Tim Haywood war der Star unter den GAM-Fondsmanagern. Seine unvermittelte Suspendierung gibt nach wie vor Rätsel auf. Wer ist der Mann, der das Schweizer Fondshaus in eine existenzielle Krise stürzte?
Die Absolute-Return-Bond-Fonds (ARBF) von Tim Haywood waren die zugkräftigsten Vehikel des Schweizer Hedgefonds-Anbieters GAM – bis zu ihrer Liquidierung. GAM sah sich zu diesem Schritt gezwungen, nachdem die Suspendierung Haywoods vom vergangenen Juli die ARBF-Kunden veranlasste, ihre Gelder abzuziehen.
Ihren fallen gelassenen Star hatte GAM im Jahresbericht von 2016 noch gross heraus gebracht und ihn sowie sein Team für den stabilen Leistungsausweis der letzten Jahre gelobt.
Haywood schweigt bis jetzt
Heute tut sich GAM schwer damit, die Suspendierung ihres langjährigen Investment Managers schlüssig zu begründen. Haywood selber schweigt. Von finews.ch kontaktiert, wollte er sich nicht äussern.
Die Geschichten von Haywood und GAM sind eng miteinander verknüpft. Der Brite stiess vor rund 20 Jahren zu Julius Bär. Die damals noch im Asset Management engagierte Privatbank wollte ihren vermögenden Kunden innovative Produkte anbieten – Haywood konnte den Wunsch mit seinen Absolute-Return-Fonds erfüllen.
Ein Asset Manager namens Augustus
Das änderte sich im Jahr 2005, als Julius Bär von der Grossbank UBS in einem Zug die britische Hedgefonds-Boutique GAM sowie drei Privatbanken kaufte. Die damit verbundene Neuausrichtung im Asset Management von Julius Bär passte nicht mehr zu Haywoods Strategien.
Im Jahr 2007 kauften er und Edward Dove die von ihm gemanagten Fonds aus und gründeten ihre eigene Asset-Management-Boutique. Sie nannten sie Augustus, wie den ersten römischen Kaiser.
Eine fruchtbare Beziehung
Julius Bär blieb mit 10 Prozent an Augustus beteiligt. Auch sonst sei die Partnerschaft «sehr fruchtbar» gewesen, erinnert sich ein früherer Manager der Privatbank. Allerdings war das Timing für den Buyout schlecht gewesen. Im Herbst 2008 kollabierte die US-Investmentbank Lehman Brothers, löste die globale Finanzkrise aus – und trieb Haywood und Augustus zurück in die Arme von Julius Bär.
Für Haywood brachen goldene Zeiten an. Zwar war Augustus in GAM aufgegangen, doch der Asset Manager verfolgte nach dem 2009 erfolgten Spinoff von Julius Bär eine Boutiquen-Strategie. Haywood und sein ARBF-Team genossen innerhalb von GAM viel Autonomie.
Hohe Performance-Gebühren
Das Kompensationssystem von GAM war darauf ausgerichtet, dass Haywood am zunehmenden Wachstum seiner Fonds und an der Performance direkt mitverdiente. Im Jahr 2017 beispielsweise steuerten Haywood und sein Team von 18 Investment-Spezialisten rund ein Viertel zu den über 44 Millionen Franken Performance-Gebühren bei, welche GAM einstrich.
Ein früherer GAM-Kollege sagte zu finews.ch, Haywood sei seinen Dokumentationspflichten nicht gerade beispielhaft nachgekommen, «aber ein unlenkbarer Chaot war er sicher nicht».
Erfolgreich und frei von Dünkel
Im Gegensatz zu anderen Star-Fondsmanagern blieb Haywood frei von Dünkel und machte sich einen Namen als Zinsexperte, der eloquent und konzis seine Meinungen vertreten konnte.
Zuletzt tat er dies im vergangenen Februar in einem TV-Interview mit der Nachrichtenagentur «Bloomberg», als er in der Diskussion über die steigenden US-Zinsen in seinem Element zu sein schien.
Geschäftlich lief es seiner ARBF-Boutique ab 2014 weniger gut – auch Haywood hatte unter Geldabflüssen zu leiden. Erst vor einem Jahr gelang die Trendumkehr.
Riet den Kunden zum Ausstieg aus Anleihen
Es war ebenfalls im vergangenen Februar, als Haywood seinen Kunden den bemerkenswerten Ratschlag gab, die überhitzten Anleihenmärkte zu meiden und Aktien vorzuziehen. «Ich bin wohl einer der wenigen Fondsmanager der Welt, der zu anderen Käufen rät, als einfach immer nur Optimismus für die Asset-Klasse zur Schau zu tragen, die ich repräsentiere», so Haywood.
Was zwischen Februar und dem Tag seiner Suspendierung, der vergangene 31. Juli, geschehen ist, bleibt unklar. Die Nachrichtenagentur «Bloomberg» berichtete kürzlich, im letzten Juni seien bis zu drei Viertel aller Kundengelder aus einem sogenannten Feeder Fonds für Haywoods ARBF abgeflossen. GAM sagte lediglich, dies sei nach einem «business as usual»-Treffen mit einem Berater geschehen. Dieser hatte seine australischen Kunden angewiesen, die Gelder abzuziehen.
Zufall: Neue Compliance-Chefin
Im Juni trat zudem Natalie Baylis ihren Job als Compliance-Chefin bei GAM an. Baylis war lange für die britische Regulierungs- und Aufsichtsbehörde Financial Conduct Authority (FCA) tätig gewesen. Die FCA ist auch jene Behörde, welche Haywoods und ARBF beaufsichtigt. Doch GAM verneint einen Zusammenhang zwischen Baylis Antritt und der Suspendierung Haywoods.
Die Affäre um ihren einstigen Star hat den ohnehin angeschlagenen Asset Manager weitere Glaubwürdigkeit gekostet. GAM hat sich einen Reputationsschaden eingehandelt, dessen Folgen noch nicht absehbar sind.
CEO Alex Friedman wird von GAM-Investoren in Frage gestellt. Der Aktienkurs von GAM ist in gefährliche Tiefen gesunken. GAM bleibt weiterhin dabei, dass Haywoods Aufrichtigkeit nicht in Frage gestellt sei, dass die internen Untersuchungen keine Interessenkonflikte aufgedeckt hätten und keine Kunden zu Schaden gekommen seien. Transparenz hat GAM in den Fall Haywood noch nicht gebracht.