Klimaaktivisten und Grossinvestoren bringen sich für die Saison der Generalversammlungen in Stellung. Doch den Banken fehlt es schlicht an der Zeit, um die vielen Versprechen schnell einzulösen.
Ralph Hamers sagte es sozusagen prophylaktisch. «Wir wissen, dass es zum Erreichen unseres langfristigen Ziels entscheidend ist, wichtige Meilensteine auf dem Weg dorthin zu identifizieren und zu meistern», kommentiert der Bankchef am vergangenen Freitag den von der UBS veröffentlichten Klimabericht. Für den Holländer ist klar, dass sein Institut Zeit braucht, um die mittelfristigen Ziele bis 2030 zu erreichen. Ganz zu schweigen von «Netto-Null» bei den Treibhausgasen bis im Jahr 2050.
Nur Lippenbekenntnisse?
Doch Zeit ist genau das, woran es den Schweizer Grossbanken in der Klimafrage mangelt. In den vergangenen Wochen haben NGO, Aktionärsvertreter und institutionelle Investoren den Druck auf die Institute massiv erhöht, wie auch finews.ch berichtete. Eine Allianz um die Schweizer Aktionärsvertreterin Ethos Stiftung, zu der auch die öffentlich-rechtlichen Pensionskassen Publica und PKZH zählen, will ihre Klima-Forderungen an die Generalversammlung der Credit Suisse (CS) tragen.
Folgt man den Vorwürfen aus diesem Lager, dann handelte es sich bei den Versprechungen der Banken zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und beim Netto-Null-Ziel um blosse Lippenbekenntnisse.
Finanzströme werden umgelenkt
Die Vorwürfe sind jedoch nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Wer nicht auf den Nachhaltigkeitstrend aufspringt, droht an den globalen Finanzmärkten zunehmend zwischen Stuhl und Bank zu fallen. So legt etwa die Science Based Targets Initiative (SBTI), der sich über 1’000 Firmen und auch diverse Schweizer Finanzinstitute angeschlossen haben, klar fest, wie mit Klimasündern künftig umzuspringen ist.
In der EU definiert die neue Taxonomie, was wirtschaftliche Nachhaltigkeit ist. Dies, während die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) Investoren-Gelder aktiv in solche Felder umlenkt. Die Finanzströme finden ein neues, «grünes» Bett.
Sehr bemüht
Wohl nicht zuletzt deswegen bemühten sich die beiden Schweizer Grossbanken in ihren Nachhaltigkeitsberichten von vergangener Woche, ihre Fortschritte in der Abkehr von fossilen Brennstoffen aufzuzeigen. So erklärte die CS, zwischen 2020 und 2021 rund 41 Prozent der Ausleihungen an den Öl-, Kohle-, und Gassektor reduziert zu haben; allerdings sind noch 2,6 Milliarden Dollar an solchen Krediten in den Büchern der Grossbank.
Bei der UBS machen Ausleihungen an Förderer von fossilen Brennstoffen 265 Millionen Dollar aus; werden Sektoren hinzugenommen, die das Klima mittel- bis bis mittelschwer belasten, steigt das «Exposure» auf 37,5 Milliarden Dollar (siehe Grafik unten).
«Das ist durchaus fair»
Dem UBS-Bericht zufolge sind die gesamten Ausleihungen an Firmen in klimasensitiven Branchen im vergangenen Jahr von 437,8 Milliarden Dollar auf 373,2 Millionen Dollar gesunken. Das Institut kündigte nun an, den CO2-Fussabdruck des Kreditbuchs besonders in den Sektoren fossile Brennstoffe, Energie-Erzeugung und Immobilien reduzieren. Diese würden im Kreditportfolio mit einem Anteil von rund 43 Prozent und bei den finanzierten Emissionen deutlich ins Gewicht fallen.
Die Frage ist, ob die Banken damit die Gnade der Klimaaktivisten und Grossinvestoren finden. Die «Say on Climate»-Kampagne dürfte in der heurigen GV-Saison ein grosses Thema werden. «Dass NGO nach den Versprechen der Finanzbranche am COP26-Gipfel nun auf deren Umsetzung pochen, ist durchaus fair», sagt dazu Sabine Döbeli, Geschäftsleiterin der Branchenvereinigung Swiss Sustainable Finance (SSF) und eine profilierte Stimme am Finanzplatz. Zu den SSF-Mitgliedern zählen auch die UBS und CS. Aus Sicht Döbelis nehmen die Aktivisten die wichtige Rolle einer Kontrollinstanz wahr. «Dass dabei auch Druck aufgebaut wird, ist ebenfalls legitim.»
Schnell Versprochen
Allerdings müsse man bei der zeitlichen Dimension realistisch sein, gibt Döbeli zu bedenken. «Die Netto-Null-Versprechen selber sind schnell geleistet – die Umsetzung wird aber Zeit benötigen. Angesichts des Legacy-Portfolios, mit dem praktisch alle Banken starten, kann dies Jahre in Anspruch nehmen.» Dass NGO nun Finanzierungen finden würden, die sie für problematisch hielten, sei ebenfalls nicht erstaunlich.
Dennoch weiss man auch bei SSF, dass die Uhr tickt. Im vergangenen Dezember hat die Vereinigung in Zusammenarbeit mit ihren Mitgliedern eine Roadmap verfasst; bis im Jahr 2030 will man im Einklang mit Nachhaltigkeitszielen sein. Doch auch das ist ein Versprechen, das noch eingelöst werden muss, und bei Bund und Behörden fehlt es an Geduld. Insbesondere, was das «Greenwashing» angeht, also des mutmasslichen Etikettenschwindels bei als nachhaltig deklarierten Finanzprodukten.
Bund droht mit Vorschriften
Im vergangenen November drohte der Bundesrat hier mit neuen Vorschriften. Die Landesregierung hat das Finanzministerium beauftragt, bis Ende 2022 gegebenenfalls vorzuschlagen, wie das Finanzmarktrecht angepasst werden könnte, um Greenwashing zu vermeiden.
In der Finanzbranche selber kann man angesichts des knappen Zeitbudgets nur hoffen, dass der Bund mit Augenmass regulieren wird. «In der Schweiz hat der Staat die Finanzbranche bezüglich der Klimaziele in die Pflicht genommen und klare Erwartungen formuliert», sagt Döbeli vom SSF. Das habe viel in Bewegung gebracht. «Es darf erwartet werden, dass der Regulator diese Dynamik zu werten weiss und er der Industrie die Zeit einräumt, entsprechende Massnahmen zu implementieren.»