Die Idee war verlockend: Der Grossverteiler Coop wollte seine Reichweite und Marketing-Power für Zahlungs- und Vorsorgelösungen einsetzen. Nach nicht einmal einem Jahr ist das Experiment schon wieder vorbei. Auf den Kosten sitzen bleiben vermutlich Kooperationspartner wie Additiv, die Hypothekarbank Lenzburg, die Glarner Kantonalbank oder Vanguard.
Die Ankündigung aus der Coop-Unternehmensstrategie klang vollmundig: Unter dem Namen «Coop Finance+» werde man «als erstes Unternehmen in der Schweiz eine neue und vollständig digitale Lösung für Finanz- und Vorsorgeprodukte» lancieren. Auch finews.ch berichtete damals über die neue App.
Ein Grossverteiler im Silicon-Valley-Modus, der seine Retail-Omnipräsenz in der Schweiz auf den Finanzsektor ausdehnen will, konnte man meinen. Zumindest aber schwang die Ambition mit, nach dem Verkauf der ehemaligen Bank Coop (heute: Bank Cler) wieder zu einer Grösse im Finance-Business zu werden.
Nachfrage zu gering
Zehn Monate später ist das Experiment bereits vorbei. Wie Coop am Donnerstag in einer dürren Mitteilung bekanntgibt, habe das Unternehmen entschieden, «das Projekt Finance+ als Betreiberin nicht weiterzuverfolgen, da die Nachfrage ihren Erwartungen nicht entsprach». Zudem habe sich das Umfeld durch den verschärften Wettbewerb in der Finanzbranche in den vergangenen Monaten» gewandelt.
Konkret bot die Finanz-App ein Potpourri von Zahlungs- und Vorsorge-Produkten anderer Anbieter. Für die Zahlungsfunktionen stand die Hypothekarbank Lenzburg Pate, die Säule-3a-Konti wurden bei der Glarner Kantonalbank geführt und von den Fonds-Anbietern Vanguard und OLZ befüttert. Programmiert wurde die App von Additiv.
Superpunkte für die 3. Säule
Dereinst sollten Coop-Kunden auch ihre Superpunkte in Vorsorge-Guthaben unwandeln lassen können.
Der Einstieg von Coop ins Neobanken-Geschäft erfolgte relativ spät. Das Feld mit nationalen und internationalen Konkurrenten war damals schon dicht gedrängt.
Marke überschätzt
Zudem entsprach das Produkt offenbar in technischer Hinsicht nicht den Erwartungen der Kunden. Android-Nutzer geben dem Konvolut magere 2,5 von 5 möglichen Punkten, bei Apple sind es 3,1 von 5.
Auch überschätzte Coop offenbar die Übertragungskraft seiner Marke in neue Geschäftsfelder. Konnte vor Jahrzehnten noch eine Bank in den Armen eines Grossverteilers heranreifen, scheinen die Dinge heute anders zu liegen.
Wer trägt die Kosten?
Wie das Unternehmen mitteilt, gewährleistet es den Betrieb der Plattform bis auf Weiteres. Für die Kunden würden Folgelösungen geprüft.
Was das Experiment in finanzieller Hinsicht bedeutet, ist unklar. Wahrscheinlich ist, dass die Kooperationspartner wie bei solcher Übungsanlage üblich, erhebliche Vorleistungen in Erwartung einer raschen Skalierung erbracht haben.
Es spricht für Coop, dass der Grossverteiler nach kurzer Zeit gemerkt hat, dass die Bäume in der Neobanken-Welt nicht in den Himmel wachsen.