schämen»

Ein schönes Türmchen mieten und auf Kunden warten – das sei keine Private-Banking-Strategie, sagt Heiko Schlag im Interview mit finews.ch. Der Deutschland-Chef von Julius Bär hat sein eigenes Erfolgsrezept.


Herr Schlag, von aussen betrachtet ist Julius Bär Deutschland in einer anhaltenden Rekrutierungsoffensive. Ihnen gelingt es, laufend namhafte Kundenberater zu holen.

Die Rekrutierung von neuen Kundenberatern ist ein Schlüsselelement unserer Wachstumsstrategie. Es mag überheblich klingen, aber es liegt in der DNA von Julius Bär Deutschland, dass wir nur die besten Kundenberater wollen. Darum schalten wir grundsätzlich keine externen Rekrutierer ein. Die Gespräche mit potenziellen Kandidaten führe ich selbst. Meine Ansprüche an die Qualität manifestieren sich dadurch, dass ich von 28 Kandidaten schlussendlich einen Kundenberater einstelle.

Kriegen Sie jeden?

Ich bin seit 2011 bei Julius Bär. In den Anfangsjahren war die Rekrutierung schwieriger. Damals lauteten die klassischen Fragen der potenziellen Kundenberater: Ist denn Julius Bär in einem Jahr noch in Deutschland präsent? Sind Sie, Herr Schlag, in einem Jahr noch bei Julius Bär?

Eine berechtigte Frage, wenn man die Strategien der Schweizer Banken in Deutschland beobachtet...

Genau, es gab viel sogenanntes Rein und Raus in Deutschland. Meine Philosophie deckt sich mit jener von Julius Bär.

«Im Zweifelsfall sage ich Nein»

Wir denken langfristig und nachhaltig und wir können es uns schlicht nicht leisten, Personal anzustellen, welches diese Werte nicht teilt.

Und welcher Typ Kundenberater entspricht den hohen Qualitätsansprüchen?

Es müssen gestandene, erfahrene Private Banker sein, die sowohl selbstständig und unternehmerisch arbeiten können, gleichzeitig aber auch im Team funktionieren müssen. Diven sind da weniger gefragt. Die Kundenberater müssen eine hohe Sozialkompetenz mitbringen, im besten Fall «Kümmerer» sein, welche die Kunden auch in unsicheren Zeiten sicher lotsen können.

Was meinen Sie mit unternehmerisch?

Unsere Kundenberater müssen sich zutrauen können, relativ ambitionierte Businesspläne zu erfüllen. Der Grund dafür ist, dass wir es uns nicht leisten können, bei einem Misserfolg ein Beraterteam einfach auszuwechseln. Darum bin ich extrem vorsichtig in der Rekrutierung. Im Zweifelsfall sage ich «Nein».

Das Wachstum von Julius Bär, die Personaloffensive und der Ausbau des Niederlassungsnetzes sprechen sich herum. Das macht die Rekrutierung gestandener Kundenberater einfacher?

Definitiv. Es gibt dabei zwei wesentliche Faktoren, im «Personaler»-Jargon heissen diese «Pull» und «Push»-Faktoren. «Push» heisst, der Kundenberater erlebt in seinem Hause Vorgänge, welche ihn schlussendlich vertreiben. Das sind häufig Konzepte oder neue Strategien, welche zu Änderungen in der Kundenbetreuung führen.

«Die Beziehung Kunde zu Betreuer ist nicht einfach austauschbar»

Beispielsweise die Neusegmentierung von Kunden: Diese werden von einem Bereich in den nächsten verschoben, was im Endeffekt auf ein Entloyalisierungsprogramm für diese Kunden und ihre Betreuer hinausläuft. Der zweite Faktor «Pull» ist die Attraktivität eines Hauses. Wir müssen uns inzwischen in Deutschland nicht verstecken.

Fünf bis sechs Jahre Kontinuität genügen bereits für diese veränderte Wahrnehmung?

Franz-Josef Strauss, der frühere Ministerpräsident Bayerns, sagte einmal: «Das Kapital hat das Herz eines Hasen, die Beine eines Rehs und das Gedächtnis eines Elefanten.» Die Lehre daraus: Kunden finden es nicht sehr angenehm, im Mittelpunkt eines Berater-Karussells zu stehen, zumal wenn es Unternehmerkunden, Family Offices oder auch kirchliche Institutionen sind, die wir betreuen. Die Beziehung Kunde zu Berater ist nicht einfach austauschbar. Das ist wie beim Arzt.

