Die Krypto-Industrie blickt einem sehr schwierigen 2023 entgegen. Längerfristig gibt es aber keinen Grund, weshalb sie nicht erneut von den «Toten» auferstehen sollte, so wie schon in der Vergangenheit.
Skeptiker haben es schon immer geahnt und sehen sich im Fiasko rund um die inzwischen konkursite Kryptobörse FTX jetzt erst recht bestätigt: der ganze Krypto-Boom nur auf Sand gebaut; Bitcoin, Ether und so ziemlich jeder andere Token und Altcoin nichts weiter als ein grosser Betrug, einzig dazu da, spekulationsfreudigen Anlegern und leichtgläubigen Krypto-Enthusiasten hart verdientes Geld aus der Tasche zu ziehen.
Spektakuläre Pleiten, aufsehenerregende Hacks, an Dreistigkeit kaum zu überbietende Betrügereien, milliardenschwere Zusammenbrüche, unverfrorene Skandale und peinliche Beichten – fürwahr, es war ein «annus horribilis», ein Jahr zum Vergessen für die Krypto-Industrie. Eigentlich war 2022 das erste volle Jahr, in dem Krypto-Währungen definitiv im Mainstream angekommen sind, aber rückblickend stellt es sich eher wie ein komplettes Desaster dar.
Kaskadenartiger Zusammenbruch
Über zwei Drittel der Gesamtmarktkapitalisierung von Krypto-Währungen lösten sich im Jahresverlauf in Luft auf. Beginnend mit dem Stablecoin Terra und seinem Schwester-Token Luna im Mai stürzte die Pyramide dieses Jahr ein und löste damit einen Dominoeffekt aus, der den gesamten Krypto-Markt über Branchengrössen wie Celsius Network, Voyager Digital und Three Arrows Capital (3AC) bis letztlich hin zu FTX und BlockFi in den Abgrund riss. Derweil haben Hacker allein im Jahr 2022 schwätzungsweise mehr als 3 Milliarden Dollar erbeutet.
Angst, Unsicherheit und Pessimismus prägen jetzt die Krypto-Welt. Die Misstrauenskrise wird weiter anhalten und breiter abstrahlen. Etliche Anleger haben sich vom Krypto-Währungsmarkt abgewandt. Eine Vertrauensbasis schaut anders aus.
Wiederholt sich die Geschichte?
Und so wiederholen sich die Unkenrufe, wonach der Krypto-Markt am Ende sei. Die Spekulationen hätten sich totgelaufen, zumal auch die beiden wichtigsten Krypto-Währungen Bitcoin und Ether in der Perspektive ihrer Kritiker nur eine Modeerscheinung sind, die keinen Nutzen haben und durch keinen physischen Vermögenswert unterlegt sind.
Zugegeben, mindestens 95 Prozent aller Tokens haben alle Merkmale von Schrott. Nur weil da ein Token auf der Blockchain steht, ist das noch lange kein Garant für Werthaltigkeit oder Zukunft. Viele Blockchain-Projekte werden den Krypto-Winter, der sich über die Branche gelegt hat, auch kaum überleben.
Doch ist die Industrie wirklich ihrem Untergang geweiht? Schon bei den Krypto-Crashs 2014 und 2018 stürzte der Markt um über 80 Prozent ab – und trotzdem ging die Industrie jeweils gestärkt aus diesen Krisen hervor.
Mehrheitliche externe Faktoren
Die kurz- bis mittelfristigen Aussichten für den Krypto-Markt sehen ziemlich düster aus. 2023 dürfte zwar ein womöglich etwas besseres, aber weiterhin äusserst schwieriges Jahr werden. Die langfristige Zukunft erscheint indes immer noch hoffnungsvoll und vielversprechend.
Die meisten Katalysatoren, die den Krypto-Markt seit November 2021 zum Absturz gebracht haben, sind nicht auf die zugrundeliegende Technologie zurückzuführen. Zuzuschreiben war der Crash vor allem externen Faktoren, namentlich der strengeren Geldpolitik der Notenbanken, aber auch betrügerischen Krypto-Akteueren und zweifelhaften Geschäftsmodellen.
