Im vergangenen Monat ernannte die Privatbank Pictet eine neue Verantwortliche für den Deutschschweizer Markt, der für das Genfer Finanzinstitut immer wichtiger wird. Angesichts der epochalen Veränderungen auf dem hiesigen Finanzplatz ist die neue Chefin enorm gefordert.
Die Marke Pictet respektive die gleichnamige Privatbank wird bis heute gerne als Genfer Institution gesehen. Dabei erwirtschaftet das 1805 gegründete Finanzinstitut längst einen Grossteil der Erträge ausserhalb seines historischen Einzugsgebiets und zur Hälfte aus dem Asset Management. «Zürich ist unser zweiter Heimmarkt geworden», betont denn auch Verena Gross im Gespräch mit finews.ch.
«Ein grosser Teil (eine genaue Zahlen gibt das Unternehmen nicht bekannt) der insgesamt rund 600 Milliarden Franken an verwalteten Kundenvermögen von Pictet werden aus der Limmatstadt heraus betreut», bestätigt die Bankerin, die im April 2023 die Leitung für das Wealth Management von Pictet in der Deutschschweiz übernommen hat. Sie ist damit die Nachfolgerin von Victor Aerni, der seither von Singapur aus den asiatischen Markt verantwortet.
Von Goldman Sachs zu Pictet
Wie es bei einer alteingesessenen Bank wie Pictet üblich ist, sucht man zunächst immer eine interne Lösung, wenn es um Personalfragen geht. Das war auch bei Verena Gross der Fall. Die Südtirolerin, die in Meran geboren wurde, in Bozen aufwuchs und in Mailand studiert hat, kennt Pictet bereits sehr gut, arbeitet sie doch schon seit 13 Jahren für die Bank – nachdem sie von Goldman Sachs zum Genfer Institut in Zürich gestossen war. Der Wechsel vom US-Finanzkonzern zur Schweizer Privatbank hätte gegensätzlicher kaum sein können, wie sie sich erinnert.
Während ihre frühere Arbeitgeberin eine gigantische Maschinerie ist, zieht sich bei Pictet die Handschrift der insgesamt sieben Teilhaber der Bank durch sämtliche Arbeitsprozesse, wie Gross feststellt. «Es dominiert eine Kultur der Langfristigkeit, aber auch der kurzen Wege und einer Verbindlichkeit, die sich jenseits von Verkaufszielen manifestiert», erklärt die Bankerin. «Man hat mir noch nie vorgeschrieben, welche Umsätze ich erzielen soll», betont Gross und sieht darin die Voraussetzung, die Kundinnen und Kunden möglichst individuell und ihren Bedürfnissen entsprechend zu betreuen.
Turbulente Zeiten
Das kommt derzeit besonders gut an. Denn wie andere renommierte und solide Schweizer Finanzinstitute hat auch Pictet von den Turbulenzen bei der Credit Suisse (CS) profitiert. «Es wäre unehrlich, nun zu behaupten, die Verunsicherung der CS-Kundinnen und -Kunden wäre spurlos an uns vorbeigegangen», sagt Gross. Wie in Branchenkreisen zu hören ist, sind in den vergangenen Monaten tatsächlich beträchtliche Summen auch zu Pictet geflossen.
«Pictet geht es gut», sagt Gross lediglich dazu. Trotzdem ist sie in ihrer neuen Rolle gefordert, gehe es doch nun darum, die Kundinnen und Kunden langfristig zu halten und gleichzeitig neben der Deutschschweiz weitere Märkte von Zürich aus zu erschliessen.
Offen für weitere Beraterinnen und Berater
(Bild: Pictet)
Pictet beschäftigt in Zürich rund 200 Personen. Davon sind gut 60 im Private Banking für Schweizer Kundinnen und Kunden, also in der klassischen Vermögenverwaltung, tätig. Weitere 50 Personen, betreuen aus Zürich heraus Märkte wie die USA, Lateinamerika, den Nahen Osten oder europäische Kundinnen und Kunden.
«Die Tür steht offen», sagt Gross und meint damit, dass die Bank offen sei für weitere Kundenberaterinnen und -berater. Auch hier kennt Pictet keine fixe Grösse, sondern engagiert opportunistisch. Tatsache ist offenbar auch, dass man in Krisenzeiten eher gute Leute finde, weil der Veränderungswille dann grösser sei. «Pictet hat bereits während der Finanzkrise von 2008 in dieser Hinsicht antizyklisch gehandelt», betont Gross.
Bewegung auf dem Schweizer Finanzplatz
Nach den jüngsten Umwälzungen auf dem Schweizer Finanzplatz, die auch bei den Kundinnen und Kunden Pictets für viele Fragen sorgten, stehen nun für Gross durchaus herausfordernde Zeiten an. Jetzt gehe es darum zu zeigen, dass es hierzulande durchaus vertrauenswürdige Finanzinstitute gebe und die jüngsten Probleme, die weltweit Schlagzeilen lieferten, kein Branchenproblem seien, sondern individueller Natur.
Gleichwohl geht Gross davon aus, dass sich viele wohlhabende Kundinnen und Kunden in nächster Zeit grundsätzlich die Frage stellen werden, wie sie ihre Vermögenssituation künftig organisieren wollen. Aus Finanzkreisen hört man denn auch, dass es in der Branche noch zu einigen Bewegungen kommen werde, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der einzigen verbleibenden Grossbank (UBS) auf dem Schweizer Finanzplatz, die bis auf weiteres erst noch mit der Herausforderung konfrontiert sein wird, ihre frühere Konkurrentin zu integrieren.
Drei Prioritäten
In ihrer neuen Rolle hat sich Gross vorerst drei Prioritäten gesetzt: Erstens will sie Anlagelösungen vermehrt unter Beizug der entsprechenden Experten bei Pictet der Klientel anbieten, insbesondere auch im Hinblick auf die nächste Generation an Kundinnen und Kunden, die teilweise andere respektive neue Bedürfnisse haben, sei es im Technologiebereich, bei Alternativen Anlagen oder im Sachen Nachhaltigkeit und Impact Investing.
Zweitens will Gross die Attraktivität des Unternehmens auch in der Deutschschweiz als Arbeitgeber erhöhen, und drittens die interne Kultur der partnergeführten Bank als Chefin selbst vorleben, was ja mit ein Grund war, dass auch Gross vor 13 Jahren vom US-Grosskonzern zu Pictet wechselte.