Der einflussreiche Stimmrechtsberater Ethos nimmt im Fall Novavest eine differenzierte Haltung ein. Er möchte den Minderheitsaktionär der Immobiliengesellschaft in den Verwaltungsrat einbinden und empfiehlt die Abwahl des Vizepräsidenten.
Bald ist es soweit – die Aktionäre werden an der ausserordentlichen Generalversammlung der Immobiliengesellschaft Novavest Real Estate am Freitag in Zürich darüber entscheiden, ob sich der Verwaltungsrat oder der von MV Invest vertretene Minderheitsaktionär, der u.a. beantragt hat, drei der fünf Mitglieder des Verwaltungsrats (darunter auch den Präsidenten) abzuwählen, durchsetzen kann.
Am Montagmorgen hat der Verwaltungsrat von Novavest Real Estate eine Medienmitteilung veröffentlicht, in der er auf die Empfehlungen von unabhängigen Stimmrechtsberatern hinweist. Die international tätigen ISS und Glass Lewis lehnten die vom Minderheitsaktionär gestellten Anträge vollumfänglich und die (für die Novavest-Aktionäre wohl relevanteren) Schweizer Stimmrechtsberater Ethos und Inrate «ebenfalls mehrheitlich» ab, heisst es darin.
Seit dem Börsengang Bedenken wegen der Corporate Governance
In der Tat nimmt Ethos eine differenzierte Haltung ein, wie die Lektüre des inzwischen auch finews.ch vorliegenden aktuellen Novavest-Berichts des gewichtigen Stimmrechtsberaters aufzeigt.
Seit dem Börsengang im Dezember 2019 habe Ethos in regelmässigem Kontakt mit dem Unternehmen gestanden und insbesondere seine Bedenken bezüglich der Zusammensetzung des Verwaltungsrats, der aufgrund der Auslagerung der Geschäftsleitung mangelnden Transparenz des Vergütungssystems und der verschiedenen Transaktionen mit nahestehenden Personen thematisiert.
Internes Management-Team würde Transparenz verbessern
In Bezug auf die Zusammensetzung des Verwaltungsrats habe man seither bedeutende Fortschritte erzielt, aber bei den anderen beiden Punkten bleibe die Situation unbefriedigend. Ethos ist daher der Ansicht, dass der Vorschlag von MV Invest, ein internes Management-Team aufzubauen, das ausschliesslich für Novavest Real Estate arbeitet, die Transparenz des Entschädigungssystems verbessern und Transaktionen mit nahestehenden Personen möglicherweise weniger fragwürdig machen würde.
Ethos weist darauf hin, dass vier der fünf amtierenden Verwaltungsräte zwischen 2021 und 2024 gewählt worden. Sie sollten daher die Chance erhalten, die Schwachstellen zu beheben. Deshalb wendet sich der Stimmrechtsberater gegen die von MV Invest vorgeschlagene Abwahl von Thomas Sojak (Präsident) und Daniel Ménard.
Salomonische Lösung von Ethos
Im Sinne von MV Invest empfiehlt er aber, Cyrill Schneuwly und Roland Vögele (nicht aber Ueli Kehl) in den Verwaltungsrat zu wählen und im Gegenzug Stefan Hiestand (Vizepräsident) abzuwählen, wodurch der Verwaltungsrat neu sechs statt wie bisher fünf Mitglieder zählen würde. Ausserdem befürwortet Ethos auch die beantragte Statutenänderung zur Anpassung des Kapitalbands.
Durch eine solche Lösung wäre der Minderheitsaktionär im Urteil von Ethos ausreichend repräsentiert, ohne über die Mehrheit zu verfügen.
Doch weshalb soll ausgerechnet Hiestand abgewählt werden? Ethos begründet dies mit der Dauer seines Mandats (13 Jahre) und der Tatsache, dass seit seiner Wahl in den Verwaltungsrat keine Änderung in der Struktur von Novavest in Bezug auf das (immer wieder monierte) ausgelagerte Management vorgenommen worden ist.