Die skandalgeplagte Credit Suisse muss im Auslandgeschäft unten durch, während die Aktie fällt und fällt. Da lässt eine kaum wahrgenommene Veränderung im Schweiz-Geschäft aufhorchen, wie Analysen von finews.ch zeigen.
Im Mediensturm um die «Suisse Secrets» und um die Konti eines sanktionierten Oligarchen bei der Credit Suisse (CS) ist es beinahe untergegangen: Wie finews.ch Ende Februar als erstes Medium berichtete, hat die Grossbank ihren Heimmarkt einer weiteren Reorganisation unterzogen.
Dabei kam es zu einer überraschenden Abkehr von der Matrix-Struktur, welche die neue Strategie der Grossbank fordert.
Mehr Kompetenzen für André Helfenstein
So wird das regionale Schweizer Private Banking, das eigentlich in der globalen Sparte Wealth Management (WM) unter der Leitung von Francesco De Ferrari zugeschlagen hätte werden sollen, ab kommenden April in die «Swiss Bank» eingegliedert, die auch das Geschäft mit hiesigen Retail-, Firmen- und institutionellen Kunden umfasst.
Verantwortlich für diesen Bereich wird weiterhin Serge Fehr sein, der künftig primär an André Helfenstein, CEO Swiss Bank und Region Schweiz, rapportieren wird, zusätzlich aber auch im Leitungsteam des WM Einsitz nimmt.
Radikale Rückbesinnung
Dies bedeutet nicht nur eine überraschende Ausnahme von der Regel. Sondern auch, dass die Schweizer Division weiter über eine integrierte Vermögensverwaltung verfügt – das ist mithin das neue Kerngeschäft, in dem die Grossbank künftig Umsatz bolzen will.
Unter Beobachtern am Bankenplatz ist dies nicht unbemerkt geblieben, was nun Anlass gibt zu neuerlichen Spekulationen um die von Skandalen geplagte Bank. Hält sich die CS, so fragen diese Kreise, ein Türchen offen für eine radikale Rückbesinnung auf das Schweizer Geschäft?
«Ich sehe keinen anderen Grund für diese Massnahme», sagt ein stadtbekannter Headhunter in Zürich. «Solche Umgruppierungen haben oftmals (firmen-)politische Ursachen. Doch das ist hier nicht der Fall. Francesco De Ferrari und André Helfenstein sitzen beide fest im Sattel. Das spricht umso mehr für die Hypothese der Rückbesinnung auf eine Schweizer Bank.»
Unternehmerkunden sind befremdet
Die Idee macht spätestens seit dem forcierten Rücktritt des Ex-Bankpräsidenten António Horta Osório auch ausserhalb des Banking die Runde. So berichtete finews.ch zu diesem Eklat, dass viele Unternehmerkunden dem Gebaren der CS-Spitze mit wachsendem Befremden begegneten und sich immer weniger mit diesem Institut identifizieren könnten – dies, obschon sich das Institut sich ja betont als «Unternehmerbank» gibt.
Der Ausweg aus der Krise werde der Bank nur über mehr Swissness gelingen, so das Fazit damals.
Rückkehr zur Bank von Alfred Escher?
Eine Abkehr vom Auslandsgeschäft und die Rückkehr zur «Escher-Bank», dem Vorgängerinstitut Schweizerische Kreditanstalt (SKA), hat allerdings nicht nur ideell einiges für sich. Zu Jahresende 2021 zeigte sich, dass das Auslandsgeschäft in der Vermögensverwaltung und im Investmentbanking lahmte.
Bankchef Thomas Gottstein stimmte die Aktionäre in der Folge auf ein «Übergangsjahr» beim Konzern ein. Dies, während das Schweiz-Geschäft (damals noch die Swiss Universal Bank, SUB) auch im schwierigen vierten Quartal «lieferte»: Der Vorsteuergewinn stieg gegenüber dem Vorjahreswert um 41 Prozent.
