Der Clinch mit ausländischen Behörden kostet das Swiss Banking Milliarden. Doch der Steuerstreit kennt nicht nur Verlierer: In der diskreten Ermittlerbranche hat er einen Boom ausgelöst. Und schon rüsten die Forensik-Profis für die nächste Bedrohung, wie Recherchen von finews.ch zeigen.

Letzten Donnerstag war die Reihe an der Valiant. Gegen umfangreiche Datenlieferungen und Zahlung einer Busse von 3,3 Millionen Franken setzte die Regionalbank mit Hauptsitz in Bern einen Schlussstrich unter den Steuerstreit mit den USA.

Valiant ist die 34. der so genannten Kategorie-2-Banken im US-Programm zur Beilegung des Steuerstreits, der dies gelingt. Mit der Valiant-Busse steigt die Summe der von Schweizer Banken allein an die USA geleisteten Strafzahlungen auf weit über 4 Milliarden Franken.

Während die Bank-Oberen bei der Valiant durchatmen dürfen, kann es das Swiss Banking noch lange nicht. Zu den hängigen Verfahren im Steuerstreit kommen anhaltende Ermittlungen wegen der Manipulation von Zinsen und Devisenkursen. Und wie sich dieser Tage zeigte, drohen den Schweizer Banken zunehmend Sammelklagen von Grossinvestoren. 

Weitere Millionen-Zahlungen scheinen damit vorprogrammiert.

Eine Bonanza sondergleichen

Was für die Schweizer Banken ein nicht enden wollender Aderlass bedeutet, ist für andere eine Bonanza sondergleichen. Für die Ermittler- und Forensik-Branche nämlich bedeutet die Aufarbeitung der vertrackten Finanzaffären und die Abwehr neuerlicher Risiken Arbeit zuhauf.

Und wie sich zeigt, werden den diskret im Hintergrund arbeitenden Spezialisten die Aufträge so rasch nicht ausgehen.

Entsprechend hat die Aufrüstung in der verschwiegenen Branche begonnen. Während Banken wie Wegelin oder die Bank Frey unter dem Eindruck drohender US-Klagen aufgeben mussten, lockt das Tauziehen mit fremden Behörden gar ausländische Spezialisten ins Land.

Ausländische Player fassen Fuss

So ging Anfang Jahr die von ehemaligen FBI-Ermittlern in den USA gegründete und global agierende Stroz Friedberg in der Schweiz vor Ort. Von Zürich aus bietet sie seither das ganze Spektrum von Dienstleistungen im Bereich Investigationen, Risiko-Aufklärung und -Management an.

Letzten Sommer eröffnete K2 in Genf ein neues Büro: Hinter der Firma steht mit Jules Kroll eines der Urgesteine der weltweiten Ermittler-Branche. Auch K2 will von der Rhonestadt eine ganze Palette von Diensten anbieten – und dafür sorgen, das «Schweizer CEO wieder ruhig schlafen.»

«Nachrichtenlose Vermögen» lösten Trend aus

Hoppler 160«Das Vorgehen ausländischer Behörden gegen Firmen im In- und Ausland hat einen wahren Boom in der Forensik ausgelöst», sagt Ivo Hoppler (Bild links) gegenüber finews.ch. Der Co-Leiter der Schweizer Niederlassung von Stroz Friedberg weiss die Ursachen hinter dem Boom genau zu benennen.

Im Ausland seien Affären wie der Fall Siemens die Treiber des Trends gewesen, in der Schweiz die Aufarbeitung der «Nachrichtenlosen Vermögen» sowie später der Steuerstreit mit den USA. Und es sei nicht zu erwarten, sagt der Ermittlungsspezialist, dass der Druck in absehbarer Zeit abnehmen werde.

Machtanspruch der USA

Denn gerade die USA wollen ihre Rechtsprinzipien auch in der globalisierten Wirtschaft verwirklicht sehen. Diese Rechtsprinzipien bedeuten für die betroffenen Firmen wiederum, dass sie sowohl die «unabhängige» Untersuchung ihrer Vergehen wie auch später die Kontrolle neuer Compliance-Vorschriften zu grossen Teilen selber sicherzustellen haben.

