Für Schweizer Banken ist der Iran eine absolute No-Go-Zone. Doch mit dem Nuklearabkommen könnte sich das in wenigen Monaten ändern, wie Recherchen von finews.ch zeigen. Ein Zürcher Top-Banker reiste bereits nach Teheran.
«Es reicht, Miranda zu heissen, um im Banking in Schwierigkeiten zu geraten.» So scherzte ein Nahost-Experte jüngst an einer Veranstaltung in der Zürcher City. Die Pointe: Die Compliance-Systeme schlagen sofort Alarm, weil der Name das Wort «Iran» enthält.
Der ganze Saal, gut gefüllt mit Anwälten, Risiko-Managern und Bankern, lachte herzhaft.
Als Financier des Terrors gebrandmarkt
Dabei ist das Thema Iran für die Finanzbranche nicht zum Lachen. Die französische Bank BNP Paribas zahlte wegen des Bruchs von US-Sanktionen gegen den Gottesstaat eine Rekordstrafe von 9 Milliarden Dollar. Die Schweizer Grossbank Credit Suisse (CS) wurde in den USA als Financier des Terrors dargestellt und auf Grund ihrer mutmasslichen Iran-Geschäfte mit 536 Millionen Dollar gebüsst.
Der Iran, müsste man meinen, sei daher auch für das Swiss Banking eine absolute No-Go-Zone.
Oder etwa doch nicht? Am Anlass in Zürich stand überraschend eine Frage im Zentrum: Wie es Schweizer Anbietern gelingen könnte, das Finanz-Niemandsland Iran zu erschliessen. Dass die Fragestellung unter den Nägeln brennt, zeigt auch die Analyse eines Zürcher Top-Finanzexperten, der kürzlich höchstpersönlich nach Teheran reiste, um sich ein Bild von den Chancen zu machen.
Wittmann in Teheran
Dabei handelt es sich um niemand anderen als Beat Wittmann (Bild oben), der bei der UBS, CS und der Privatbank Julius Bär Karriere machte, als CEO die Finanzboutique TCMG Asset Management im Raffeisen-Verbund führte und nun mit seiner eigenen Beratungsfirma Porta Advisors unterwegs ist.
«Der Iran – aus der Kälte zurück», titelt Wittmann in seinem Reisebericht, der finews.ch vorliegt. Er habe in Teheran eine ausgewählte Gruppe an Technokraten und Wirtschaftsvertretern getroffen, berichtet Wittmann. Und schliesst aus seinen Erfahrungen, dass die Trends und Chancen im 78-Millionen-Einwohner-Staat «einzigartig» seien und über Jahre hinweg Bestand haben könnten.
Pulverfass mit Anziehungskraft
Noch mehr: Der Iran sei die grösste und attraktivste Investitions-Gelegenheit im gesamten Schwellenland-Universum.
Der Iran, von der Top-Platzierung auf der US-Liste der Schurkenstaaten zum «next big thing» in Sachen Schwellenland-Chancen? Da reibt sich einer die Augen. Insbesondere, seit sich die ganze Nahost-Region angesichts der Lage in Syrien mehr und mehr in ein Pulverfass verwandelt hat.
Das plötzliche Interesse der hiesigen Fianzbranche am Gottesstaat kommt indes nicht von ungefähr. Denn zwischen diesem und dem Westen, der den Iran in den vergangenen Jahren vielfach mit Sanktionen belegt hatte, bahnt sich ein Tauwetter an.
Tauwetter im Jahr 2016
Grund dafür ist das im letzten Juli in Gang gesetzte Nuklearabkommen «Joint Comprehensive Plan of Action» (JCPOA) zwischen dem Iran einerseits und den USA, der EU, Russland und China auf der anderen Seite. Demnach unterzieht Teheran sein Atomprogramm einer Kontrolle für die nächsten zehn Jahre. Sobald die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) überprüft hat, dass die Regierung in Teheran sich auch an die Vorgaben hält, könnten erste Auslandssanktionen gelüftet werden.