Fels in der Brandung
Damit erweis sich der Heimmarkt einmal mehr als Fels in der Brandung, wie schon in den meisten Jahren zuvor. «Die Schweiz liefert die Dividende», heisst es unter Investoren schon fast sprichwörtlich zur CS. Unter dem von Ex-CEO Tidjane Thiam eingeleiteten Umbau der Grossbank war die SUB die einzige Sparte, deren Zielvorgaben nie gelockert wurden.
Das bleibt bei Marktbeobachtern nicht unbemerkt. «Auch im vergangen Jahr hat sich das Schweizer Geschäft der Credit Suisse als verhältnismässig störungsfrei erwiesen», sagt Michael Kunz, Bankenanalyst bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB), auf Anfrage.
Trend zeigt in Richtung Allzeittief
Marktkenner muss zudem der neuerliche Kurszerfall der CS-Aktie nachdenklich stimmen. Unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs sind die Titel der zweitgrössten Schweizer Bank am vergangenen Freitag zeitweilig unter 7 Franken gefallen – 6.18 Franken sind laut der Online-Bank Swissquote das Allzeittief des Papiers.
Damit fragt sich, ob CEO Gottstein noch ein ganzes Jahr bleibt, um mit dem Institut die Wende zu schaffen. Schon Ende vergangenen Februar schrieb finews.ch, die Bank teste die Schmerzgrenze.
Nicht in Stein gemeisselt
Ausschlaggebend sind am Ende die Grossaktionäre der CS, angelsächsische Finanzinvestoren und schwerreiche Konglomerate und Staatsfonds aus Nahost. Sie stützen die neue Strategie vom vergangenen November – noch. Wäre ein Schwenker der Bankführung möglich, wenn der Druck aus dieser Ecke steigt?
«Die Credit Suisse hat sich bei angekündigten Strukturen in den vergangenen Jahren schon öfters einen gewissen Ermessens-Spielraum erlaubt», sagt Bankenkenner Kunz. «Insofern ist auch die neue Strategie nicht auf ewig in Stein gemeisselt.»
Geschäft endlich berechenbarer
Eine Konzentration aufs Schweizer Geschäft und auf das «Suisse» in Credit ist dabei auch aus Anlegersicht nicht so abwegig. Eine Reduktion des Auslandsgeschäfts und die Konzentration auf die Schweizer Bank könnte aus Investorensicht langfristig eine interessante Lösung sein, weil das Geschäft der CS so um einiges berechenbarer würde, gibt der ZKB-Analyst zu bedenken.
Allerdings: «Angesichts der Bedeutung des internationalen Geschäfts und des Selbstverständnisses der Bank würde mich ein solches Vorgehen sehr überraschen», relativiert Kunz. Und zudem wäre eine solche Abtrennung wohl sehr komplex.
Stillschweigend eingemottet
In einem anderen Kontext ins Spiel gebracht hat die CS eine solche aber schon einmal in den vergangen Jahren: 2015 stellte der damalige Bankchef Thiam einen Teilverkauf der SUB an der Schweizer Börse SIX in Aussicht.
Dies, um die Aktionäre der Bank für eine dringend benötigte Kapitalerhöhung zu gewinnen. Als die Gelder der Investoren trotzdem flossen, wurde das Vorhaben stillschweigend eingemottet.
CEO hat Übung mit Schweizer Banken
Werden nun die Pläne von damals wieder aus der Schublade geholt? Die CS wollte sich dazu auf Anfrage nicht äussern. Im Umfeld der Bank heisst es, dass im Übergangsjahr 2022 fest an der eingeschlagenen Strategie festgehalten wird.
Anders als 2015 fühlt man sich bei der Grossbank auch ausreichend mit Eigenkapital ausgestattet, was ebenfalls gegen eine Abkehr vom Plan spreche. Fällt der Kurs der CS-Aktie jedoch weiter, frisst sich dies allerdings auch in die Kapitalbasis.
An der Spitze der Bank steht mit CEO Gottstein derweil ein Manager, der schon zweimal die Geburt einer börsenkotierten Schweizer Bank durchexerziert hat: Einmal als CS-Schweiz-Chef unter Thiam, und im Jahr 2013 als Investmentbank-Berater beim Initial Public Offering (IPO) der Cembra Money Bank.
Mitarbeit: Claude Baumann