Das World Economic Forum in Davos geht zu Ende. Die beherrschenden Themen wurden nicht von den Managern, Politikern und Unternehmen vor Ort gesetzt. Die Agenda war sozusagen ferngesteuert: Sie wurde beherrscht von den ersten Amtshandlungen des neuen-alten US-Präsidenten Donald Trump.

Mit seinem Motto zum diesjährigen Event in den Bündner Bergen wollte das World Economic Forum eigentlich auf das im vergangenen Jahr allgegenwärtige Thema künstliche Intelligenz (KI) abzielen. Doch die «Collaboration for the Intelligent Age» trat angesichts der Dekret-Flut des gerade erst vereidigten Präsidenten Donald Trump in den Hintergrund.

«Der Amtsantritt von Donald Trump als Top-Thema war omnipräsent» sagte Beatrix Morath, die Schweiz-Chefin des Beratungsunternehmens Alix Partners im Gespräch mit finews.ch. «Schockierend waren die Begnadigungen. Ausserdem hat die erste Welle der erlassenen Dekrete viele Diskussionen geprägt. Dabei ging es vor allem um das Thema Energie, mit der erneuten Zuwendung zu den fossilen und dem harten Stopp bei der Windkraft. Aber auch Trumps Ankündigung, die Förderung von DEI (diversity, equity and inclusion; Vielfalt Gerechtigkeit und Inklusion) einzustellen und zurückzudrehen hat viele Reaktionen ausgelöst.»

beatrix morath

Beatrix Morath. (Bild: Alix Partners)

«Mein Eindruck ist, dass viele Unternehmen sich von ihren Zielen und Massnahmen nicht beziehungsweise nicht vollständig abkehren werden. DEI bleibt wichtig, etwa in der Talentgewinnung, und auch die Orientierung an Klimazielen wird nicht verschwinden», sagt Morath. «Beides ist Teil der ESG-Thematik. Vielleicht kommt es aber zu einer Art Bürokratieabbau und mehr Spielraum bei der Umsetzung der angelegten Zielgrössen. Unternehmen werden ihre Überzeugungen nicht komplett über Bord werfen.»

Europa im Tech-Bereich abgehängt

Das WEF-Thema KI habe nicht nur in den Reden und Gesprächen eine wichtige Rolle gespielt. «Fast jedes namhafte Tech-Unternehmen der Welt war mit einem eigenen Haus präsent, KI haben sie dort in den thematischen Mittelpunkt gestellt. Und die Möglichkeiten der neuen Technologie, ihre Risiken und Regulierung haben viele beschäftigt.»

Es gebe eine grosse Furcht davor, dass die Bedeutung Europas im Bereich Tech weiter schwindet, auch durch zu scharfe Regulation: «In den USA wird dereguliert und damit wird das Land zu einer noch grösseren Spielwiese, während die EU in Regeln versinkt und die Branche erstickt.» Auch in Brüssel könne die Angst vor einer US-Dominanz zu Umdenken führen, ist die Expertin optimistisch.

Die allgemeine wirtschaftliche und politische Schwäche Europas wurde mit viel Sorge betrachtet. «Gerade mit Blick auf die US-Politik wurde oft gesagt, dass es nun ein starkes Europa brauchen würde, um Trump etwas entgegensetzen zu können.» Aktuell fehle aber das deutsche Leadership komplett und auch die Achse Paris-Berlin funktioniere nicht mehr.

«Es gibt Hoffnung auf eine neue, stabilere Regierung in Deutschland», sagt die Beraterin.

Trump präsentiert «carrot and stick»

Als Trump am Donnerstagabend zumindest per Video-Schalte doch noch seinen Auftritt am WEF hatte, präsentierte er einmal mehr sein «carrot and stick»-Programm: «Meine Botschaft an jedes Unternehmen in der Welt ist sehr simpel: Komm in die USA, und wir werden dir die tiefsten Steuern der Welt bieten. Aber wenn du dein Produkt nicht in Amerika herstellst, dann wirst du hohe Zölle zahlen müssen», erklärte er.

Wie hoch diese ausfallen sollen, ist weiter unklar. Diesen Trumpf der Unsicherheit wird er auch so schnell nicht aus der Hand geben.

Beatrix Morath betont, dass sie auch diesmal wieder mit dem Gefühl Davos verlassen wird, dass sich ihr wichtige neue Blickwinkel und Erkenntnisse erschlossen haben. «In dieser Hinsicht ist das WEF einzigartig und mit nichts zu vergleichen, auch wenn man nach einer sehr intensiven Woche wirklich müde ist.»