Relativ sichere Versorgungslage der USA

Grösster Erdölverbraucher der Welt sind die USA mit fast 20 Millionen Barrel pro Tag – dies entspricht fast einem Viertel des Welt-Erdölverbrauchs. Das mag auf den ersten Blick zu denken geben.

Allerdings produzieren die USA knapp 44 Prozent ihres Ölbedarfs noch selbst und importieren einen grossen Teil des restlichen Bedarfs von den verlässlichen Nachbarn Kanada und Mexiko sowie dem alten Verbündeten Saudi Arabien. Viertwichtigster Lieferant von Öl für die USA ist Venezuela, trotz aller Rhetorik seines Präsidenten Chavez.

Was schon die Römer wussten

Hier gilt offenbar, was schon die römischen Kaiser wussten: Geld stinkt nicht. Insgesamt besteht in den USA ein breiter Konsens, dass die Abhängigkeit des Landes von Ölimporten, und speziell von solchen aus dem Nahen Osten, zu reduzieren sei. Die Meinungen über den Weg dahin gehen weit auseinander.

Konservative Kreise wollen die eigenen Reserven weiterentwickeln, namentlich solche offshore, in Alaska und beim Erdgas aus Ölschiefer-Vorkommen, die bislang noch kaum erschlossen sind. Im politischen Spektrum weiter links setzt man auf einen ökologischen Umbau der USA, der so weit wie möglich weg von fossilen Energieträgern führen soll. Bis dahin ist es aber noch ein sehr weiter Weg.

Chinas wachsender Energiehunger – die eigentliche Herausforderung

Zum zweitgrössten Erdölverbraucher der Welt ist China aufgestiegen, produziert aber zurzeit noch fast die Hälfte seines Bedarfs selbst. Chinas Reserven sind mit etwa 16 Milliarden Barrel jedoch vergleichsweise bescheiden, eine massive Steigerung seiner Ölnachfrage absehbar.

Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet mit einer Vervierfachung der chinesischen Ölimporte bis 2030. Folgerichtig hofiert die chinesische Aussenpolitik alle Erdölproduzenten, namentlich auch jene, die bei den alten Industrieländern aus Gründen der Ideologie, der Menschenrechte oder innerer Unruhen gemieden werden – etwa den Sudan und kleinere Staaten Westafrikas. Aber auch mit den grossen Ölexporteuren Afrikas ist China ins Geschäft gekommen, und zwar 2004 mit Angola und 2006 mit Nigeria.

Nicht vor der Haustür Chinas

Amerikaner, Europäer und Japan zeigen sich vom Vordringen Chinas und namentlich seiner Strategie exklusiver, langfristiger Verträge irritiert. In jedem Fall entlastet Chinas Engagement in den Risikoländern Afrikas, in die sich westliche Ölgesellschaften mit Investitionen nicht trauen, den Weltmarkt von einigem Nachfragedruck.

Die grössten potenziellen Reserven liegen jedoch direkt vor der «Haustür» Chinas. In den Gewässern der Spratly-Inseln, einer Ansammlung von bis zu 100 Atollen im südchinesischen Meer, befinden sich Erdöl-Reserven von bis zu 300 Milliarden Barrel. Die Kontrolle über das Gebiet ist jedoch umstritten. China, Vietnam und Taiwan reklamieren volle Souveränität über das Gebiet, andere Anrainerstaaten wie Brunei, die Philippinen und Malaysia nur über einen Teil davon. Die Konfrontation ist vorprogrammiert, sollte es an die Erschliessung dieser Ressourcen gehen. China investiert folgerichtig viel Geld in den Aufbau einer Kriegsmarine.

