Neue Geschäftsbereiche, neue Leute. Dem Managementstil von Julius-Bär-Chef Boris Collardi haftet irgendwie etwas Zufälliges an.
Unbestätigten Aussagen zufolge ist die Ernennung von Yves Henri Bonzon zum Chef des neuen Unternehmensbereiches Investment Management und Geschäftsleitungsmitglied der Bank Julius Bär so abgelaufen: Boris Collardi realisierte beim Studium des BSI-Dossiers – die Tessiner Privatbank steht erneut zum Verkauf – dass Bonzon dort zu Beginn des Jahres 2016 als Chief Investment Officer vorgesehen ist.
Collardi sah sofort die Chance, angesichts der Unsicherheiten bei der BSI einen der profiliertesten Anlage-Experten der Schweiz zu gewinnen. Er machte Bonzon ein Angebot, dass er nicht ausschlagen konnte: Einen eigenen Unternehmensbereich und die Aufnahme in die Geschäftsleitung der renommierten Zürcher Privatbank.
Unerwartet zuschlagen
Julius Bär bestätigt die Version indirekt: Bonzons Anstellung sei aus einer Opportunität heraus entstanden. Wenn eine solche Koryphäe zu haben sei, müsse auch entsprechender Raum geschaffen werden. So funktioniert der Julius-Bär-Chef: Er schlägt immer dort zu, wo man es gerade nicht erwartet.
Böse Zungen könnten behaupten, Collardi vergrössere mit dem langjährigen Pictet-CIO seinen Hofstaat von ihm verpflichteten Untergebenen und blähe sein Management weiter auf. Tatsächlich ist Bonzon ab 1. Februar das 13. Mitglied der Geschäftsleitung der Bank.
Einmalig grosse Geschäftsleitung
Jene der Julius Bär Gruppe zählt sieben Köpfe. Struktur und Grösse des Top-Managements bei der Zürcher Privatbank sind in der Schweizer Bankenlandschaft einmalig – und wohl auch sehr teuer. Aber das scheint Collardi egal zu sein – solange seine Schachzüge der grossen Sache dienen: Julius Bär zu einer der führenden unabhängigen Privatbanken zu formen.
So erhielt Pascal Gentinetta einen Top-Job bei Julius Bär. Seine Bilanz als Economiesuisse-Direktor war dafür wohl kaum ausschlaggebend – sondern eher seine Beziehungen ins Bundeshaus. Barend Fruithof, kaum bei der Credit Suisse als Schweiz-Chef für Unternehmenskunden ausgeschieden, holte Collardi ebenfalls in die Geschäftsleitung und machte ihn zum Private-Banking-Chef für die Schweiz.
Wo immer sich die Gelegenheit bietet
Fruithof hat zwar keinerlei Erfahrungen im Wealth Management. Aber er gilt als einer der besten Bankmanager hierzulande. Bernhard Kobler stolperte über eine aussereheliche Affäre und musste als CEO der Luzerner Kantonalbank gehen. Collardi foutierte sich um den angeschlagenen Ruf Koblers und gab dem gestandenen Banker mit besten Kontakten zu reichen Kunden in der Zentralschweiz eine Führungsposition.
Collardi agiert so, wie sich die Gelegenheiten bieten: Mit Hector Sants machte er einen der einflussreichsten Banker Britanniens zum Chairman Julius Baer International Limited London. Jimmy Lee, einer der am besten vernetzten Private Banker Asiens, lotste er von der Credit Suisse weg.
Anheizen von Gerüchten
Der Julius-Bär-CEO kämpft den «War for Talents» nach der Devise: Wenn ein Spitzenmann zu haben ist, muss er zu Julius Bär. Ob bestehende Bär-Manager dafür weichen oder Macht abgeben müssen, spielt eine untergeordnete Rolle.
Dieser Managementstil ist auch in der Akquisitionspolitik Collardis zu beobachten. Steht eine Privatbank zum Verkauf, ist Julius Bär immer im Gespräch. So war es bei der BSI vor einem Jahr und auch jetzt wieder, und zuvor bei Coutts International oder bei Barclays in Asien.
Collardi heizt solche Gerüchte in Interviews weiter an. Er nimmt ihnen auch mal den Wind aus den Segeln, kündigt dafür aber überraschend Zukäufe in Brasilien an oder im chinesischen Fintech-Markt.
Zufällig – aber nicht wahllos
Und vollzieht dann den Kauf der Commerzbank in Luxemburg und kauft sich tatsächlich in einen chinesischen Finanzdienstleister ein. Allerdings ist dieser kein Fintech-Unternehmen, sondern ein normaler Vermögensverwalter.
All diesen unerwarteten Zügen und Manövern haftet etwas Zufälliges an, was zur rastlosen Art Collardis passt. Aber auch wenn er ein Tempo-Banker ist: Wahllos und unüberlegt handelt er nicht. Bonzons Engagement und auch der Aufbau einer Einheit nur fürs Portfolio Management beispielsweise passen durchaus zur Strategie der Privatbank, die einen deutlich stärkeren Fokus auf Beratung und Anlagekompetenz legen will.
Und der US-Steuerstreit?
Doch der 41-Jährige muss bei allem Aktionismus auch aufpassen, dass er den Fokus nicht aus den Augen verliert und seine Aktionäre vergrault. Wie beispielsweise die Rückstellungen für den US-Steuerfall gehandhabt wurden, lässt zu wünschen übrig.
Erst schienen 350 Millionen Dollar für die Busse zu genügen. Ein halbes Jahr später musste die Bank nochmals 200 Millionen Dollar nachlegen – und noch immer ist keine Einigung mit dem US-Justizdepartement gefunden worden.
Story muss weitergehen
Zwar ist Collardi ein begnadeter Verkäufer der Julius-Bär-Wachstumsstory – und kann inzwischen einen ansehnlichen Erfolgsausweis vorlegen. Doch nach der gelungenen Integration von Merrill Lynch erwarten die Bär-Aktionäre, die für den Kauf immerhin eine halbe Milliarde Franken Kapital eingeschossen haben, bald den nächsten grossen Wurf.
Die unter Collardi gut laufende Inmvestmentstory Julius Bär braucht eine Fortsetzung. Das weiss der CEO – und späht wohl bereits nach dem nächsten Deal.