Die amerikanischen Behörden werfen der Credit Suisse vor, ihre verwalteten Vermögen dreist «geschönt» haben – und drohen nun offenbar mit einer Klage. Doch wie sich zeigt, besteht im Swiss Banking bezüglich der Buchung von Assets einiger Spielraum.
Die Geister der Vergangenheit haben die Credit Suisse (CS) noch kurz vor Weihnachten heimgesucht. Wie auch finews.ch zum Wochenauftakt berichtete, soll die amerikanische Börsenaufsicht SEC kurz davor stehen, eine Klage gegen die Schweizer Grossbank einzureichen.
Die mutmasslichen Vergehen der CS, die bereits ein Thema im US-Senat waren, liegen bereits drei Jahre zurück. Damals, 2012, hatte das Institut laut den amerikanischen Ermittlungen die Zahl der verwalteten Vermögen künstlich aufgebläht, indem sie Kundenvermögen als Netto-Neugeld im Private Banking umgebucht hatte. Und Abflüsse von Kundenvermögen soll die CS vertuscht haben, indem sie Kundengelder auf regionaler Basis verschob.
Am Pranger
Damit, so die Anschuldigung der Amerikaner, habe die CS ihre Investoren über eine im Banking zentrale Kennzahl getäuscht. Obwohl der dabei allenfalls entstandene Schaden sehr schwer zu belegen sein wird, muss die Schweizer Grossbank nun mit einer saftigen Busse rechnen – als mutmassliche «Trickserin» am Pranger steht sie heute schon.
Doch wie sich zeigt, dürfte es sich bei der Credit Suisse nicht um einen Einzelfall handeln. Denn obwohl es sich bei Netto-Neugeldern und verwalteten Vermögen tatsächlich um zentrale Kennwerte im Swiss Private Banking handelt, wird damit hierzulande mit einiger Nonchalance umgegangen.
Mehrfachzählung gestattet
Das fängt bei der Mehrfachzählung von Nettoneugeld an: Es ist im Swiss Banking durchaus erlaubt und offenbar gang und gäbe, dass jede Bankeinheit, die mit der Annahme und Bearbeitung von Vermögen Gebühren generiert, dieses als Neugeld beanspruchen kann.
Die Schweizer «Handelszeitung» führte dazu folgendes Beispiel auf: Ein Kunde vertraut seinem Berater eine Million Franken an. Im Private Banking wird das neue Vermögen entsprechend eingebucht. Später entschliesst sich der Kunde, die Hälfte davon in Fonds anzulegen. Die Wahl fällt auf bankeigene Produkte. Das Asset Management notiert nun nochmals Zuflüsse von 500'000 Franken – und schon vermehrt sich das bei der Bank ausgewiesene Neugeld auf 1,5 Millionen Franken.
Wundersame Vermehrung
Die «wundersame Vermehrung» ist durchaus legal. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) hält im Rundschreiben 08/2 (und mittlerweile im Rundschreiben 2015/1) die beaufsichtigte Institute lediglich dazu an, speziell auf Mehrfachzählungen hinzuweisen. Jede Bank darf aber bestimmen, wie sie die Neugeldzuflüsse und -abflüsse berechnet.
Auch die Doppelzählung von Kundenvermögen (Assets under Management) ist nicht verboten. «Dieser Problematik wird dadurch begegnet, dass Doppelzählungen in der entsprechenden Tabelle des Anhangs zur Jahresrechnung ausgewiesen werden müssen», wie die Fimma auf Anfrage von finews.ch festhält.
Über die Einhaltung der Finma-Regeln und Rechnungslegungs-Vorschriften wachen die Prüfgesellschaften. Diese werden durch die beaufsichtigten Institute mandatiert. Im Normalfall werden die Prüfgesellschaften auch beauftragt, die aufsichtsrechtlichen Prüfungen bei den Instituten durchzuführen, wie die Finma festhält.
Unter Druck
Dennoch: Das Hin-und-Her von Kundenvermögen und die Buchung in verschiedenen Sparten scheint im Swiss Banking demnach System zu haben. Und es ist denkbar, dass dieses System von unter Druck stehenden Bankern ausgereizt wird. Dem US-Untersuchungsbericht zufolge war dies bei der CS der Fall.
Rolf Bögli (Bild unten), der bis November 2013 das Geschäft mit den sehr vermögenden Privatkunden bei der zweitgrössten Schweizer Bank leitete, soll seine Kundenberater wiederholt dazu geradezu gedrängt haben, Custody-Assets als Netto-Neugeld im Private Banking umzubuchen.
Dabei wurden offenbar Vermögen im Milliardenhöhe verschoben. Eine Mail vom Februar 2012 von Bögli soll belegen, dass es darum ging, Ergebnisse zu schönen. Der Top-Banker beurteilte damals die Entwicklung der Neugelder als «sehr enttäuschend».
Weiter schrieb er: «Die Fähigkeit, Neugelder anzuziehen, ist von zentraler Bedeutung. Wir müssen innerhalb der kommenden Wochen alle Massnahmen ergreifen, um die Entwicklung in ein positives Licht zu rücken.»
Schärfere Regeln?
Während die amerikanische SEC mit einer Klage gegen die CS droht, kommentiert die Finma den Fall nicht. Sie äussert sich auch nicht dazu, ob eine Verschärfung der Buchungsregeln im Swiss Banking angebracht wäre.
Bei Regelverstössen verlässt man sich in der Schweiz weiter auf den Dienstweg. Wenn die Prüfgesellschaften eine Verletzung der Rechnungslegungsvorschriften feststellen, rapportieren sie dies an den betroffenen Banken-Verwaltungsrat. Und die Finma erhält eine Kopie dieser Berichterstattung.