Europa und Japan – vom Weltmarkt abhängig

Stärker als die USA sind die Europäer und Japan von einem funktionierenden Weltmarkt für Öl abhängig. Die Europäische Union verbraucht etwa 14,5 Millionen Barrel Erdöl pro Tag und produziert noch nicht einmal ein Fünftel davon selbst. Norwegen, dessen Bevölkerung wegen Öl- und Fischereiinteressen zweimal den Beitritt zur EU in Referenden abgelehnt hat, ist der sechstgrösste Ölexporteur der Welt und ein verlässlicher und naher Lieferant der EU-Länder. Gänzlich vom Import seines Öls abhängig ist Japan.

Volatilität als Folge der Politik

Seit dem Beginn der 1970er-Jahre hat der Ölpreis massiv geschwankt, mit grossen Ausschlägen nach oben und nach unten. Inflationsbereinigt erreichte der Ölpreis 1998 sogar einen historischen Tiefstand. Die Abhängigkeit des Ölpreises von Weltpolitik und Weltkonjunktur ist evident. Im Nahostkrieg vom Herbst 1973 griff die arabische Welt zur so genannten Erdöl-Waffe; man drosselte massiv die Produktion und verursachte damit einen rasanten Preisauftrieb von unter 3 Dollar pro Barrel nominal auf über 12 Dollar.

Der zweite Ölpreis-Schock 1979/1980, eine Folge der Revolution im Iran und des iranisch-irakischen Krieges, brachte die Kosten für ein Barrel Erdöl dann auf über 35 Dollar (nominal), was inflationsbereinigt etwa jenem Ölpreis entspricht, der Anfang 2009 gezahlt wurde.

Der nachfolgende Einbruch der Weltwirtschaft mit dem Einbruch des Ölpreises auf unter 15 Dollar (nominal) schadete dann aber auch den Erdölexporteuren. Die Invasion Kuwaits durch den Irak 1990 brachte nur noch einen mässigen Preisauftrieb. Die Asienkrisen von 1997/98 schliesslich liessen den Ölpreis auf unter 12 Dollar (nominal) abstürzen.

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Der Preis des Öls ist also volatil, und gerade diese Volatilität hat wiederum ihren Preis, weil sie Investitionen in die Erdöl-Infrastruktur – von der Exploration und Förderung bis hin zur Verteilung über Pipelines und Tanker – teuer und riskant macht.

In den Jahren 2008/09 sind die Investitionen in Erdöl-Infrastruktur massiv gesunken, und zwar um fast 20 Prozent. Nicht nur der Ausblick angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise war unsicher, auch der Zugang zu Kapital wurde schwierig und teuer. Gemäss Modellrechnungen der IEA ist als Konsequenz mit sehr rasch steigenden Ölpreisen zu rechnen, wenn die Weltwirtschaft wieder Fahrt aufnimmt.

Kein Schutz vor Preisauftrieb

Zurzeit läuft die Erdölproduktion weltweit etwa 6 Prozent unter Kapazität. Schutz vor einem rasanten Preisauftrieb beim Erdöl bietet dies aber nicht. Die Produzenten, namentlich der OPEC, werden zunächst einmal ihre Einkünfte über wachsende Preise statt steigende Lieferungen steigern wollen. Langfristig werden auch die Spar- und Substitutionsübungen in den klassischen Industrieländern nicht derart rasch wirken, wie die Nachfrage in den schnell wachsenden Schwellenländern steigen wird.

Rund 90 Prozent des Wachstums in der Primärenergie-Nachfrage wird nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur von Nicht-OECD-Ländern kommen, über 50 Prozent davon aus China und Indien. Der aktuelle Anstieg von Mergers&Acquisitions im Erdölsektor ist Indiz des kommenden Energie-Booms.

Höhere Ölpreise werden die Energieversorgung strukturell verändern. Neue, bislang zu teure Technologie kann für die Neuerschliessung längst aufgegebener Ölvorkommen eingesetzt werden. Auch die Verarbeitung unkonventioneller Vorkommen, also Schweröl-Ablagerungen, Teersande und Ölschiefer-Vorkommen, wird bei höherem Preisniveau zunehmend interessant. Ein Grossteil dieser Vorkommen befindet sich auf dem nordamerikanischen Kontinent.