Fast täglich treffen nun Klagen gegen die Grossbank ein. Das Halali auf die Credit Suisse sollte dem gesamten Bankenplatz zu denken geben.
Die «CS Victims» bezeichnen sich als Opfer der Credit Suisse (CS). Doch mittlerweile sind sie es, welche die meisten Schläge austeilen. So hat die Vereinigung um den schwerreichen georgischen Ex-Premierminister Bidzina Ivanishvili vor wenigen Tage eine Klage auf der Kanalinsel Guernsey eingereicht. Die Vorwürfe richten sich gegen einen gewissen Green Vals Trust sowie den von der CS eingesetzten Treuhänder.
Im Unterschied zu den übrigen Vorwürfen der CS Victims, die sich um den betrügerischen Ex-CS-Banker Patrice Lescaudron drehen, sind die Anschuldigungen der Opfervereinigung ganz frisch. Der Treuhänder habe im vergangenen März und April Auszahlungen aus dem Trust mit Verweis auf die «geopolitische Situation in Osteuropa» mehrfach verweigert, heisst es. Damit seien die Rechte der Begünstigten – augenscheinlich ist Ivanishvili selber darunter – verletzt worden.
Sieg auf den Bermudas
Die Kläger halten fest, dass Ivanishvili georgischer und französischer Staatsbürger sei und in keiner Beziehung zu sanktionierten Personen oder Organisationen stehe. Es habe deshalb eine Diskriminierung der Trust-Begünstigten stattgefunden. Wie im Umfeld des Falls zu erfahren war, soll es sich beim geforderten Schadenersatz zwar um eine vergleichsweise geringe Summe handeln. Das macht die Angelegenheit für die Grossbank und im erweiterten Sinn auch für den Schweizer Bankenplatz aber nicht weniger heikel.
Die CS äussert sich auf Anfrage nicht zur Klage.
Denn erstens sind die CS Victims als Gegner durchaus ernst zu nehmen. Wie auch finews.ch berichtete, haben sie in einem Prozess auf den Bermuda-Inseln vergangenen März einen spektakuläre Sieg gegen das zweitgrösste Schweizer Geldhaus errungen; gemäss neuesten Berechnungen zieht dieser für die CS Kosten von rund 600 Millionen Dollar nach sich. Insgesamt fordern Ivanishvili und die anderen Lescaudron-Geschädigten rund 800 Millionen Dollar vom Institut zurück. Bereits im Herbst könnten sich die Kontrahenten wieder vor Gericht begegnen, diesmal in Singapur.
US-Anwälte spielen auf den Mann
Zum anderen ist die Schweizer Grossbank scheinbar zum idealen Ziel von Klagen mutiert. Während Kanzleien in den USA bereits im vergangenem Jahr Sammelklagen in Zusammenhang mit dem Doppel-Debakel um die geschlossenen CS-Greensill-Fonds und die Milliarden-Verluste wegen der New Yorker Finanzfirma Archegos vorbereiteten, werden nun neue Vorwürfe gegen das Institut laut. So beschuldigen amerikanische Kläger die CS, auch nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs im vergangenen März noch russische Oligarchen bedient und damit gegen US-Gesetze verstossen zu haben.
Derweil bestätigte die zweitgrösste Schweizer Bank selber, dass gegen Manager und Verwaltungsräte in Zusammenhang mit Archegos Klagen eingereicht worden seien. Zuvor hatte es Medienberichte über eine US-Pensionsfonds gegeben, der unter anderem den Ex-Bankpräsidenten Urs Rohner zur Rechenschaft ziehen will. Ebenfalls via Medien machten Kunden der CS-Greensill-Fonds ihrem Ärger Luft, die wohl noch auf bis fünf Jahre hinaus auf ihr Geld warten müssen. Auch sie drohen der CS deswegen mit juristischen Schritten.
Bestätigung alter Klischees
Dass stets neue Anlässe für Klagen gegen das Institut gefunden werden, muss mehr als nachdenklich stimmen. Zuzuschreiben hat das Unternehmen sich dies zwar selber. Das Durchgreifen der Behörden in der Mosambik-Affäre und im «Spygate» um die Bespitzelung von Mitarbeitenden zeigte vergangenen Herbst eine Bank, die nicht nur operativ, sondern auch moralisch abgewirtschaftet hatte. Die «Suisse Secrets»-Enthüllungen vom vergangenen Februar über einstige Geschäfte mit Kriminellen und Potentaten bestätigten dann all jene, die noch den alten Klischees des Swiss Banking nachhängen.
Wegen den «Suisse Secrets» schlugen Branchenvertreter Alarm – mit Blick auf die nicht abreissen wollende Klagewelle gegen die Nummer zwei des Metiers müssten sie es eigentlich erneut tun. Denn jeder einzelne Rechtsstreit sorgt dafür, dass die CS über Monate hinweg Schlagzeilen produziert und mit ihren (mutmasslichen) Verfehlungen im Bewusstsein bleibt. Damit bleibt zwangsläufig auch die Schweiz und ihr Bankenplatz im Gespräch.
Wladimir Putin und seine Kumpane
Mit Blick auf die Russland-Sanktionen scheinen die Meinungen mancherorts gemacht. So berichtete auch finews.ch über die Vorwürfe der Commission on Security and Cooperation in Europe (CSCE) der US-Regierung von vergangener Woche: Die Schweiz, so die einflussreiche Stelle, sei seit langem als Zielland für Kriegsverbrecher und Kleptokraten bekannt, und ein führender Wegbereiter des russischen Diktators Wladimir Putin und seiner Kumpanen, hiess es dort wörtlich.
Die US-Kommission ging in der Folge der Frage nach, ob die durch Russland kompromittierte Schweiz die nationale Sicherheit der USA beeinträchtige und ob die Vereinigten Staaten ihre strategischen, bilateralen Beziehungen zur Schweiz nicht überdenken sollten.
Mehr Gelder blockiert als gefordert
Mit Blick auf die Russland-Sanktionen drohen den Schweizer Banken dabei nicht nur der öffentliche Pranger, sondern auch eine Retourkutsche der eigenen Kunden. Die Vorwürfe der CS Victims rund um den Green Vals Trust zeigen, dass nicht direkt von Sanktionen betroffene Kunden sich diskriminiert fühlen und den Anwalt einschalten können.
Das nicht von ungefähr: Wie es vom Bund heisst, legen die hiesigen Banken bei der Umsetzung von Sanktionen viel Eifer an den Tag. Sie blockieren dabei vorsorglich mehr Gelder, als sie von Schweizer Vorgaben her müssten. Auch diese «Overcompliance» könnte sich rächen.