Fragile Kleinstaaten
Kuwait und die Emirate am Golf – reiche, ambitionierte, aber in mancher Hinsicht fragile Kleinstaaten – prosperieren hinter der Firewall amerikanischer Militärpräsenz. Ohne Öl und die schützende Hand der USA hätten sie im volatilen Umfeld des Nahen Ostens einen schweren Stand.
Kuwait hat dies 1990 mit der Invasion durch den Irak erleben müssen. Gerade haben die USA am Golf eine Raketenabwehr installiert, die den Emiraten Schutz vor der iranischen Bedrohung geben soll.
Der Iran ist der zweitwichtigste Produzent der Region und liegt im Streit mit der internationalen Gemeinschaft über sein Atomprogramm. Sollte der Iran seine Hinhaltetaktik fortsetzen, um Zeit für das eigene Atomprogramm zu gewinnen, wird ein «chirurgischer» Militärschlag gegen die Nuklearinstallationen Irans zunehmend wahrscheinlich.
Für diesen Fall hat der Iran bereits Gegenmassnahmen wie die Schliessung der Strasse von Hormus angekündigt, durch die etwa 90 Prozent der Ölexporte der Golfanrainer-Staaten verschifft werden. Ob es dazu wirklich käme, ist allerdings fraglich.
Chinesisches Veto
Erstens wird an den militärischen Fähigkeiten des Irans gezweifelt, eine Blockade auch durchzusetzen. Zweitens würde sich der Iran ins eigene Bein schiessen, weil mit einer Blockade auch seine eigene, wichtigste Devisenquelle versiegen müsste. Dies würde das Regime Achmadinejads, das auf pekuniäre Zufriedenstellung seiner Klientel angewiesen ist, an seiner empfindlichsten Stelle treffen. Der Konflikt mit dem Westen hat für China wiederum die Gelegenheit für Ölgeschäfte mit dem Iran eröffnet.
Gezahlt wird auch in politischer «Währung»: Bislang verhindert das Sicherheitsrats-Mitglied China mit seinem Veto griffige UNO-Sanktionen gegen den Iran.
Schwierige Verhältnisse im Irak
Der Irak war vor 1980 einer der führenden Erdölexporteure, fiel dann aber durch drei Golfkriege und die UNO-Sanktionen weit zurück. Dank Stabilisierung der Situation konnte der Irak jetzt zu den zehn wichtigsten Erdöl exportierenden Ländern wieder aufschliessen. Allerdings liegt die Erdölförderung des Landes noch immer bei bloss etwa 50 Prozent des Niveaus von 1980. Das Potenzial bei einer Stabilisierung des Landes wäre also enorm.
Die vom geologischen Dienst der US-Regierung (USGS) und der Internationalen Energieagentur (IEA) ausgewiesenen Reserven von etwa 115 Milliarden Barrel sind eine sehr konservative Schätzung, die auf zumeist 30 Jahre alten geologischen Daten beruht.
Unter den westlichen und südlichen Wüsten des Landes werden weitere 45 bis 100 Milliarden Barrel an Reserven vermutet. Sollten sich diese Schätzungen bestätigen, wäre der Irak hinter Saudi Arabien das Land mit den zweitgrössten Rohölreserven der Welt. Das Interesse ausländischer Ölgesellschaften am Irak wächst.
Auktion war ein Fehlschlag
Die Auktion von Lizenzen zur Ölförderung im Juni 2009 war angesichts der schlechten Sicherheitslage ein Fehlschlag; nur BP PLC und sein Partner China National Petroleum Corp. (CNPC) erwarben Rechte. Eine weitere Auktion im Dezember 2009 verlief schliesslich besser. Die malaysische Petronas, Sonangol aus Angola und die russische Lukoil konnten sich mit ihren Angeboten durchsetzen; US-Konzerne gingen an diesem Anlass leer aus.
Hätte der Golfkrieg von 2003 also der Sicherung amerikanischen Zugriffs auf die Ölreserven des Irak dienen sollen, so wäre er auch in dieser Hinsicht ein Fehlschlag gewesen.
