Der Druck auf die Schweiz und die Rolle des Finanzplatzes im Zusammenhang mit der Regierung von Wladimir Putin steigt weiter. Eine wichtige Kommission der amerikanischen Regierung attackiert die Schweiz als Russenhelferin – und bezieht sich auch auf einen Schweizer Strafrechtsprofessor.
Die Vorwürfe der Commission on Security and Cooperation in Europe (CSCE) der US-Regierung sind nichts für schwache Nerven: «Die Schweiz ist seit langem als Zielland für Kriegsverbrecher und Kleptokraten bekannt, die dort ihre Beute verstecken, und ist ein führender Wegbereiter des russischen Diktators Wladimir Putin und seiner Kumpanen».
Die Schweiz: Korrumpiert und kompromittiert
Damit nicht genug: Durch die enge Zusammenarbeit der Schweizer und der russischen Behörden seien die Justizbehörden der Schweiz korrumpiert worden. Dies habe zum Rücktritt von einer Vielzahl von Offiziellen und auch dem Bundesanwalt (gemeint ist Michael Lauber) geführt.
Die Kommission will an einer öffentlichen Veranstaltung am heutigen Donnerstag der Frage nachgehen, ob die durch Russland kompromittierte Schweiz die nationale Sicherheit der USA beeinträchtige und ob die Vereinigten Staaten ihre strategischen, bilateralen Beziehungen zur Schweiz überdenken sollten.
Illustres Panel
Der Vorsitzende der Kommission, auch als Helsinki Commission bekannt, ist Senator Ben Cardin, ein Demokrat aus Maryland. Er ist Mitglied der wichtigen Kommission für Aussenbeziehung der USA. Seine Mitstreiter in der Helsinki Commission rekrutieren sich zu gleichen Teilen aus dem Senat und dem Repräsentantenhaus.
Die Teilnehmer des heutigen Panels der CSCE sind durchaus illuster. Da ist einmal Bill Browder, der Gründer und CEO von Hermitage Capital Management, welche bis 2005 als Berater des grössten ausländischen Investmentfonds Russlands agierte.
Der Fall Magnitsky
Browder wurde im Jahr 2005 von Russland als Gefahr für die nationale Sicherheit bezeichnet und nicht mehr ins Land gelassen. Er hatte sich seinen Ruf durch unablässige Kritik an korrupten Praktiken in Russland erarbeitet.
Browders Anwalt war Sergei Magnitsky, der 2009 in russischer Haft verstarb. Magnitsky untersuchte im Auftrag von Browder die Enteignung von Geldern der Hermitage.
Und dann ist da noch der Schweizer Experte
Zweites Panelmitglied ist Miranda Patrucic, eine Repräsentantin der Organisation Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP). Sie arbeitete aktiv an der Veröffentlichung von korrupten Praktiken in Ländern wie Kirgistan, Usbekistan und Aserbeidschan. Zudem ist sie Mitglied des Journalisten-Netzwerkes, das sich mit der Veröffentlichung der Panama Papers schmückt.
Am wichtigsten aus Schweizer Sicht ist der dritte Sprecher, Mark Pieth. Der Strafrechtsprofessor aus Basel ist als scharfzüngiger Kritiker des Schweizer Bankenplatzes bekannt.
Schweizer Stirnrunzeln
Die Attacken aus Übersee sind in Bundesbern nicht unbemerkt geblieben. So hat sich Bundespräsident Ignazio Cassis gleich höchstpersönlich bei seinem Kollegen Antony Blinken anlässlich ihres kürzlichen Telefongesprächs beschwert, wie der Sprecher der Regierung am Dienstag erwähnte (siehe Bericht der «Luzerner Zeitung»).
Es verdichtet sich jedensfalls das Bild, dass die Schweiz sich im Zusammenhang mit den russischen Vermögen kommunikativ in der Defensive widerfindet. Dies trotz der schnellen und umfassenden Übernahme der Sanktionspakete der EU nach Ausbruch des Ukraine-Krieges.