Die meisten Beobachter erwarten, dass dies bereits Mitte 2016 der Fall sein könnte. Von da an, so die Hoffnung, könnte sich die No-Go-Zone zum wirtschaftlichen Sesam-öffne-dich verwandeln.
Über 5 Prozent Wachstum
Im Iran liegen 4 Prozent der weltweiten Mineral-Ressourcen, die zweitgrössten Gas- und die viertgrössten Ölreserven der Welt. Nächstes Jahr werden bis zu 5,5 Prozent Wirtschaftswachstum für das Land erwartet. Und aus Sicht der Schweizer Banken wichtig: Es gibt Reichtum im Land, auch wenn dieser mit Problemen behaftet ist.
Einer, der die hiesigen Banken dennoch dringlich zur Zurückhaltung mahnt, ist Jonathan Friedman (Bild unten). Er ist Iran-Experte bei der amerikanischen Ermittlungs- und Forensik-Spezialistin Stroz Friedberg, die auch in Zürich ein Büro unterhält.
«Selbst nach einer Umsetzung des JCPOA-Abkommens bleiben diverse iranische Organisationen von Wirtschaftssanktionen betroffen», so Friedman gegenüber finews.ch.
Furcht vor den Republikanischen Garden
Dazu gehören laut dem Experten insbesondere die Republikanischen Garden, eine paramilitärische Organisation, die bis zu einem Viertel der iranischen Volkswirtschaft kontrolliert. «Schweizer Banken müssten sehr umfangreiche Due-Diligence-Prüfungen durchführen, um einen Kontakt mit sanktionierten Parteien auszuschliessen», sagt der Ermittlungs-Experte. Das würde wiederum die operativen Kosten nach oben treiben.
Laut Friedman ist die Problematik der Sanktionen dabei «nur die Spitze des Eisbergs.» Der Bankensektor im Land der Mullahs ist staatlich dominiert, wenig transparent und hinkt internationalen Finanzstandards weit hinterher, so sein Befund. Als Korrespondenz-Partner dürften iranische Banken Schweizer Institute damit vor einige Herausforderungen stellen. Asset Manager hingen werden im Iran nur einen spärlich gedeckten Tisch vorfinden: Die iranische Regierung sieht jeglichen Kapitalabfluss ungern.
Amerikanische Argusaugen
Ebenso werden die Reputationsrisiken hoch bleiben, ist Friedman überzeugt. Insbesondere amerikanische Interessensvertreter beobachten das Vorgehen europäischer Firmen im Iran äusserst argwöhnisch.
Friedman weiss, wovon er spricht. Die Firma Stroz Friedberg haben Ex-FBI-Agenten gegründet, und diese Leute unterhalten beste Kontakte zur US-Politik. Friedman sieht dort keinen echten Willen, das Nuklearabkommen zur Normalisierung der Beziehungen zum Iran zu nutzen.
Mit Folgen für am Iran-Geschäft interessierte Banken. «Die Sanktionen der USA gegenüber dem Iran werden bis auf Weiteres bestehen bleiben», so Friedman. Das bedeutet, dass Schweizer Finanzdienstleister auch ihre Tochterfirmen, Geschäftspartner und Angestellten in den USA komplett von eventuellen Geschäften mit dem Iran abschirmen müssten.
Vom Dollar-Raum abschirmen
Zudem müssen die Geschäfte unabhängig vom US-Finanzsystem abgewickelt werden, so Friedberg. «Das ist angesichts der Verbreitung der Weltwährung Dollar kein einfaches Unterfangen», folgert er.
Auch Top-Banker Wittmann gibt zu, dass die politische Lage das grösste Risiko bei allfälligen Iran-Investitionen sei. Seine Erlebnisse in Teheran stimmen ihn trotzdem hoffnungsvoll. «Als Privatperson muss man überall bar bezahlen. Und Firmen haben umittelbare und strategische Fianzierungsbedürfnisse, was auf einen Bedarf an Investmentbanking und Asset-Management-Diensten schliessen lässt.»