Russlands Ölmacht-Ambitionen und ihre Grenzen
Zum zweitwichtigsten Player im Ölgeschäft ist in den letzten Jahren Russland aufgestiegen. Zwar liegt Russland bei der Förderung von Erdöl mit etwa 10 Millionen Barrel pro Tag ganz vorne, aber nur knapp 7 Millionen Barrel pro Tag werden exportiert. Der Rest wird selbst benötigt, und dieser Eigenbedarf wächst weiter.
Bei den Reserven rangiert Russland nur auf Platz 8 hinter den Emiraten vom Golf; allerdings dürfte das riesige Land ähnlich wie der Irak sehr grosse Vorkommen besitzen, die mit der bislang üblichen Technologie noch nicht entdeckt worden sind, mit fortschrittlichen Technologien dann aber wohl ins Visier geraten werden.
Russlands Transportproblem
Interessant in dieser Hinsicht ist die Arktis, deren Ölvorkommen mit fortschreitender globaler Erwärmung zunehmend leichter erschliessbar werden. Russland hat seine Flagge bereits im nordpolaren Meeresgrund mit einem U-Boot eingepflanzt.
Das grösste Problem Russlands ist der Transport von Öl und Gas zu den Endverbrauchern. Wie ein Riegel liegen die Staaten des vormaligen Sowjetblocks zwischen Russland und seinen europäischen Kunden. Diese Länder wollen ihren Teil des Geschäfts und wurden mit günstigen Gas- und Erdöllieferungen bislang bei Laune gehalten.
Entlastung für Russland
Zunehmend fordert Russland jedoch Marktpreise, was Widerstand erzeugt hat. Der Konflikt mit der Ukraine eskalierte im Winter 2008/09 bis zum Unterbruch der Erdgaslieferungen.
Entlastung für Russland soll die Ostsee-Pipeline «Nord Stream» bringen, die das Territorium der ungeliebten Nachbarn Ukraine und Polen im Norden auf dem Weg durch die Ostsee umgeht und jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Gas transportieren wird. Beim Ölexport in Richtung Westen verlässt sich Russland zunehmend auf den Schiffsweg durch die Ostsee.
Natürliche Kunden
Zwei «natürliche» Kunden russischen Erdöls wären China und Japan im Osten. Notwendig wären dazu allerdings Pipelines an die russischen Pazifikhäfen bzw. direkt nach China. Nach 14-jährigen Verhandlungen begann im Frühjahr 2009 der Bau einer 4’000 km langen Pipeline, die den Hafen Nachodka am Japanischen Meer mit den west-sibirischen Ölfeldern verbinden soll.
Eine Abzweigung soll ins chinesische Daqing führen. Finanziert wird das Projekt durch einen chinesischen Kredit von 25 Milliarden Dollar; im Gegenzug verpflichtet sich Russland zu festen Öllieferungen bis 2030. Die Haupt-Pipeline wird komplett über russisches Gebiet verlaufen, eine Abkürzung über chinesisches Territorium wird bewusst vermieden. Vertrauen ehrt, Kontrolle ist besser.
Aufstrebende Ölstaaten am Kaspischen Meer
Russland kontrollierte bis anhin die Ölexporte der kaspischen Region, eine Folge der kommunistischen Vergangenheit. Aserbeidschan musste fast ausschliesslich über russische Pipelines exportieren. Die gegen russischen Widerstand 2005 fertiggestellte Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline transportiert das kaspische Öl nun unter Umgehung Russlands über georgisches Staatsgebiet an die türkische Mittelmeerküste. In einer ähnlichen Lage wie bislang Aserbeidschan befinden sich die zentralasiatischen Staaten, voran der grösste Produzent der Region, Kasachstan.
Das Land exportiert etwa 1,3 Millionen Barrel Öl pro Tag und verfügt nach ausländischen Schätzungen über Reserven von etwa 30 Milliarden Barrel Öl. Problematisch ist der Transport auf die Weltmärkte. Bislang war man dabei auf Russland angewiesen. Pläne für einen unterseeischen Anschluss an die Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline durch das Kaspische Meer liegen vor. Eine 3’000 km lange Pipeline-Verbindung mit China wurde im Sommer 2009 in Betrieb genommen.