Die jüngsten Personalentscheide auf der Chefetage der Credit Suisse vermitteln einen ambivalenten Eindruck – und lassen vor allem die wichtigste Frage offen, findet finews.ch.
Zu allen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, mit denen die Credit Suisse (CS) derzeit konfrontiert ist, gesellt sich noch ein weiteres Problem: jenes des Vertrauens. Spätestens seit den beiden Grossskandalen um Greensill Capital und Archegos ringt die CS um ihre Reputation. Ihr CEO Thomas Gottstein steht unter Druck, wie schon lange kein Chef einer Schweizer Bank mehr. Seit März 2021 hat sich der Kurs der CS-Aktie halbiert, was keine Zweifel mehr offenlässt, dass einiges im Argen liegt.
Reputation hat sehr viel mit jenen Personen zu tun, die ein Unternehmen führen. In dieser Hinsicht hat es die CS schon mehrmals verpasst, das Momentum zu nutzen: Das Intermezzo von António Horta-Osório als CS-Präsident war einfach nur peinlich. Die Ernennung eines Chefs für die wichtigste Sparte, das Global Wealth Management, gelang mit Francesco De Ferrari erst im zweiten Anlauf. Und die Cheffunktion in der europäischen Vermögensverwaltung blieb bis gestern vakant – respektive wurde von De Ferrari ad interim geleitet.
Fehlender Nachfolger
Nun hätte man annehmen können, dass die CS aus ihren Versäumnissen lernt. Doch die jüngsten Personalentscheide lassen anderes vermuten, zumal sie die nötige Konsistenz vermissen lassen respektive damit kein neues Vertrauen gewonnen werden dürfte.
Dass Finanzchef David Mathers nach mehr als Jahren geht, ist sein gutes Recht. Doch warum hat es die CS nicht geschafft, die Nachfolge in Einklang mit ihm zu regeln, so dass sie gleich einen neuen Finanzchef hätte ankündigen können? Offenbar ist sie derzeit intern wie extern erst am Suchen, wie sie am Mittwoch mitteilte. Hat Mathers seine Arbeitgeberin vor Tatsachen gestellt?
So verstreicht viel Zeit, ohne dass die wichtige Position des CFOs bis auf weiteres neu besetzt ist.
Klare Abwägungen
Für den Chefjuristen Romeo Cerutti hat die CS zwar in der Person von Markus Diethelm einen Nachfolger gefunden. Allerdings ist seine Personalie in der Finanzbranche umstritten.
Für manche hat er bei seiner letzten Arbeitgeberin, der UBS, im Steuerbetrugs-Prozess in Paris das Maximum herausgeholt und sich dabei persönlich stark engagiert. Andere Beobachter stufen seine grundsätzlich konfrontative Vorgehensweise gegenüber Frankreichs Ermittlern als höchst riskant ein.
Zugutehalten kann man ihm jedoch, dass er ein enormes Know-how in Sachen US-Rechtsprechung besitzt, was der CS aufgrund ihrer noch ausstehenden Justizfälle sicherlich dienlich sein wird. Umgekehrt ist Diethelm mit 65 bereits in einem Alter, in dem andere Top-Banker längst in Pension sind.
Investmentbanker erster Güte
Mit Edwin Low kommt in Asien als Nachfolger von Helman Sitohang ein Investmentbanker erster Güte an die Spitze. Wie weit er jedoch das wichtigste Geschäft des CS, die Vermögensverwaltung (Wealth Management), versteht, muss er noch unter Beweis stellen.
Für kritische Fragen dürfte schliesslich die Person von Francesca McDonagh sorgen. Sie übernimmt die Leitung der Division in der Region Europa, Nahost und Afrika (Emea). Erst am (gestrigen) Dienstag wurde offiziell bekannt, dass sie von ihrem Posten als CEO der Bank of Ireland zurücktreten würde.
Lohndeckel nicht akzeptiert
In den angelsächsischen Medien (Artikel kostenpflichtig) gilt sie als ein weiteres Beispiel von Managerinnen oder Managern, die offensichtlich nicht gewillt sind, den in Irland seit mehr als zehn Jahren (gesetzlich) geltenden Lohndeckel von 500'000 Euro zu akzeptieren. Und dies notabene, obschon sie zu den paar wenigen Manager(innen) gehörte, denen man ein Ausnahmesalär von umgerechnet knapp einer Million Franken (im Annual Report, Seite 134) gewährt hatte.
Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird sie bei der CS noch etwas mehr verdienen.
Alles in allem hinterlassen die am Mittwoch kommunizierten Personalien einen zwiespältigen Eindruck, was angesichts des mangelnden Vertrauens bedauerlich ist. Vor allem aber insinuieren sie, dass Gottstein als oberster operativer Chef der CS nach wie vor fest im Sattel sitzt. Dabei gehen darüber die Meinungen in der Bankbranche weit auseinander.