Mit der globalen Zinswende steigen die Refinanzierungskosten der Staaten an – und die Staatsschulden sind auf Rekordniveau angeschwollen. In den Schweizer Nachbarländern könnte dies schon ab 2025 für Schmerzen sorgen, besagt eine neue Studie.
In den USA und der EU hat die Abkehr von Tiefst- und Negativzinsen bereits begonnen. Hierzulande könnte die Schweizer Nationalbank (SNB) kommenden Donnerstag erstmals seit 2015 die Zinsen wieder erhöhen.
Damit materialisiert sich die Zinswende, und mit ihr ein neues Problem für die Politik: Während der Corona-Krise ist die Staatsverschuldung auch von westlichen Ländern auf ein Rekordhoch angeschwollen. Und mit den steigenden Zinsen verteuert sich nun die Refinanzierung für die Regierungen. Die Grossbank Credit Suisse (CS) geht in der am Dienstag publizierten Ausgabe ihres «Konjunktur-Monitors» davon aus, dass sich die Frage nach der Tragbarkeit der enormen Staatsschulden unausweichlich stellen wird.
Schockwelle rollt mit Verzögerung
Mittlerweile verzeichne die Hälfte der Industrieländer eine Schuldenquote von über 60 Prozent, während dies 2007 nur in rund einem Drittel dieser Länder der Fall war, rechnen die Ökonomen der Grossbank vor. «Die Kombination von steigenden Zinsen und rekordhohen Schuldenquoten weckt Ängste vor einer erneuten Schuldenkrise, wie sie in den Jahren 2010 bis 2012 in Europa durch die drohende Staatspleite Griechenlands und anderer Mitglieder der Eurozone ausgelöst wurde», warnen sie.
Sinnigerweise dürfte die Schockwelle aber erst mit Verzögerung rollen, folgt man der Argumentation der Experten. Denn die Staaten haben das Tiefzinsumfeld genutzt, um sich in Anleihen mit langen und extrem langen Laufzeiten zu verschulden und damit noch auf Jahre hinaus von niedrigen Zinsen zu profitieren. Die hohen Restlaufzeiten aus Staatsanleihen sorgen nun dafür, dass die Refinanzierungskosten auch bei markanten Leitzinserhöhungen nur langsam steigen werden.
Widerstandsfähiger als während der Euro-Krise
Den Zentralbanken stehen die Staatsschulden bei der damit vorerst nicht im Weg, wenn sie die Zinschraube anziehen, urteilt die Studie. Zudem sei Europa dank der verbesserten Euro-Architektur widerstandsfähiger geworden, was das Risiko einer Glaubwürdigkeitskrise reduziert.
Doch Aufgeschoben sei nicht Aufgehoben, monieren die Autoren des Reports weiter. Gegen Mitte dieses Jahrzehnts wird der Ausblick der Länder zunehmend heterogener. Während sich die Frage nach der Tragfähigkeit für die Schweiz und Deutschland nicht stellt, zeichnet sich andernorts eine Trendwende beim Zins-Wachstums-Differential ab – was die Stabilisierung der Schuldenquote zur Herausforderung macht.
Italienischer Drahtseilakt
Dieses Differential hat es in sich für die betroffenen Staaten: Wenn der reale Zinssatz für Anleihen über der Wachstumsrate einer Wirtschaft liegt – das Zins-Wachstums-Differential also positiv ist – übersteigt der Schuldendienst den Zugewinn des BIP. In der Folge wächst die Schuldenquote selbst dann, wenn der Staatshaushalt ausgeglichen ist.
In den USA dürfte ein positives Differential ab 2027 der Fall sein, in Spanien und Frankreich ab 2028. Italien sticht derweil mit einer problematischen Kombination aus fundamental schlechter Fiskalposition und volatilen Risikoaufschlägen hervor, so die Studienautoren. Der südliche Nachbarstaat werde spätestens ab Mitte 2025 den Drahtseilakt zwischen notwendiger Konsolidierung und wachstumsschädigender Austerität meistern müssen, um das Vertrauen der Märkte nicht zu verlieren.
Beste Werbung für den Offshore-Platz
In der Schweiz und Deutschland dürfte das Differential noch bis Ende des Jahrzehnts negativ bleiben, selbst wenn die Zentralbanken ihre Leitzinsen bis Ende 2025 in vierteljährlichen Schritten von jeweils 25 Basispunkten erhöhen, so der Report weiter. Die beiden Länder werden also ihren Schuldenstand zumindest stabilisieren können. Dies, weil das Wachstum den steigenden Schuldendienst finanziert.
Die CS-Experten deutschen es nicht weiter aus, aber für die Schweiz bedeutet dies, dass der Standort aus internationaler Optik noch mehr zum sicheren Hafen wird. Für die Exportwirtschaft, die unter dem starken Franken stöhnt, sind das keine schönen Aussichten – für den hiesigen Finanzplatz hingegen schon.
Nicht nur geniessen die Schweizer Finanzakteure ein erhöhtes Vertrauen bei der Refinanzierung, der Standort gewinnt auch zusätzlich Zugkraft als Destination für Offshore-Vermögen aus aller Welt. Das könnte dem Swiss Banking just in dem Moment helfen, wo es von anderen Standorten bei der Betreuung von grenzüberschreitenden Vermögen überholt zu werden droht.