Der Prozess gegen Sung Kook «Bill» Hwang in New York wird auch ein Schlaglicht auf die Geschäftspraktiken der Banken im Umgang und der Finanzierung von Hedgefonds werfen. Vereinfacht lautet die Frage, hat die Gier der Banken nach guten Geschäften das Risikomanagement ausgehebelt, oder waren Täuschung und Lügen der Grund für das Debakel?
Der Kollaps des Hedgefonds Archegos Capital Management von Bill Hwang im Frühjahr 2021 mit einem Verlust für die Credit Suisse (CS) von 5,5 Milliarden Dollar wird von vielen als der Anfang vom Ende der Schweizer Grossbank gesehen. Nun müssen sich Hwang und der Mitangeklagte ehemalige Finanzchef Patrick Halligan vor einem New Yorker Gericht wegen Marktmanipulation, Raceteering und Betrug verantworten.
Als erster Zeuge in dem Prozess wurde am Montag ein ehemaliger UBS-Risikomanager Bryan Fairbanks als Zeuge befragt, wie etwa die Nachrichtenagentur «Bloomberg» berichtet. Und seine Aussagen werfen auch kein gutes Licht auf das Verhalten der anderen und heute einzigen Schweizer Grossbank. Auch die UBS hatte mit Archegos rund 860 Millionen Dollar verloren. Das war im Vergleich zum Engagement der CS zwar eher bescheiden, aber in der Konsequenz aber auch nicht gravierend.
Der frühere UBS-Kader, der heute bei der BMO Bank of Montreal ebenfalls als Risk-Manager arbeitet, sagte aus, dass er zu Beginn seiner Tätigkeit bei der UBS bereits mit der Abwicklung des ersten von Hwang geleiteten Hedgefonds Tiger Asia Management beschäftigt war, der 2010 in einem Verfahren um Insiderhandel untergegangen war.
Problematischer Kunde
Als Hwang dann mit dem 2013 gegründeten Family-Office Archegos erneut bei der UBS anklopfte habe er es als problematisch eingeschätzt, erneut Geschäftsbeziehungen aufzunehmen. Doch die UBS habe entschieden, Archegos als Kunden zu akzeptieren.
Es habe im Februar 2021 interne Diskussionen darüber gegeben, ob das Engagement der Bank bei Archegos von 8 auf 10 Milliarden Dollar erhöht werden soll. So sei der Bank versichert worden, dass Archegos 30 bis 40 Prozent des Eigenkapitals in freier Liquidität hält. Hwang habe den Banken versprochen, dass er die Nachschussforderungen erfüllen und seine Positionen in einigen Wochen auflösen kann. «Alle Informationen, die sie mit uns geteilt haben, waren Lügen», sagte Fairbanks.
Hätte Panikknopf gedrückt
Er wäre «entsetzt» gewesen, hätte er gewusst, dass Archegos mehr als 75 Prozent ihres Eigenkapitals in einer Position gehalten hat. Wahrscheinlich hätte er den «Panikknopf gedrückt», wenn er das gewusst hätte. «Wir wären sehr besorgt gewesen», sagte er.
Die Argumentationslinie der Verteidiger von Hwang stellen stark auf den Aspekt ab, dass sich die Banken förmlich darum gerissen hätten, mit Archegos Geschäfte zu machen. «Sie standen Schlange und haben sich überschlagen», sagte Barry Berke, der Verteidiger von Hwang.
Es sei nur um die «Benjamins» gegangen, sagte die Anwältin von Halligan Mary Mulligan und machte damit eine Anspielung auf die 100-Dollar Noten mit dem Konterfei von Benjamin Franklin. «Die Beweise werden zeigen, dass die Banken beträchtliche Gebühren für die Geschäfte mit Archegos erhalten haben», sagte sie. «Jeder wollte ein grosses Stück von Archegos.»
Bankangestelle füllen Zeugenliste
Auch für die Staatsanwaltschaft dürfte das Verhalten der Banken in dem Fall mit eine Rolle spielen. Auf der Zeugenliste stehen weitere 26 ehemalige Bankangestellte. Warum arbeitete man mit Archegos zusammen, wenn man die Firma als Hochrisikokunden betrachtete?
Auch zwei weitere Archegos Top-Kader, die sich zu den gegen sie erhobenen Vorwürfe bereits schuldig bekannt haben, dürften in dem Prozess als Zeugen der Staatsanwaltschaft auftreten. Bei einer Verurteilung droht Hwang eine lebenslange Haft.
Neben CS und UBS haben etwa auch Morgan Stanley und Nomura Verluste mit Archegos erlitten. Insgesamt belief sich der Schaden auf rund 10 Milliarden Dollar.