Blockchain: Tech-Revolution ohne Fortschritt
Seit einer gefühlten Ewigkeit sind Kryptowährungen und ihre Technologie in aller Munde. Nach einem erwiesenen Nutzen der Blockchain muss man allerdings noch suchen.
Mehr als 70 Prozent ist der Wert des Bitcoin seit Jahresbeginn zum Dollar gefallen; der Ether hat gar 85 Prozent an Buchwert eingebüsst. Entsprechend hat sich der Hype um die Kryptowährungen deutlich abgeflacht.
Keineswegs verlangsamt hat sich im Gegensatz dazu die Kadenz der Ankündigungen und Versprechen im Zusammenhang mit der Blockchain. Für Finanzinstitute jeder Grösse scheint die Technologie mindestens ein ideales Marketinginstrument zu sein.
Dabei machen in der Schweiz auch Politik und Behörden fleissig mit. Man sucht nach Wegen, wie bestehende Gesetze auch auf die Blockchain-Welt angewandt werden können; erste Krypto-Anbieter haben eine Lizenz von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) erhalten.
Tal der Enttäuschung
Was schnell vergessen geht, ist, dass die Technologie bisher keinen wirklichen Fortschritt in die Welt gebracht hat. Es ist das blosse Versprechen einer Revolution, welches die Tech-Apostel und ihr Jünger befeuert.
Das gilt für die Finanzindustrie ebenso, wie für andere Sektoren. In einer Studie von Entwicklungshilfeprojekten, welche sich auf die Blockchain stützen wollten, konnte kein einziges einen Erfolg vorweisen. Blogger sprechen schon davon, dass der Hype bald ins «Tal der Enttäuschung» abstürzen könnte.
Vom Goldrush profitierte Levi Strauss
Das soll nicht heissen, dass der wirtschaftliche Erfolg ausbleibt. Bei den Goldräuschen im 19. Jahrhundert waren es auch nicht die hoffnungsvollen Massen, die reich wurden. Stattdessen machten die Eigentümer grösserer Minen-Unternehmen die grössten Gewinne, zusammen mit den Zulieferern. Ein bis heute bekanntes Beispiel ist Levi Strauss, dessen Jeans damals die Arbeitskleidung der Goldgräber waren.
In einer ähnlichen Position befinden sich heute die Banken, die ihre Konten auch für Kryptofirmen öffnen. Technologisch haben sie noch keinen bahnbrechenden Fortschritt erzielt, und ihre Kunden müssen ebenfalls erst noch beweisen, dass sie mehr fabrizieren können als Whitepaper.
Warum halten sich die grossen Namen Abseits?
Dasselbe gilt für die Organisatoren von lukrativen Konferenzen, für die Anwaltskanzleien, die mit dem Stiftungsrecht helfen, für die Berater und die Hedgefonds, die auf das Thema aufspringen. Sie alle mögen Geld verdienen – welchen Fortschritt sie damit erzielen, der die Gesellschaft weiter bringt als eine gut verschlüsselte Datenbank, müssen sie noch zeigen.
Selbst beim Geldverdienen können leise Zweifel aufkommen. Es kann kein Zufall sein, dass sich ausschliesslich kleine bis winzige Banken dem Thema gegenüber offen zeigen. Wäre mit den Blockchain-Dienstleistungen riesige Summen zu verdienen, hätten sich auch die grossen Namen der Branche längst darauf gestürzt.
Stattdessen sind in der Schweiz schon mehrere Kinder des Blockchain-Booms auf der Strecke geblieben. Und dies betrifft nicht nur den volatilen Bereich der Erstausgaben von Token und Coins, die so genannten ICO, wo etwa die Liquidierung des 100-Millionen-Startups Envion dieses Jahr für Schlagzeilen sorgte.
Vermeintlich solide
Auch vermeintlich «solide» Experimente von etablierten Playern mit der Blockchain-Technologie verliefen teils im Nichts. So geschehen mit einem Nebenwerte-Experiment, an dem sich die Zürcher Kantonalbank beteiligte und das Förderungsgelder vom Staat erhalten hatte.
Oder auch der Kryptobond der UBS, dessen Technologie dem Vernehmen nach am Ende verschenkt wurde. Vergangenen Herbst brachte die Grossbank auch ihre Handelsfinanzierungs-Initiative Batavia in das grössere We.trade-Konsortium ein. Was wohl auch so zu verstehen ist, dass das Institut sich damit bessere Erfolgschancen verspricht.
Ein paar wenige Erfolge
Demgegenüber müssen aktuelle Schweizer Finanz-Blockchain-Initiativen erst noch beweisen, dass die in sie gesteckten Hoffnungen gerechtfertigt sind.
In aller Stille kommen diverse Initiativen im Versicherungsbereich offenbar gut voran, etwa das im Zürcher Blockchain-Hub Trust Square beheimatete Startup B3i, hinter dem mehr als 20 Assekuranzfirmen stehen, darunter die Zurich und die Swiss Re. Derweil arbeitet der Allversicherer Axa mit der IT-Firma Adnovum am Projekt Car Dossier, in dessen Rahmen Fahrzeugdaten auf die Blockchain gespeichert werden.
Digitale Börse noch wenig konkret
Deutlich weniger konkret sind die Schweizer Blockchain-Projekte mit Bezug zu Wertschriften und zum Banking. Bis im April 2019 will die Swisscom-Tochter Daura eine Krypto-Aktie samt funktionierendem Ökosystem an den Start bringen; bis dahin gebe es noch viel zu tun, sagte Daura-Chef Peter Schnürer unlängst gegenüber finews.ch.
Das Blockchain-Projekt der Schweizer Börse, die SIX Digital Exchange, steht mit den Arbeiten derweil noch ganz am Anfang. Ohne bekannte Fahrpläne sind schliesslich die diversen Blockchain-Pilotversuche der Grossbanken UBS und Credit Suisse: Etwa im Bereich der Handelsfinanzierungen, der Konsortialkredite oder mit einer digitalen Einheitswährung, der so genannten Utility Coin.
In den nächsten Monaten wird sich nun weisen, ob die Euphorie rund um die Technologie gerechtfertigt ist – oder ob die Schweizer Finanzindustrie nicht doch eher ins Tal der Enttäuschung abrutscht.