Bei der im Parlament hitzig diskutierten Übernahme der Credit Suisse wurde das Wettbewerbsrecht ausgehebelt. Doch mittelfristig wird es wieder spielen – und darin liegt die Chance für den Fortbestand der Grossbank im Heimmarkt.

Die schiere Grösse des 5-Billionen-Dollar-Vermögensverwalters UBS/CS war auch bei der Sondersession des National- und Ständerats im Bern der sprichwörtliche Elefant im Raum. Links wie Rechts ist in den Räten deshalb die Forderung laut geworden, dessen Masse in Zaum zu halten. Die Juso will die Credit Suisse (CS) gar wieder aus der Käuferin UBS herauslösen und verstaatlichen.

Während das Parlament eine künftige Bankenregulierung in Prüfanträgen angestossen hat, wird sich deren Ausarbeitung über Jahre hinziehen. Griffiger für die Gestaltung der neuen UBS/CS gerade im Heimmarkt erweist sich da das Wettbewerbsrecht; mit der Übernahme vom 19. März ist es zwar ausgehebelt worden, und die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) hat das Szepter von der Wettbewerbskommission (Weko) übernommen.

Aufgeschoben ist nicht Aufgehoben

Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Die Finma wird die erwartete Stellungnahme der Weko nutzen wollen, um dem entstehenden Bankgiganten den Stempel aufzudrücken.

So schnell wird auch dies nicht gehen. Die Käuferin UBS muss zuerst die Übernahme der CS offiziell abschliessen und anschliessend der Finma sämtliche wettbewerbsrechtlich relevanten Daten für den Zusammenschluss übermitteln. Auf dieser Basis beauftragt die Behörde dann die Weko, eine Stellungnahme zur Übernahme zu verfassen; liegt diese vor, wird die Finma allfällige Massnahmen treffen.

Neuland für die Finma

Das ist für die Behörde Neuland. Wie an einer Pressekonferenz von vergangener Woche augenscheinlich wurde, weiss die Aufsicht nicht so recht, wie sie in der Rolle als Wettbewerbshüterin agieren soll. Die Finma habe keine Handhabe, in die Strategie der UBS einzugreifen, erklärte Präsidentin Marlene Amstad an dem Anlass.

Eine brauchbare Vorlage müsste also her – und möglicherweise lässt sich diese in der Vergangenheit finden. Im Gespräch mit finews.ch verweist ein Kenner des Wettbewerbsrechts auf eine Übernahme, die sich noch vor der Finanzkrise ereignete: Den Kauf des Discounters Denner durch den Schweizer Detailhandel-Riesen Migros im Jahr 2007. Obschon Denner damals auf gerade einmal 10 Prozent des Marktanteils von Migros kam, genehmigte die Weko den Deal nur unter «einschneidenden Auflagen».

Sieben Jahre Selbstständigkeit

Diese Auflagen waren auf sieben Jahre hin angelegt und hatten vorab zum Ziel, die operative Selbstständigkeit von Denner hinsichtlich dessen Preis-, Sortiments- und Standortpolitik zu wahren. Zudem mussten die Marke Denner am Markt erhalten und die Verkaufsstellen weiterhin mehrheitlich Markenartikel im Angebot führen. «Somit haben die Konsumenten weiterhin eine Alternative zu Migros und Coop und den Markenartikel-Herstellern bleibt der Absatzkanal Denner erhalten», verfügten die Wettbewerbshüter damals.

Kommt das «Modell Denner» nun bei der CS-Übernahme erneut zum Zug? Auf Anfrage von finews.ch wollte sich Weko-Direktor Patrik Ducrey nicht dazu äussern. Es gebe keine Standardlösung, sagt er – jede Übernahme sei aus wettbewerbsrechtlicher Sicht gesondert zu betrachten.

Dennoch brächte eine behördlich verfügte operative Selbstständigkeit insbesondere für das Schweizer Geschäft der CS offensichtliche Vorteile, welche die Situation auch für die UBS politisch entschärfen könnte.

Kein Schockeffekt bei den Stellen

So bliebe die bis dato profitable Swiss Bank der CS auf mittlere Frist selbstständig und müsste nicht ihr Filialnetz zerschlagen, das weitgehend deckungsgleich mit jenem der UBS ist. Wettbewerbsrechtliche Fragen würden sich vorerst nicht stellen, etwa im Firmenkundengeschäft, wo die beiden Grossbanken etwa bei den Garantien an Unternehmen wohl eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. «Filetstücke» der CS Schweiz wie das heimische Investmentbanking oder die Services für Pensionskassen und Institutionelle blieben ebenfalls unangetastet. Damit müsste die UBS dort nicht den Abgang der besten Talente fürchten.

Für die Politik läge der Gewinn auf der Hand: Der Schockeffekt von 12’000 verlorenen Jobs rund um die beiden grössten Banken bliebe dem Land erspart. Auch bei den Steuerflüssen müssten weniger Einschnitte befürchtet werden.

Mehr an der Vermögensverwaltung interessiert

Der UBS hingegen bliebe bei einer solchen Lösung eine harte Konkurrentin im Heimmarkt erhalten. Als Käuferin ist sie aber sowieso vorab an der (internationalen) Vermögensverwaltung der CS interessiert. Auch die von der UBS in Aussicht gestellten Einsparungen von 8 Milliarden Dollar bis 2027 liessen sich so nicht mehr realisieren. Doch ein möglicher Börsengang der CS Schweiz würde die verpasste Zielvorgabe wohl bei Weitem aufwiegen: Analysten der amerikanischen Grossbank J.P. Morgan rechneten in einem aktuellen Report vor, dass die UBS mit dem Verkauf an die Börse mindestens 10 Milliarden Dollar lösen könnte. Das ist zu bedenken.

Für die Migros haben sich die «einschneidenden Vorgaben» der Weko jedenfalls nicht als nachteilig erwiesen. Denner ist seit der Übernahme einer der zuverlässigsten Gewinntreiber der gesamten Gruppe.