Sie sind unter CEO Boris Collardi zu Julius Bär gestossen. Wie haben Sie den Chefwechsel zu Bernhard Hodler erlebt?


Absolut nahtlos. Unsere Strategie liegt konstant auf dem weiteren Ausbau unseres Geschäfts.

Was macht denn Julius Bär anders als die Wettbewerber, dass Sie in so rascher Folge eine Niederlassung nach der anderen eröffnen können – im Sommer ist Hannover geplant?

Es ist definitiv nicht so, dass wir einfach Standorte sammeln. Wir setzen immer zuerst das A, bevor wir das B setzen. Das heisst, wir mieten uns nicht in ein schönes Türmchen, rekrutieren Mitarbeiter und schauen erst dann, wieviel an Kundenvermögen und -erträgen reinkommt.

«Die Asset-Basis wächst jährlich im Milliardenbereich»

Wir eröffnen erst dann einen neuen Standort, wenn es sich rechnet. Der Immobilienentwickler beginnt auch erst mit dem Bau, wenn er 90 Prozent des geplanten Objektes bereits verkauft hat.

Also ist Hannover bereits profitabel – bevor es eröffnet ist?

Wir haben vergangenes Jahr vier Kundenberater aus Hannover rekrutiert, die von unserem etablierten Standort in Hamburg ein Kundenbuch über 300 Millionen Euro aufgebaut haben. Das ist eine Startbasis für Hannover.

Kürzlich hiess es, sie planen auch in Berlin einen Standort.

Das sind Marktgerüchte, die ich nicht bestätige. Aber natürlich gibt es Schlimmeres, wenn Julius Bär mit dem Wechsel erfolgreicher Berater in Verbindung gebracht wird.

Wie wachsen die verwalteten Vermögen?

Das machen wir nicht öffentlich, auch wenn es Zahlen sind, für die wir uns nicht zu schämen brauchen. Seit ich 2011 zu Julius Bär gestossen bin, ist die Asset-Basis in Deutschland jährlich im Milliardenbereich angewachsen. Seit 2014 haben wir die Anzahl der Kundenbetreuer von 40 auf bald 80 verdoppelt.

Aber profitabel ist die Einheit Julius Bär Deutschland noch nicht?

Doch. Wir schreiben im Onshore-Geschäft seit dem Jahr 2015 schwarze Zahlen. Für die Gesamtbank inklusive des europäischen Custody-Geschäftes haben wir erstmals im vergangenen Geschäftsjahr 2017 einen Gewinn im niedrigen einstelligen Millionenbereich erzielt.

Julius Bär ist in der laufenden Bankenkonsolidierung als Käufer sehr aktiv – nur in Deutschland nicht. Warum nicht?

Die Konsolidierung ist auch in Deutschland sehr aktuell. Wir haben uns in der Vergangenheit auch intensiv damit beschäftigt und potenzielle Kaufobjekte angeschaut.

«Man sägt den Ast ab, auf dem man sitzt»

Doch haben wir uns bisher für eine organische Wachtumsstategie entschieden, vor allem, weil wir vor der Zusammenführung zweier Unternehmenskulturen grossen Respekt haben. Organisches Wachstum zu erzielen braucht zwar mehr Zeit, doch ist der Erfolg nachhaltiger – und dies von Jahr zu Jahr.

Der deutsche Wealth-Management-Markt ist hoch kompetitiv. Wirkt sich dies auf Ihre Preismodelle und im Endeffekt in tieferen Margen aus?

Bei Julius Bär nicht. Aber es ist so, dass Mitbewerber mit aggressiven Preisen versuchen, Marktanteile zu gewinnen. Das ist eine mir unverständliche Strategie. Man sägt damit den Ast ab, auf dem man sitzt. Wir haben klare Preisvorstellungen und rechtfertigen diese mit unserer hohen Qualität im Kunden-Offering und in der Betreuung.


Heiko Schlag stiess im Jahr 2011 zur Zürcher Privatbank Julius Bär und leitet als Vorstandsvorsitzender der Julius Bär Europe das Private Banking in Deutschland. Der 54-Jährige tut dies mit Erfolg. Im Jahr 2013 integrierte er das übernommene Merrill-Lynch-Geschäft und baut seither die Präsenz von Julius Bär in Deutschland sukzessive aus. Seine Karriere startete der Diplom-Kaufmann bei der Hypovereinsbank, wo er sich in knapp 20 Jahren in die Geschäftsleitung Private Banking Deutschland hocharbeitete.