Der Stimmrechtsberater stellt künftig höhere Ansprüche an die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, an Mandatssammler und an die Frauenquote in Verwaltungsräten. Auch eine faire Behandlung aller Aktionäre bei Dekotierungen ist ihm ein Anliegen.
Die Ethos Stiftung verschärft im Rahmen der jährlichen Überprüfung ihre Richtlinien zur Ausübung der Stimmrechte sowie der Grundsätze der Corporate Governance. Der Stiftungsrat habe die Anpassungen bereits im September abgesegnet, heisst es in der Mitteilung vom Mittwoch. Das Dokument dient als Grundlage für die Stimmempfehlungen, die Ethos 2025 den Aktionären für die Generalversammlungen (GV) in der Schweiz und im Ausland abgeben wird.
Hintergrund sind zum einen die neuen Regeln für die Nachhaltigkeits- und Klimaberichterstattung. Grössere kotierte Schweizer Unternehmen müssen den Nachhaltigkeitsbericht seit 2024 zwingend der GV zur Abstimmung vorlegen. Zum anderen reagiert Ethos damit auf ihre Auswertung der GV-Saison 2024. Zudem werden Entwicklungen der Gesetze und der Best-Practice-Regeln zur Corporate Governance in der Schweiz und im Ausland berücksichtigt.
Nachhaltigkeitsberichte: Neu werden auch Verschlechterungen erfasst
Die erste Änderung betrifft Anforderungen an die Genehmigung von Nachhaltigkeitsberichten. Sie werden präzisiert. Ethos habe 2024 beobachtet, dass einige Unternehmen wichtige Schlüsselindikatoren nicht mehr veröffentlicht oder ihre Klimaziele nicht mehr der Science Based Targets Initiative zur Genehmigung vorgelegt haben. Daher berücksichtigen die Richtlinien neu auch Verschlechterungen der Transparenz oder der Nachhaltigkeitsstrategie – solche Rückschläge sind seit dem Aufkommen der Anti-ESG-Bewegung, die sich durch Trumps Wahlsieg bestätigt fühlen dürfte, häufiger geworden.
Die zweite Änderung bezieht sich auf die Zusammensetzung der Verwaltungsräte. Zum einen wird die maximale Anzahl Mandate gesenkt, die eine Person in Verwaltungsräten von börsenkotierten Unternehmen ausüben sollte. Eine nicht exekutiv tätige Person darf neu maximal vier Mandate innehaben statt wie bisher fünf. Wird diese Zahl überschritten, empfiehlt Ethos, die Wahl der Person nicht zu unterstützen.
Verwaltungsrat: Mindestens 30 Prozent Frauen
Neu eingeführt wird zudem eine Begrenzung der Anzahl der Mandate in nicht börsenkotierten, aber grossen Unternehmen (Umsatz von mehr als 450 Millionen Euro und mehr als 1'000 Mitarbeiter). Damit soll der besonderen Arbeitsbelastung aufgrund der Grösse und Komplexität solcher Unternehmen Rechnung getragen werden.
Und auch die Anforderungen an die Geschlechtervielfalt in den Verwaltungsräten wird verschärft. Ethos werde die Wiederwahl des Präsidiums des Nominierungsausschusses (oder des Verwaltungsrats, wenn kein solcher Ausschuss besteht) ablehnen, wenn nicht mindestens 30 Prozent Frauen in einem Verwaltungsrat seien.
Gesetzliche Übergangsfrist läuft in gut einem Jahr ab
Damit reagiert der Stimmrechtsberater auf die von ihm nach wie vor als ungenügend eingestufte Frauenvertretung. Viele Unternehmen seien noch weit entfernt von der gesetzlichen Frauenquote von 30 Prozent. Ethos erinnert daran, dass die vom Gesetzgeber gewährte Übergangsfrist für das Erreichen der Quote am 1. Januar 2026 abläuft.
Bei der dritten Änderung geht es um die Dekotierung. Seit 2024 sind kotierte Schweizer Unternehmen verpflichtet, das Vorhaben einer Dekotierung den Aktionären zur Abstimmung vorzulegen. Deshalb sei ein neues Unterkapital zu Dekotierungen in die Richtlinien aufgenommen worden.
Dekotierung: Faire Behandlung aller Aktionäre
Sie sollen sicherstellen, dass alle Aktionäre fair und gerecht behandelt werden. «So sollen sie insbesondere die Möglichkeit haben, ihre Aktien über ein öffentliches Übernahmeangebot zu verkaufen, bevor das Unternehmen in Privatbesitz übergeht.»
Die 1997 gegründete Ethos Stiftung zählt derzeit 254 Mitglieder (Pensionskassen, Sammelstiftungen, Versicherungen, Stiftungen), die rund 2,4 Millionen Personen versichern und ein Gesamtvermögen von 376 Milliarden Franken verwalten.