Das forcierte Ende der Tessiner Bank BSI taucht das Swiss Private Banking in ein schlechtes Licht. Einmal mehr scheint sich das Geschäft mit der Schweigsamkeit zu rächen, findet finews.ch.
1. Ein Skandal jagt den nächsten
Das noble Swiss Private Banking war noch nie frei von Skandalen – man denke an die diversen Potentatengelder und Nachrichtenlosen Vermögen auf Schweizer Konti. Doch seit der Finanzkrise kommen die Privatbanken scheinbar nicht mehr aus dem Kreuzfeuer heraus.
Nach den Datenlecks, den Schuldeingeständnissen und Millionenzahlungen an ausländische Behörden holt die Institute nun der Fluch der neuen Märkte ein: Das hohe Wachstum in Asien und anderen Schwellen-Regionen geht offensichtlich Hand in Hand mit der Gefahr, in den Ruch von Geldwäscherei zu geraten.
Das Ende der Tessiner Privatbank BSI veranschaulicht dies jetzt – und diverse Enforcementverfahren der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) könnten schon bald dafür sorgen, dass der BTG-Tochter bald weitere Exempel folgen.
2. Im Zweifelsfall schweigen
Das Geld der Kunden entgegennehmen und darüber schweigen: das war für die Schweizer Privatbanken in den Zeiten vor dem Steuerstreit nicht nur ein lukratives, sondern zumindest nach Schweizer Recht auch ein legales Geschäftsmodell. Mit dem Übertritt in die Weissgeld-Ära konnte davon allerdings keine Rede mehr sein. So meinte man wenigstens.
Der 1MDB-Skandal zeigt jetzt, dass Institute wie die BSI das alte Modell der Schweigens – jener sizilianisch anmutenden Omertà – in neue Märkte getragen haben. Zwar steht in Asien und anderen Schwellenland-Regionen die Steuerthematik nicht im Vordergrund. Dafür ist die Herkunft der Gelder umso wichtiger. Wenn komplizierte Strukturen zwischen Bank und Kunden geschaltet und Vermögen von politisch exponierten Personen ohne allzu viele Fragen angenommen werden, kann sich das bitter rächen.
Den Beweis liefert die neueste Welle von Geldwäscherei-Verdächtigungen, von der Affäre um den malaysischen Staatsfonds 1MDB bis zum Skandal um den Weltfussballverband Fifa.
3. Die Aufsicht macht nicht die beste Figur
Seit dem Beginn des Steuerstreits muss sich die Finma den Vorwurf gefallen lassen, erst aktiv zu werden, wenn ausländische Behörden bereits den Lead übernommen haben und entsprechenden Druck ausüben.
In den Korruptions-Affären um den malaysischen Staatsfonds 1MDB und den brasilianischen Ölkonzern Petrobras ist das auf den ersten Blick nicht der Fall: Es waren die Finma und die Schweizer Bundesanwaltschaft, die in beiden Komplexen die Ermittlungen vorangetrieben und vor einem Versanden bewahrt haben.
Dennoch sehen die beiden Behörden im Fall BSI am Ende nicht nur gut aus. Wie die Finma nun bekannt machte, hatte sie bereits Ende 2013 vertiefte Abklärungen zum malaysischen Staatsfonds 1MDB in Bezug auf Geldwäscherei geführt. Die Bundesanwaltschaft liess sie dabei aber offensichtlich im Dunkeln.
So kam es etwa, dass die Bundesanwälte auf eine Strafanzeige gegen 1MDB seitens des Schweizer Bruno Manser Fonds Anfang 2015 mit einer Nichtannahme-Verfügung reagierten. Erst letzten August nahm die Bundesanwaltschaft dann das Strafverfahren auf – während die Geschäfte zwischen der BSI und dem malaysischen Staatsfonds offenbar unverändert weiter liefen.
Unkoordiniert, zuweilen zögerlich und ohne grosse Durchschlagskraft: Das ist das Bild, das die Wachhunde am Schweizer Finanzplatz zumindest im Fall BSI abgegeben. Für einen Standort, der Stabilität und funktionierende Regeln als seine Stärken verkaufen will, ist das fatal.
4. Eine gefährliches Vabanquespiel der Banken
Dass die Finma bezüglich Einfluss und Personal in abgesteckten Grenzen operiert, ist eine Tatsache. Und mit Blick auf den Fall BSI stellt sich die Frage, ob dies von den Beaufsichtigten nicht zuweilen auf fahrlässige anmutende Weise ausgenutzt wird.
So hatte die Finma die Tessiner Privatbank schon im Herbst 2013 auf Mängel bei der Geldwäscherei-Bekämpfung aufmerksam gemacht. Geschehen ist danach aber offenbar wenig, und Finma-Direktor Mark Branson konnte am Dienstag nur recht hilflos kommentieren: «Die Bank verstand das Geschäft zu wenig, aber es war zu lukrativ, um es aufzugeben.»
5. Schatten über den Lichtgestalten
Die da weiter geschäfteten, waren bisher Lichtgestalten des Swiss Banking: So etwa Alfredo Gysi, der ehemalige CEO und Präsident der BSI.
Vor gut einem Jahr forderte Gysi, der einst für den Kanton Tessin im Bankrat der Nationalbank sass, von den Schweizer Banken und der Politik mehr Engagement, um die Glaubwürdigkeit des Finanzplatzes zu stärken, wie auch damals finews.ch berichtete.
Doch es war auch Gysi, der 2011 den ehemaligen BSI-Banker und Betreuer des malayischen Staatsfonds 1MDB für die erklecklichen Einnahmen lobte.
Auch der Starkult um Hanspeter Brunner, der als eines der Aushängeschilder des Swiss Private Banking in Asien galt, mutet nun deplaziert an. Gegen den ehemaligen Asien-Chef von BSI laufen nun Untersuchungen der Staatsanwaltschaft in Singapur wegen möglichen strafbaren Handlungen.
6. Schlechte Visitenkarte im Boom-Markt
Der Singapurer Aufsichtsbehörde kommt die Schliessung der BSI höchst ungelegen – denn der asiatische Finanzplatz hat viel zu verlieren. Er gedeiht nicht zu knapp dank den Zuflüssen reicher Bürger umliegender Staaten, wie Malaysia oder Indonesien. Ländern also, die teils mit endemischer Korruption zu kämpfen haben.
Was heisst dies nun für das Swiss Banking in Asien? Wohl nichts Gutes. Die Eintrittshürden für Schweizer Finanzinstitute dürften erhöht und die Kontrollen und Überwachung gegenüber den bereits ansässigen Schweizer Vermögensverwaltern intensiviert werden. Dies macht das Banking in der Region teurer und in der Folge auch unattraktiver.
7. Wer nicht hören will, muss fühlen
Schweizer Private Banker stöhnen nicht zu Unrecht ob der stets höheren Compliance-Last in ihrem Geschäft. Doch das Vorgehen von Finma und MAS gegen die BSI zeigt ebenfalls, dass die Regulierungswelle nicht ohne Grund rollt: Noch immer verstehen es einige Branchenmitglieder offenbar meisterhaft, Schlupflöcher auszunutzen und Ermahnungen der Behörden zu biegen.
Der Reflex der Aufseher lässt nicht auf sich warten. Ganz nach dem Motto: Wer nicht hören will, muss fühlen.