Nationalbankbilanz: Hypothek oder Asset?

In seinem Abschiedsinterview mit der NZZ stellte Jordan jüngst in Abrede, dass die enorme Bilanzgrösse eine Hypothek darstelle. «Das ist keine Hypothek, sondern das Ergebnis der Geldpolitik der letzten 15 Jahre. Die Ausdehnung der Bilanz hat massgeblich dazu beigetragen, dass die Schweiz gut durch die Krisen gekommen ist.» Und er verwies darauf, dass die einen die Bilanz als Hypothek und die anderen als Vermögen interpretierten.

Man mag sich im Nachhinein darüber streiten, ob die SNB ihre Geldpolitik in den vergangenen Jahren immer so bilanzschonend wie möglich durchgeführt und immer zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Mass am Devisenmarkt interveniert hat.

Ungenügende Eigenkapitalquote

Klar ist aber zum einen, dass für die Solidität (und Ausschüttungen) nicht die Grösse der Bilanz, sondern das Eigenkapital die kritische Grösse ist. Und die Eigenkapitalquote liegt mit gut 14 Prozent (Ende Juni) im historischen Vergleich tief. Die SNB betont selber immer wieder, dass für eine robuste Bilanz eine ausreichende Eigenkapitaldecke nötig ist, um Verluste zu absorbieren und hat entsprechend in den letzten Jahren die Zuweisung an die Rückstellungen erhöht.

Zum anderen ist die auch im internationalen Vergleich aussergewöhnlich stark angeschwollene Nationalbankbilanz mit Risiken verbunden. Diese sind finanzieller, politischer und geldpolitischer Natur.

Finanzielle, politische und geldpolitische Risiken

Die SNB hält auf der Aktivseite vor allem Devisenanlagen (Anleihen und Aktien) und Gold. Entsprechend zählen Bewegungen des Wechselkurses und der Zinsen, Schwankungen der Aktienkurse und des Goldpreises zu den wichtigsten finanziellen Risiken – und bilden aus einer Anlageperspektive zugleich Chancen.

Politische Risiken bestehen darin, dass die hohe Bilanz und die scheinbar hohen Vermögenswerte Begehrlichkeiten vor allem auf der linken Seite wecken. Aber auch wenn sich wie letztes Jahr die finanziellen Risiken materialisieren und Bund und Kantone leer ausgehen, kann die SNB unter politischen Druck geraten. Jordan hat jedoch auch hier Standfestigkeit bewiesen und liess nie den Verdacht aufkommen, dass finanzielle Begehrlichkeiten geldpolitische Entscheide beeinflussten.

Eine Hypothek als Ergebnis der Geldpolitik

Das geldpolitische Risiko besteht darin, dass, wie dies der frühere Vizepräsident Jean-Pierre Danthine in seinem Abschiedsreferat im Mai 2015 festhielt, Bilanzausweitungen stets den künftigen Handlungsspielraum der SNB einschränken, und zwar genau deshalb, weil damit die Latte für einen gewünschten weiteren Einsatz der Bilanz zu geldpolitischen Zwecken noch höher gesetzt wird.

Die SNB hat nicht den Auftrag, einen grossen Berg von Anlagen anzuhäufen und daraus einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen und zu verteilen. Vielmehr muss sie die Preisstabilität gewährleisten. Die immer noch sehr grosse Bilanz in Verbindung mit einer tiefen Eigenkapitalquote ist deshalb – um die Frage der NZZ eindeutig zu beantworten – nicht nur das Ergebnis der Geldpolitik, sondern eben auch eine Hypothek.