Exzesse werden ausgemerzt
So schmerzhaft der Krypto-Winter auch ist, so gesund sind die damit verbundene Flurbereinigung und der Genesungsprozess auf lange Sicht. Schwache Wettbewerber mit offensichtlichen Konstruktionsfehlern werden nun vom Markt bestraft und verdrängt.
Vor allem werden die Exzesse der wilden Spekulationsjahre nun gnadenlos ausgemerzt. Die Phase der Ernüchterung dürfte sich noch eine ganze Weile hinziehen. Dass der Bitcoin alsbald zu seinem Allzeithöchst zurückkehren wird, ist unwahrscheinlich, zumal die Tiefzinsphase, die der Spekulation Vorschub leistete, nun vorüber ist. Auch neue Tiefststände sind im neuen Jahr durchaus möglich.
Das Wesen der Kapitalmärkte
Boom-and-Bust-Zyklen sind letztlich das Wesen aller Kapitalmärkte. Doch Kryptos als umstrittene Anlageklasse scheinen ein weitaus grösseres Medieninteresse auf sich zu ziehen als alle anderen Anlagevehikel. Die gegenwärtige Diskussion fokussiert allerdings viel zu stark auf die Verwerfungen.
Im allgemeinen Lärm geht oft unter, dass in Ermangelung einer weltweit angemessenen Regulierung und aufgrund ihres noch jungen Alters Kryptos wie Bitcoin und Ether beispielsweise noch sehr anfällig auf Verwerfungen sind. Beide haben aber ihre Verwendungszwecke, die über die häufig gehörten Vorwürfe einer reinen Spekulation oder kriminelle Machenschaften hinausgehen.
Bessere Leitplanken
Der Bitcoin etwa wird über das Lightning-Netzwerk immer häufiger als rasche und transaktionsgünstige Geldüberweisungsmethode genutzt, während Ether sich zu einer Währung für das Web3 und Metaverse zu entwicklen scheint. Was es braucht, sind strengere Leitplanken, die in der Krypto-Welt künftig für mehr Rechts- und Investitionssicherheit sorgen.
Gleichzeitig darf man aber nicht der Illusion erliegen, sämtliche Risiken wegregulieren zu können. Eine verhältnismässige Aufsicht soll einzig einen konsistenten und verlässlichen Ordnungsrahmen schaffen. Dabei kann mit einer stärkeren Regulierung das Vertrauen und somit die Akzeptanz der Krypto-Assets steigen. Und wenn weltführende Finanzplayer wie Black Rock und Goldman Sachs weiterhin auf die Blockchain-Wirtschaft setzen, öffnet dies am Ende auch die Tore zu neuen Investorenkreisen.
Innovativ und verheissungsvoll
Gesunde Krypto-Unternehmen fallen jetzt auch nicht in eine Schockstarre, sondern nutzen die sich bietenden Chancen für neue Geschäftsideen. Nicht zuletzt umspannt die Blockchain-Industrie weit mehr als nur die in Ungnade gefallenen Krypto-Währungen.
Der Tokenisierung von digitalen Vermögenswerten etwa wird eine vielversprechende Zukunft bescheinigt. Es tauchen in diesem Feld immer mehr attraktive Anwendungsfälle auf. Die Technologie kann ausserdem zu einem effizienteren, transparenteren und zugänglicheren Wertpapierhandelssystem führen.
Solange die Blockchain-Branche ihren Innovationskurs fortsetzt und eine global klarere Regulierung für ein gesundes Fundament sorgt, gibt es keinen Grund, weshalb die Krypto-Industrie sich nicht abermals aus der Asche erheben wird.
Gerade in einer so dynamischen Branche wie der Blockchain-Industrie entstehen womöglich morgen schon neue Technologien, an die heute noch niemand denkt.