Der Nationalbank ist es in der Zeit unter ihrem scheidenden Präsidenten gelungen, die Preisstabilität zu sichern. Sie hat damit ihren Auftrag erfüllt. Ihre Geldpolitik hat allerdings dazu geführt, dass sich die Bilanz stark ausgeweitet hat. Das ist eine Hypothek.
Wenn Thomas Jordan morgen Donnerstag zum letzten Mal den geldpolitischen Entscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB) präsentieren wird, richtet sich die Aufmerksamkeit der Finanzmärkte darauf, ob der Leitzins wie erwartet um einen Viertelprozentpunkt reduziert und damit die Reihe der sanften Zinssenkungen seit März fortgeführt wird. Nicht ganz ausgeschlossen ist ein grosser Schritt à la US-Notenbank um einen halben Prozentpunkt; er wäre allerdings schon etwas erklärungsbedürftig, zumal auch die Amerikaner den Senkungszyklus erst vergangene Woche begonnen haben.
Im Zentrum des Interesses werden auch die Inflationsprognose der SNB und ihre Einschätzung der Konjunkturaussichten stehen. Und an der Medienkonferenz findet zudem für die Öffentlichkeit gewissermassen die Stabsübergabe statt. Jordan verlässt die SNB, und damit auch das geldpolitische Entscheidungsgremium, per Ende September. Neuer Präsident des Direktoriums wird der bisherige Vizepräsident Martin Schlegel. Antoine Martin, bisher einfaches Direktoriumsmitglied, rückt als Vize nach, und Petra Tschudin, bisher stellvertretendes Direktoriumsmitglied, nimmt neu im Gremium Einsitz.
Erfolgsbilanz: Geldwert stabil gehalten und Krisen abgefedert
Mit dem Ausscheiden Jordans geht eine Ära zu Ende. Er trat 1997 in die SNB ein, sitzt seit 2007 im Direktorium und leitet dieses seit 2012, als er nach dem abrupten Abgang seines Vorgängers und den damit verbundenen Turbulenzen unvermittelt das Steuer übernehmen musste.
Wird der im Nationalbankgesetz verankerte Auftrag der SNB, die Preisstabilität zu gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen, als Massstab genommen, kann ihm ein gutes Zeugnis ausgestellt werden. Der SNB gelang es unter seiner Ägide meistens, die Inflation im Bereich zu halten, der von ihr als mit der Preisstabilität vereinbar definiert wird – eine durchschnittliche Jahresteuerung im Landesindex der Konsumentenpreise unter 2 Prozent, aber nicht negativ.
Was wollte, konnte und durfte Jordan in der CS-Krise?
International betrachtet schneidet die Schweiz puncto Geldwertstabilität bzw. Inflation ebenfalls hervorragend ab, und der SNB ist es in der Amtszeit Jordans auch recht gut gelungen, die negativen Auswirkungen von diversen Krisen (deren Ursachen meist, aber nicht immer, im Ausland lagen) auf die hiesige Volkswirtschaft zu begrenzen.
Schwieriger ist eine Beurteilung der Leistung der SNB in der Krise der Credit Suisse (CS). Gab es wirklich keine bessere Lösung als die Fusion? Mittels der von ihr aus dem Hut gezauberten Kreditfazilität ELA+ gewährte die SNB der untergehenden Bank de facto einen Blankokredit von 100 Milliarden Franken und verstiess damit gegen eine bereits im 19. Jahrhundert vom britischen Ökonomen Walter Bagehot formulierte und in Notenbankkreisen gerne immer wieder zitierte eherne Regel.
Günstige strukturelle Faktoren
Hier ist allerdings daran zu erinnern, dass die SNB bei der Finanzstabilität bloss einer von mehreren Köchen ist und besonders in Krisen bekanntlich der Bundesrat das letzte Wort hat – anders als bei der Geldpolitik, wo das Direktorium die alleinige Verantwortung trägt.
Selbstverständlich darf man – wie dies der unabhängige Ökonom Adriel Jost im Sommer in seiner von finews.ch aufgenommenen Analyse getan hat – die Frage stellen, ob beispielsweise die Tatsache, dass die Schweiz von der jüngsten Inflationswelle unterdurchschnittlich getroffen wurde, weniger als allgemein angenommen der Geldpolitik der SNB zu verdanken ist, sondern strukturellen Faktoren wie der vernünftigen Fiskalpolitik und einem im Vergleich zu anderen Ländern günstigeren Energiemix.
Notenbanker mit Leib und Seele
Bei einer Einschätzung der Ära Jordan muss auch daran erinnert werden, dass die SNB erstens eine Institution mit über viele Jahrzehnte akkumuliertem Erfahrungswissen ist und keine One-Man-Show. Die SNB ist bewusst so aufgebaut, dass der Track Record der Institution nicht zwingend mit demjenigen des Präsidenten übereinstimmen muss.
Zweitens ist der Präsident im Direktorium nur primus inter pares, d.h., eine von drei gleichwertigen Stimmen. Jordan ist indes ein Notenbanker mit Leib und Seele, hat in allen drei Departementen gedient, kennt die Bank und ihre Geschichte in- und auswendig, ist nicht nur ein versierter Geldpolitiker sondern auch ein kundiger Geldtheoretiker. Deshalb hatte er auch im Gremium eine besondere Stellung – daran hätte sich übrigens nicht viel geändert, wenn, wie dies zuweilen vorgeschlagen wird, darin mehr Mitglieder sässen.
Keine Fehler, Institution gefestigt
Doch unabhängig davon, welche Perspektive man einnimmt: Jordans Erfolgsbilanz kann sich sehen lassen. Er hat mit seiner unprätentiösen Art die SNB beharrlich darauf getrimmt, immer und überall die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags ins Zentrum ihres Handeln zu setzen und dies nüchtern und glaubwürdig nach aussen kommuniziert. Und selbst wenn mitunter auch günstige strukturelle Faktoren zum Erfolg beigetragen haben mögen, so ist es doch Jordans unbestrittene Leistung, dass der SNB in seiner langen Amtszeit keine schwerwiegenden geldpolitischen Fehler unterlaufen sind und er seinem Nachfolger eine gefestigte Institution übergibt.
Ein Vermächtnis Jordans ist allerdings auch die in seiner Zeit massiv angeschwollene Notenbankbilanz, die man in Finanzkreisen zuweilen als Elefanten im Raum bezeichnet. Galt bis vor der Finanzkrise die Regel, dass die Bilanzsumme der SNB rund 100 Milliarden Franken beträgt, belief sie sich Mitte 2024 auf 823 Milliarden Franken – ein Spiegel der massiven Devisenkäufe, mit denen die Schweizer Geldpolitik über Jahre die Aufwertung der heimischen Währung zu drosseln versuchten.
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