Und das geht nur mit einem ganzem Heer von Spezialisten: Von ermittelnden Forensikern über IT-Spezialisten bis hin zu den Rechtsdiensten und Compliance-Abteilungen, Anwälten und deren Kanzleien.

Im Auge des Sturms

Am Wirtschaftsstandort Schweiz, der aufgrund der zahlreichen internationalen Grosskonzerne dem globalen Trend besonders stark ausgesetzt ist, hat dies in der Ermittlerbranche zu einem erbitterten Konkurrenzkampf geführt – und gleichzeitig das Feld für spezialisierte Player geöffnet.

Fleury 160Traditioneller beanspruchten hier die «Grossen Vier»-Beratungsfirmen ‎Deloitte, KPMG, ‎Ernst & Young sowie PricewaterhouseCoopers den Grossteil des Forensik-Geschäfts. Ihre Expertise stammte anfänglich aus dem Bereich der Wirtschaftsprüfung und wurde seither entsprechend ins Feld der Ermittlungen ausgeweitet. KPMG etwa betrachtet sich in der Schweiz mittlerweile als Full-Service-Anbieter im Forensik- und Ermittlungsbereich, wie Philippe Fleury (Bild links) gegenüber finews.ch festhält. Fleury ist Partner und Forensiker beim Beratungsunternehmen in Genf.

Das Problem der Grossen

Auch Fleury spricht derzeit von einem Boom in seinem Geschäft. Und: «Die Hälfte unseres Umsatzes erzielen wir derzeit mit Kunden aus dem Finanzsektor.»

Laut Kennern des Marktes haben die «Grossen Vier» aber ein Problem. Oftmals können sie einen Ermittlungsauftrag nicht annehmen, das sie etwa in der Revision bereits für das Unternehmen tätig sind und somit einen «Konflikt» aufweisen.

Gesuchte Schweizer Expertise

Trotz des Konkurrenzkampfs öffnet dies einheimischen Nischenplayern das Feld. Dies vor allen dank ihrer lokalen Präsenz sowie der beruflichen Reputation und Erfahrung ihrer Exponenten. Es sind dies etwa der ehemalige Staatsanwalt Peter Cosandey und Anbieter wie Coprin oder Scalaris.

Auch die ausländischen Anbieter haben den Vorteil der Schweizer Expertise erkannt. So engagierte Stroz Friedberg mit Hoppler einen ehemaligen Staatsanwalt, Ex-Partner bei zwei grossen Wirtschaftsprüfern und Lehrbeauftragten an den Universitäten St. Gallen und Zürich sowie der ETH.

Derweil ernannte K2 mit Frédéric Maendly einen ehemaligen Bundesanwaltschafts-Mann zum Direktor des neuen Genfer Büros.

Gekommen um zu bleiben

Die so aufgerüsteten ausländischen Player sind gekommen um zu bleiben – auch wenn die Aufträge aus dem Steuerstreit einst verebben sollten. «Im Bankensektor hat die Ermittlungsbranche wohl derzeit den Peak gesehen», gibt Hoppler von Stroz Friedberg zu bedenken. Hingegen sieht der Ermittlungs-Profis starkes Wachstum etwa im Bereich Cybercrime. 

Die Bedrohung aus dem Netz betrifft dabei eine Vielzahl von Schweizer Firmen – wobei die Banken einmal mehr besonders exponiert sind.

Hacker schiessen sich auf Banken ein

Wie auch finews.ch berichtete, ist im Finanzsektor die Anzahl der Cyberattacken nämlich um 300 Prozent höher als in jedem anderen Wirtschaftszweig. Tendenz steigend. Dabei entwickelt sich die Technologie so rasant, dass Angriff und Verteidigung einander in immer schnellerer Folge bedingen.

Und: 95 Prozent Sicherheit reichen in diesem Bereich nicht aus, um gewaltige Schäden zu vermeiden. Entsprechend dürfte den bedrohten Unternehmen nur die beste Abwehr gut genug sein.

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