In Genf trifft sich die Schweizer Finanz zur hochdotierten Nachhaltigkeits-Konferenz. Doch der Branche bleibt nur noch wenig Zeit, dem Etikettenschwindel in den eigenen Reihen den Riegel zu schieben.

Eine Meeres-Schildkröte, die sich in einem Fischernetz verfangen hat, dazu der Slogan: «Sollte eine Bank die Ozeane schützen? Wir sind dran.» Diese Botschaft (siehe Bild oben) blinkte einem schon Wochen vor der «Building Bridges»-Konferenz von den Leuchttafeln am Zürcher Hauptsitz der Credit Suisse (CS) entgegen.

Seit dem (gestrigen) Montag versammeln sich nun das grosse Geld, Regierungsvertreter wie Finanzminister Ueli Maurer, NGO und Uno-Abgesandte zur Nachhaltigkeits-Konferenz in Genf. Gemeinsam beratschlagen diese Akteure, wie sich das Finanzwesen für die Zwecke der Nachhaltigen Entwicklung und den Kampf gegen den Klimawandel einspannen lässt.

Hehre Ziele, grosses Geschäft

Abgesehen von solch hehren Zielen sind Investments, die Faktoren wie Umwelt, Gesellschaft und gute Geschäftsführung (ESG) berücksichtigen, in der Schweiz auch ein grosses Geschäft. Eine Studie der Branchenvereinigung Swiss Sustainable Finance (SSF) und der Universität Zürich hält fest, dass der Markt für nachhaltige Finanzprodukte in den letzten fünf Jahren um mehr als das Siebenfache auf 1,52 Billionen Schweizer Franken angestiegen ist.

Doch der aufstrebenden Industrie fehlen die Standards, was es den Investoren erschwert, in der Fülle von Angeboten die Spreu vom Weizen tut trennen. Und der böse Vorwurf des Etikettenschwindels, des so genannten Greenwashing, liegt in der Luft. Für den heisigen Finanzplatz könnte sich dies fatal auswirken, setzen die Schweizer Akteure doch auf den Verkauf von ESG-Produkten an internationale Investoren.

Kurze Frist

Das ruft auch die Politik auf den Plan. Der Bundesrat hat der Finanzbranche Mitte November eine kurze Frist gesetzt, um zu klären, wie sich das Greenwashing ausmerzen lässt. Dabei drohte er bereits mit neuen Vorschriften. Die Landesregierung hat das Finanzministerium beauftragt, «bis Ende 2022 gegebenenfalls vorzuschlagen, wie das Finanzmarktrecht – insbesondere bezüglich Transparenz – angepasst werden könnte, um Greenwashing zu vermeiden.»

In der Tat ist die Regierung nicht zufrieden mit dem, was die Industrie bis jetzt unternommen hat. Dies, obschon die Problematik durchaus in der Branche angekommen ist. Die Vereinigung SSF etwa, der die meisten grösseren Finanzdienstleister angehören, betreibt ein Pilotprojekt, das die Transparenz von nachhaltigen Investment-Angeboten erhöhen soll. Und die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) führt auch schon länger vor-Ort-Kontrollen zur Thematik Nachhaltigkeit durch.

Im Ausland marschieren die Behörden schon

Anfang November legte die Aufsicht nach und warnte, dass sie auch beim Anlegerschutz genauer hinschauen werde. So will die Finma darauf achten, dass Ökokriterien angemessen offengelegt werden; die Behörde prüft, dass die Investoren nicht über nachhaltige Eigenschaften getäuscht werden. Mit anderen Worten: Der Schweizer Branche bleibt nur noch ein kurzes Zeitfenster, um das Haus in Ordnung zu bringen, bevor es der Regulator tut.

Im Ausland sind die Behörden schon losmarschiert, wie in den Medien berichtet wurde. So untersuchen die US-Börsenaufsicht SEC und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) offenbar das deutsche Fondshaus DWS, nachdem eine Whistleblowerin auf Missstände rund um ESG-Produkte hingewiesen hatte. Die EU wiederum hat vergangenen Sommer angekündigt, die Massnahmen gegenüber Banken und Rating-Agenturen in Bezug auf Greenwashing zu verschärfen. Die Schweizer Finanzbranche exportiert rund ein Drittel der ESG-Produkte, vor allem in die EU.

Empfehlungen vom Verband

Der Schweizer Fondsverband Asset Management Association Switzerland (AMAS) veröffentlichte vergangene Woche in enger Zusammenarbeit mit SSF nun Empfehlungen zu Mindestanforderungen für nachhaltige Anlageprodukte an die Asset-Management-Industrie, um «das Anlegervertrauen auf dem Schweizer Finanzplatz zu stärken», wie es hiess.

Indes, die Empfehlungen sind weder verbindlich noch international koordiniert. Und dies ist nicht die einzige Lücke, die bei der Nachhaltigen Finanz klafft: Es herrscht Uneinigkeit über die Klassifizierung von ESG-Produkten (Taxonomie), über steuerliche Behandlung und – ganz entscheidend – wie deren Wirkung zu messen ist.

Der Druck kommt auf von Kundenseite, sagt Falko Paetzold zu finews.ch. «Family Offices und Finanz-Boutiquen stellen zunehmend und systematisch kritische Fragen zur Wirksamkeit, getrieben vom Standpunkt ihrer Kunden oder vonseiten von Regierungen.» Auch rein operativ sei das Geschäft alles andere als trivial, würden doch Banken Mühe bekunden, die Wirkung von ESG-Produkten in Kunden-Portfolios abzubilden, so der Wissenschafter vom Institut für Banking und Finance der Universität Zürich.

Gütesiegel in Planung

Um die Wirksamkeit der Nachhaltigen Finanz glaubwürdig zu machen, plant der Bund nun ein Gütesiegel und die Offenlegung des Beitrags von Produkten zur Eindämmung des Klimawandels, wie die Schweizer «Sonntagszeitung» (Artikel bezahlpflichtig) berichtete. Die Arbeiten dazu gehen vom Staatsekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) aus.

Realistischerweise haben die Vermögensverwalter etwa sechs Monate Zeit, um sich zu einigen und der Regierung ein Angebot zu machen.